Berlinale Kamera 2015 für Marcel Ophüls und Naum Kleiman

Mit der Berlinale Kamera zeichnen die Internationalen Filmfestspiele Berlin seit 1986 Filmpersönlichkeiten oder Institutionen aus, denen sie sich besonders verbunden fühlen und denen sie mit dieser Ehrung ihren Dank ausdrücken möchten.

Bei den 65. Internationalen Filmfestspielen Berlin werden der Regisseur Marcel Ophüls und der Filmhistoriker und ehemalige Leiter des Moskauer Filmmuseums Naum Kleiman mit der Berlinale Kamera geehrt.

Marcel Ophüls ist einer der bedeutendsten Filmemacher, Chronisten und Aufklärer der Gegenwart. Bereits in den 1960er Jahren machte er sich einen Namen als Dokumentarfilmer. Sein Weg dahin führte über den Fernsehjournalismus und Regieassistenzen bei John Huston, Julien Duvivier und seinem Vater, dem bekannten Theater- und Filmregisseur, Max Ophüls.

In seinen dokumentarischen Arbeiten greift er immer wieder Themen des Nationalsozialismus auf und sucht nach den Wurzeln des Totalitarismus.

1989 präsentierte Ophüls im Programm des Forums den Film "Hotel Terminus - Leben und Zeit des Klaus Barbie" über das Leben des Gestapo-Kommandanten Klaus Barbie, der mit dem Friedensfilmpreis und dem Oscar für den Beste Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Ein weiteres Mal war Marcel Ophüls 1991 mit "Novemberdays" ("Novembertage – Stimmen und Wege") im Forum zu Gast. Darin dokumentiert er ein Jahr nach dem Mauerfall in Berlin Reaktionen und Meinungen derer, die er in Filmaufnahmen vom 9. November 1989 entdeckte. Zuletzt stellte Marcel Ophüls 1995 "Veillées d'armes" ("The Trouble We've Seen"), in dem er die Kriegsberichterstattung kritisiert, ebenfalls im Forum vor.

In "The Memory of Justice" ("Nicht schuldig", 1976) besucht Marcel Ophüls Angeklagte der Nürnberger Prozesse, Vietnamkriegs-Veteranen und Überlebende des Algerienkrieges und versucht dabei das Bewusstsein von Schuld und Verantwortung zu erforschen. Anlässlich der Ehrung zeigt die Berlinale das fast fünfstündige Monumentalwerk, das von Martin Scorseses Film Foundation und mit Unterstützung von Transit Film für die Berlinale Premiere restauriert wurde.

"Marcel Ophüls‘ Œuvre trägt maßgeblich zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus bei. 'The Memory of Justice' erinnert uns aber auch an die Frage nach kollektiver und individueller Verantwortung, die wir uns immer wieder stellen müssen", sagt Festivaldirektor Dieter Kosslick.

Die Verleihung der Berlinale Kamera an Marcel Ophüls findet am 11. Februar 2015 um 15:00 Uhr im Haus der Berliner Festspiele statt, die Laudatio hält die Filmkritikerin Katja Nicodemus. Im Anschluss an die Dokumentation "The Memory of Justice" ("Nicht schuldig", 1976) wird ein Filmgespräch stattfinden, das Sandra Schulberg moderiert. Schulbergs Vater Stuart Schulberg hatte 1948 den ersten Dokumentarfilm über die Nürnberger Prozesse, "Nuremberg", gemacht, dessen Restaurierung Sandra Schulberg 2011 verantwortete. Neben Marcel Ophüls nehmen die Scorsese-Produzentin Margaret Bodde und Hamilton Fish, Präsident von The Film Foundation, teil.

Der 1937 in Kischinijow im heutigen Moldawien geborene Filmhistoriker, Publizist, Dozent und Kurator Naum Kleiman ist einer der bedeutendsten Verfechter der Filmkultur im heutigen Russland. Er war Mitbegründer und von 1967 bis 1985 Leiter des legendären Sergei-Eisenstein-Archivs. 1989 gründete er die Moskauer Cinemathek, das Musej Kino, dessen Leitung er 1992 übernahm. Dieser Ort hatte große Bedeutung für das Moskau der Wendejahre und eine ganze Generation junger russischer Filmschaffender. 2005 wurde das Musej Kino Opfer eines Immobilienskandals und existiert seither nur noch als Archiv. Von 2005 bis 2014 kämpften Naum Kleiman und sein Team darum, ein neues Gebäude zu erhalten. Mit unermüdlichem Engagement hielten sie die "Cinemathek im Exil" am Leben, indem sie nahezu täglich Filmvorstellungen in Kinos und Museen in ganz Moskau organisierten. Im Juli 2014 wurde Naum Kleiman vom russischen Kulturminister durch eine neue Direktorin ersetzt. Unter Protest gegen deren Geschäftsführung trat im Oktober des Jahres die gesamte Belegschaft von ihren Posten zurück.

Naum Kleiman publizierte umfangreich zum Werk Sergei Eisensteins, zur Filmtheorie und zur Geschichte des sowjetischen und russischen Kinos. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen FIPRESCI-Preis für seine Retrospektiven im Rahmen des Moscow International Film Festivals (1987), den französischen L'Ordre des Arts et des Lettres (1992), den "Felix" der European Film Academy, EFA (1993) sowie eine Goethe-Medaille (1995). Naum Kleiman war Mitglied in zahlreichen Jurys internationaler Filmfestivals, u.a. 1993 in der Wettbewerbsjury der Berlinale. Dem Forum der Berlinale stand er viele Jahre als Berater und tatkräftiger Helfer zur Seite.

Die Verleihung der Berlinale Kamera an Naum Kleiman findet am 12. Februar 2015 um 16:30 Uhr im Delphi Filmpalast statt. Im Anschluss wird der Dokumentarfilm "Cinema: A Public Affair" von Tatiana Brandrup gezeigt. 

Die Berlinale Kamera wird seit 1986 verliehen. Bis 2003 war der Berliner Juwelier David Goldberg Stifter dieser Auszeichnung. In den Jahren 2004 bis 2013 übernahm das Düsseldorfer Atelier Georg Hornemann Objects die Stiftung des Preises und im Rahmen der Berlinale 2008 wurde die Trophäe vom Goldschmiedekünstler Hornemann neu gestaltet: Die Berlinale Kamera besteht aus 128 Einzelteilen und ist einer realen Filmkamera nachempfunden. Viele der Silber- und Titanteile von Schwenkkopf bis Stativ sind beweglich.

Quelle: www.berlinale.de