Ein Glas Wasser

Deutschland 1922/1923 Spielfilm

Ein Glas Wasser



H. W. (= Hans Wollenberg), Lichtbild-Bühne, Nr. 5, 3.2.1923
Es gab selten einen so einmütigen und aufrichtigen Beifall bei einer Uraufführung, wie am letzten Donnerstag im Ufa-Palast, als der sechsaktige Lustspielfilm der Decla vom Stapel lief. Die Kritik freut sich, in diesen Beifall mit einstimmen zu können.

Das Scribesche Lustspiel "Ein Glas Wasser", ein altbewährtes Bühnenrepertoire-Stück, lieferte den Herren Ludwig Berger und Adolf Lanz den Stoff für ein sechsaktiges Filmmanuskript. Und sie haben dramaturgisch saubere Arbeit geleistet. Milieuschilderung und Handlungsmomente sind so verquickt, daß nirgends der dramatische Antrieb fehlt. Das Tempo ist ausgeglichen. Das Optische, das Bildhafte betont. Die Steigerung behutsam, aber ständig höher entwickelt. Das Lustspielhafte psychologisch motiviert.

Dr. Ludwig Berger besorgte auch die Inszenierung. Im Film noch jung, hat er im Berliner Theater und literarischen Leben einen wohlerworbenen Namen. Er hat ihn nun auch im Lichtspielreich. Denn seine Regieleistung gehört zum Feinsten, Kultiviertesten, Durchdachtesten und Geschmackvollsten, was die Lichtspielkunst hervorgebracht hat. Vor allem überrascht dieser Mann der Feder und der Bühne durch seine ausgesprochen visuelle Fähigkeit. Er ist souveräner Herr über Licht und Schatten, er schafft Bildwirkungen von eindrucksvoller Schönheit und beredter Individualität. Die Bilder, die er formt, haben die Atmosphäre eines Watteau, eines Reynols. Und die brillante technische Könnerschaft, die sich in alledem auswirkt, bleibt völlig unaufdringlich; nur der Fachmann kann beurteilen, welch eine Leistung hier vorliegt.

Der technische Stab Bergers darf hiernach beanspruchen, mit ihm zusammen genannt zu werden: die Herren Bing, Krampi und Waschneck, die an Photo- und Beleuchtungstechnik Musterhaftes geleistet haben. Und mit ihnen gebührt den Architekten Warm und Bamberger volles Lob. Die Anlage ihrer Bauten gibt den Bildern jene plastische Kraft und durchaus dreidimensionale Wirkung. Die ganze kostbare Ausstattung wahrt die Linie erlesener Stilreinheit.

In diesen Stil, in diesen Rahmen scheinen die handelnden Gestalten, dank der Regie, hineingewachsen. Selten sieht man eine so fein abgetönte, eine mit so zarten unaufdringlichen Mitteln derart beredt wirkende Darstellung. Ein klassisches Ensemblespiel, in das sich alles und jedes wie selbstverständlich einfügt. Mady Christians, Lucie Höflich, Helga Thomas: alle drei Frauen voll Charme. Voll mimischer Bewegtheit. Voll gelöster Natürlichkeit. Hans Brausewetter holt sich den gleichen Erfolg, den er in der gleichen Rolle seinerzeit im Deutschen Theater verzeichnen durfte. Auch alle anderen männlichen Rollen (namentlich Rittner) als Kabinettstücke durchgeführt.

So ergab sich aus ernster Arbeit eine Gesamtleistung voll Anmut und Grazie. Ein Film, der es rechtfertigt, von Lichtspiel-Kunst zu sprechen.

Rights statement