Sommersturm
Mainstream mit ernsten Momenten
Katharina Dockhorn, filmecho/filmwoche, Nr. 35, 28.08.2004
Beim Münchner Filmfest erlebte Marco Kreuzpaintners "Sommersturm" seine umjubelte Uraufführung und gewann den Publikumspreis des BR. Seitdem stellten der in Berlin lebende Regisseur und sein Hauptdarsteller, Mädchenschwarm Robert Stadlober, die Produktion von Jakob Claussen und Thomas Wöbke bei etlichen Previews vor. Die Gala-Premiere wird der Film in Köln feiern.
"Es ist schön zu beobachten, dass das Thema Schwulsein auch in einem Mainstream-Film angenommen wird, der nicht leicht und flockig daher kommt, sondern durchaus schmerzliche Momente kennt", fasst Marco Kreuzpaintner die Eindrücke der Vorführungen zusammen, für den er gemeinsam mit Thomas Bahmann auch die Vorlage lieferte. Er führt ins Milieu eines Ruderklubs einer Kleinstadt. Zu den Nachwuchstalenten gehört auch Tobi (Stadlober), der seinen Trainingspartner und Freund Achim heimlich liebt und daher die Zuneigung von Anke nicht erwidern kann.
"Ich bin selber schwul" bekennt Kreuzpaintner offen. "Der Film ist aber nicht autobiographisch. Es gibt aber Schlüsselmomente, die ich eingebracht habe." Sein Coming-out fiel ihm leichter als seiner Filmfigur Tobi, da er einen toleranten Freundeskreis hatte, der dies akzeptierte. Aber das innere Coming-out, das Akzeptieren, sich nicht für Mädchen sondern für Jungs zu interessieren, war für ihn ebenso schwierig wie für seine Hauptfigur.
"Viele junge Schwule bedanken sich bei mir für die selbstverständliche Darstellung ihrer Gefühle," freut sich der Regisseur, der genau beobachtet hat, wie die Gesellschaft mit der gleichgeschlechtlichen Liebe umgeht. "Auf dem Pausenhof kommt es immer wieder zu Diskriminierungen, die auch die Hip-Hop-Musik anheizt, in der mit Machoattitüden gespielt wird und Schwule meist sehr negativ dargestellt werden."
Diese Vorurteile spießt er auf, in dem er Tobi ein Hobby gibt, das normalerweise mit der Vorstellung großer, muskelbepackter und harter Männer verbunden ist. Wer weiß schon, dass der Ruderklub "Queerschläger", in den nur bekennende Schwule aufgenommen werden, wirklich existiert. "Ihr Umgang mit der Homosexualität hat im Film etwas ungeheuer Provozierendes, weil wir die Sportler auch so besetzt haben, dass die Mädchen sehr auf ihr sportliches und attraktives Aussehen abfahren."
Dass Kreuzpaintner mit dem sportlichen Ehrgeiz seiner Protagonisten nicht übertrieben hat, sondern eindeutig auf Breitensport setzt, ist ihm gar nicht so bewusst. "Ich wollte einfach keinen Sportfilm, sondern einen Film über die erste Liebe inszenieren. Und die ist bei Schwulen, Lesben oder Bisexuellen genauso schön und kann genauso schmerzlich sein." Gerade darin legt auch die Stärke des Films, dass die Gefühle Tobis genauso nachvollziehbar sind wie die seiner Altersgenossen in vergleichbaren Werken wie "Crazy" oder Kreuzpaintners Debüt "Ganz und gar".
Den Tobi hat Kreuzpaintner mit Robert Stadlober besetzt, mit dem er schon lange befreundet ist. Zunächst hatte er nach einem jüngeren Hauptdarsteller gesucht, den er trotz langen Castings nicht finden konnte. Thomas Wöbke brachte Stadlober wieder ins Gespräch, der früh sein Interesse an einer Rolle in "Sommersturm" bekundet hatte.
"Ich habe mich gefragt, kann ich ihn noch so jung besetzen", erzählt der Regisseur. "Wir haben uns dann geeinigt, uns über die Frage zu nähern, was macht das Jungsein vor allem aus: Neugierde". Kreuzpaintner schätzt an dem Jungstar, über den trotz langjähriger Beziehungen zum weiblichen Geschlecht im Internet immer wieder spekuliert wird, ob er schwul sei, den Mut zum Risiko. "Ich denke, das Rebellentum, das er in einigen Filmen versuchte zu verkörpern, ist nicht sein Ding. In "Sommersturm" kann er wieder seine sensible und weiche Seite zeigen."
Bei der Zusammenarbeit mit Jakob Claussen und Thomas Wöbke ist für Kreuzpaintner auch ein Traum in Erfüllung gegangen. Die Münchner Produzenten waren die ersten, die der Autodidakt aus dem bayerischen Rosenheim im Filmgeschäft kannte. "Sie sind uneitel, fair, hilfsbereit und offen. Und ich komme mir in ihrem Büro manchmal vor wie in einem Kinderspielzimmer. Wir werden auf jeden Fall weitermachen."
Im Moment adaptiert der Filmemacher einen Roman, dessen Titel er nicht verraten will. Er will auch das Schreiben fortsetzen, weil er dann längere Zeit hat, sich in den Stoff einzuleben. Natürlich war sich Kreuzpaintner, der sich selbst als Autorenfilmer versteht, bewusst, dass seine Vision vom Filmemachen bei Claussen + Wöbke Programm ist. "Ich will Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch verbinden. Ich will im Kino nicht belehrt werden und weiß genau, dass es eine Grenze gibt, die ich auch akzeptieren kann. Ich weigere mich aber, das Publikum nicht zu fordern." Genau diesem Credo ist er auch in seinem zweiten Film über die erste Liebe und das Erwachsenwerden gerecht geworden.