Summary
A Regular Woman
The film traces the fate of the German Turk Hatun Aynur Sürücü, her struggle for a free, self-determined life against the resistance of the family. Her brothers don't accept her lifestyle and insult and threaten her more and more. Finally, the young woman files charges against her eldest brother and moves with her child to a friend as she doesn’t feel safe at home anymore. Simultaneously, the family tries to find a wife for the future murderer, Hatun's eldest brother. In just a few weeks they manage to educate the young Turk Melek (Evin) to become a strict Muslim. She becomes part of the plan to take over and look after Hatun's little boy after her death. Then the murder happens.
Comments
You have seen this movie? We are looking forward to your comment!
Login or register now to write a comment.
Erstausgestrahlt am 29. Januar 2020 von der ARD im „Ersten“ ist der bemerkenswerterweise von der TV-Talkerin Sandra Maischberger produzierte Spielfilm kongenial besetzt mit der selbst unweit vom „Kotti“ in Kreuzberg aufgewachsenen Almila Bagriacik („4 Blocks“) in der Titelrolle einer ungemein sympathischen, sehr berlinerisch-schnoddrigen jungen Frau, die selbst ihr Leben in der Rückblende erzählt auf eine locker-flockige, ironische Weise, wie wir sie etwa aus Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ kennen.
Aynur geht in Kreuzberg aufs Gymnasium. Die 15-Jährige ist zielstrebig, willensstark und selbstbewusst. Sie liebt ihre Familie, ihre Eltern Deniya und Rohat, sunnitische Kurden, die zu Beginn der 1970er Jahre aus Ostanatolien nach Berlin gezogen sind, und ihre acht Geschwister. Die sind wie Aynur fast alle in Berlin geboren: Tarik, der bei der Bundeswehr dient, das „Arschloch“ Sinan, ihr Lieblingsbruder Aram, der sich als erster aus dem Clan befreit hat und in Köln Jura studiert, und Nuri, der Jüngste, der von einer Karriere als Profiboxer träumt. In der Vier-Zimmer-Wohnung der Familie muss sich Aynur ein Zimmer mit ihren drei jüngeren Schwestern teilen.
Bei den konservativen Sürücüs herrscht ein streng patriarchalisches Diktat, in dem der jüngste Sohn mehr zählt als alle seine Schwestern zusammen. Die dazu verdonnert sind, auf den Mann zu warten, der ihnen vom Vater ausgewählt wird. So soll Aynur das Gymnasium nach der achten Klasse verlassen und in Istanbul einen Cousin heiraten, den sie nicht kennt und auch nicht näher kennen lernen wird. Denn er ist brutal und schlägt Aynur selbst dann noch, als sie bereits schwanger ist. Aynur flieht zurück nach Berlin, wo sie erwartungsgemäß nicht mit offenen Armen empfangen wird. Aber der Vater zeigt insoweit Verständnis, dass seine Älteste wieder daheim leben darf. Sie muss ihrer Mutter im Haushalt helfen, darf aber die Wohnung allein nicht verlassen und auch nicht zur Schule gehen.
Als sie ihren Sohn Can zur Welt bringt, wird es für ihre Schwestern zu eng im „Mädchenzimmer”, sodass Aynur in eine kleine, stickige Kammer verbannt wird, wo sie ihr Bruder Sinan sexuell belästigt. Den wirft der Vater zwar hinaus, jedoch wird Aynur klar, dass sie mit ihrem Baby nicht länger hierbleiben kann. Frau Beck vom Jugendamt vermittelt ihr zunächst einen Platz in einem Mutter-Kind-Heim und schließlich sogar eine eigene Wohnung nur für sie und Can in Berlin-Tempelhof. Aynur kann nun ihren Schulabschluss nachholen und beginnt eine Lehre als Elektroinstallateurin. Sie freundet sich mit Sanna an, die das Leben einer modernen Muslimin führt – und sie entscheidet sich dafür, ihr Kopftuch abzulegen.
Je freier, selbstbestimmter und glücklicher Aynur ihr eigenes Leben führt, desto größer wird der Dorn im Auge ihrer Brüder. Weil ihr psychisch erschöpfter Vater immer mehr Zeit in Istanbul verbringt, rückt der Jüngste, Nuran, an seine Stelle als bestimmender Mann im Haus. Er besucht gemeinsam mit Tarik regelmäßig die Moschee und lässt sich von einem extremistischen Hass-Prediger beeinflussen. Als Aynur mit Tim auch noch einen „Ungläubigen“ kennenlernt, werden die Drohanrufe ihrer Brüder immer unerträglicher. Diese wollen nun vor allem ihren Neffen Can vor dem Einfluss seiner Mutter „retten“. An ihrem 23. Geburtstag feiert Aynur ausgelassen mit dem mittlerweile fünfjährigen Sohn und ihren Freunden. Ihr Ausbilder Bekir ermutigt sie, ihre im ersten Versuch nicht bestandene Prüfung zur Elektroinstallateurin nachzuholen und unterstützt sie beim Lernen. Danach will Aynur den ultimativen Schritt in die Freiheit wagen – in Freiburg, Doch dann kommt überraschend Nuri zu Besuch…
In „Nur eine Frau“ tritt, auch dies eine Parallele zu „Tschick“, die Protagonistin in direkten Dialog mit dem Publikum. So kommt Aynur selbstbewusst und lebensfroh ‘rüber. Bei Sherry Hormann ist sie weder Opfer noch gar Märtyrerin, sondern eine junge Berlinerin, die Rücksicht nimmt auf ihren besonderen familiären und kulturellen Hintergrund, nicht aber bereit ist, für diesen ihre Freiheit, die ihr die offene westliche Gesellschaft gewährt, zu opfern. Der Film wartet diesbezüglich mit einer ebenso erschreckend authentischen Gegengeschichte auf: Aynurs Schwester Shirin stellt ihrem Bruder Nuri ihre Mitschülerin Evin vor. Die auch Muslimin ist, aber gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden, im Beruf erfolgreichen Mutter Dilber ein modernes, westlich-offenes Leben führt. Immer mehr gelingt es Nuri und seiner Familie, Evin von der eigenen, fundamentalistischen Form des Islam zu überzeugen. Zum Entsetzen ihrer Mutter trägt Evin plötzlich ein Kopftuch, besucht die Moschee und wirft ihr die Lebensführung einer Ungläubigen vor. Evin ist zu jung und zu naiv, um die Ideologie zu durschauen - und ahnt nicht, dass ihr neuer Freund Nuri die Ermordung seiner Schwester plant.
Mit ihrem Tod endet Aynurs Geschichte – zum Glück - nicht. Evin sagt im Prozess gegen Nuri und dessen Familie als Kronzeugin der Staatsanwaltschaft aus. Ihr und vieler engagierter Freunde der Ermordeten ist es zu verdanken, dass Can nicht bei den Sürücüs aufwachsen muss, sondern vom Gericht einer deutschen Pflegefamilie zugesprochen wird. Das Schlusswort gebührt Regisseurin Sherry Hormann (im Presseheft): „‘Nur eine Frau‘ ist ein Film über eine junge Frau mit einem ungeheuren Lebenshunger, die in ihrem Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung so unbeirrt und offen ehrlich ist – auch in ihrem inneren Konflikt die Familie zu lieben, die sie verstößt –, dass man nur staunen kann. Das zu zeigen, so wie auch die vielen Menschen an ihrer Seite, die Aynur unterstützt haben, ohne die sie nie so weit gekommen wäre – das bleibt.“
Pitt Herrmann