Die schwarze Galeere

DDR 1961/1962 Spielfilm

Eine neue Literaturverfilmung. Die Schwarze Galeere


Christel und Wolfgang Gersch, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 10, 1962


Hätte Martin Hellberg einen historischen Abenteuerfilm ge
dreht, brauchte man nicht mehr zu sagen, als das Genre verlangt. Der progressive Grundakzent der Erzählung von Wilhelm Raabe, die für den Kampf der Geusen gegen die spanische Fremdherrschaft eindeutig Partei nimmt, rechtfertigt eine Verfilmung, der die packende Atmosphäre, die abenteuerliche Handlung der entsprechend zu bearbeitenden Vorlage entscheidende, spannungsreiche Impulse verleihen könnten. Doch wollte Hellberg – mit künstlerischer Leidenschaft – eine historische Filmdichtung schaffen, die zu unserer Gegenwart unmittelbar Beziehung hat. Deshalb verdient sein Film, dessen bedauerliche Schwächen teilweise schon die Tagespresse feststellte, eine etwas eingehendere Betrachtung, als es mitunter der Fall war. Hellberg, der mit "Richter von Zalamea" und "Kabale und Liebe" Bedeutendes in der Literaturverfilmung, im historischen Genre, geleistet hat, ließ hier mehr das "heiße Herz" sprechen und nicht so sehr die "kritische Vernunft". Seine zur Aussage drängende vitale Künstlernatur übersteigert sich. Der Schauwert ist – wie meist bei seinen Filmen – beträchtlich, aber die erstrebte Aussage über die Gegenwart – die Gegenüberstellung der Niederlande vom Ende des 16. Jahrhunderts (…) mit unserer heutigen deutschen Situation – bleibt durch die Gestaltung simplifizierende Parallele. (…)

Übertriebene Werktreue oder Einverständnis – Hellberg übernimmt weitestgehend, sogar den philiströsen Dialog. Die abenteuerliche Handlung, die den ohnehin schwach charakterisierten Helden wohl Aktionen, aber kaum Möglichkeiten einer Individualisierung gewährt, wird nur in ihrer Folge unbedeutend verändert; die Beschreibungen Raabes gehen vielfach in dem Kommentar des "Chronisten" auf. Dieser Kommentar besitzt im Film großes Gewicht, denn Exposition, Erklärungen allgemeiner und besonderer Zusammenhänge bleiben ihm überlassen. Er wird bilderbogenmäßig illustriert und kommt einer Geschichtslektion mitunter sehr nahe. Es ist dem Drehbuchautor Hellberg nicht gelungen, aus Raabes Erzählung ein Filmsujet zu formen, das Geschehen und Tendenz organisch verbindet. Die Probleme und Widersprüche werden einfach berichtet. Sie müßten aber im zwischenmenschlichen Bezug der Figuren Gestalt finden. So wirken auch die über Raabe hinausgehenden Zuspitzungen aufgesetzt. (…)


Zu dieser unbefriedigenden Konstruktion, die Ausdruck einer veräußerlichten Adaption ist, tritt ein weiteres: Auch der historische Film muß aus Zeitgenössischem schöpfen, will er verstanden sein. Jede Zeit hat Ihren bestimmten Stil. Wenn wir ihn für uns auch heute noch nicht genau definieren können, so ist doch gewiß – der Stil dieses Films ist überholte Konvention. (…)

In einigen Szenen und Einstellungen erreicht Hellberg die Qualität realistisch-historischer Darstellung, die wir insgesamt von ihm erwarteten: so die Kamerafahrt über die Gesichter der Antwerpener Patrizier in der Kirche, erinnernd an die Bildniskunst der alten Niederländer; am vortrefflichsten gelang Hellberg die Genre-Szene in der Schenke, deren schöpferisch interpretierte Gewährsmänner Brueghel und Brouwer sind (hervorzuheben auch der Gesang Ingeborg Bogners). Leider bleiben diese Szenen Ausnahmen. Der konventionelle Eindruck des Films wird verstärkt durch die Kulissenwelt (Bauten: Harald Horn, Erich Zander) und den biederen Trick (Ernst Kunstmann). Einen echteren Eindruck von der Historie gibt dagegen die Originale verarbeitende Musik Wilhelm Neefs. Die handwerklich gute Kamera (Karl Plintzner) folgte den Intentionen der Regie.

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