Summary
A Stasi Comedy
Present-day, reunified Berlin: Ludger, an established novelist and former GDR dissident, is getting an opportunity to view his ‘official’ Stasi file. However, instead of enjoying an afternoon of nostalgia, his wife Corinna has organised a surprise family party to mark the occasion.
Cut to communist East Berlin, early 1980s: In the enclave of Prenzlauer Berg, members of a vibrant counterculture are celebrating life, art and love. Young Ludger is a brand-new Stasi recruit and proves to be quite talented compared to his colleagues on the team that’s been put together to infiltrate the wild Prenzlauer Berg bunch. On their very first assignment, Ludger’s identity is almost exposed, but he manages to keep his cover by sleeping with his female target Corinna. Unfortunately, Ludger has already fallen for Natalie and to make matters worse, his commanding officer orders him to marry Corinna. Ludger obeys, largely so that he can maintain his bohemian cover while the winds of change start blowing away the GDR – and almost his Stasi agent identity along with it.
Source: German Films Service & Marketing GmbH
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In der dicken Akte des Archivars Dietrich, die Ludger daheim nicht ohne Stolz präsentiert, finden sich jede Menge mit Anmerkungen versehene Dokumente zu seinem Wohnumfeld im nur „LSD-Viertel“ genannten Areal zwischen der Lychener-, Schliemann- und Dunckerstraße, das mit Bars, Kneipen, Hinterhöfen, illegalen Ateliers und Clubs die Künstlerszene aus Ost und West anlockte. Wie den US-amerikanischen Beat-Generation-Dichter Allen Ginsberg für eine heimliche Dachboden-Lesung (gedreht im heute polnischen Breslau). Als Gattin Corinna einen höchst detailreich-pikanten Liebesbrief einer gewissen Natalie findet, versucht Ludger abzuwiegeln: „Das war doch vor deiner Zeit…“
Ein zweckloser Versuch, die weibliche Neugier ist geweckt – und die „Kundschafter“ des Ministeriums für Staatssicherheit haben alles minutiös aktenkundig gemacht. Ludger bleibt keine Wahl, als seine Mappe unter den Arm zu nehmen und den bohrenden Fragen der Familie zu entfliehen. Als er sich draußen auf der Straße eine Zigarette anzündet, erinnert er sich an den jungen Mann, der er einst war: Mit dem Abschluss der zehntklassigen Oberschule in der Tasche und reichlich Flausen im Kopf hat er sich von Oberstleutnant Siemens für „Horch + Guck“ anwerben lassen, um die intern nur als „Neg-Dek“ bezeichnete „negativ-dekadente Szene Prenzlauer Berg“ im Auge zu behalten.
Ludger, seinerseits überwacht vom Pappnasen-Trio Bär, Wolke und Nullgesicht, wird von seiner so verführerischen wie hedonistischen Nachbarin Natalie in die Bohème des Prenzlauer Bergs eingeführt. In der er sich bald so wohlfühlt, dass er den Auftrag seines Führungsoffiziers Siemens, die Szene nicht nur zu beobachten, sondern zu zersetzen, glatt aus den Augen verliert. Was dem einst überzeugten „Tschekisten“, aus dem inzwischen ein desillusionierter Alkoholiker geworden ist, nicht verborgen bleibt: Ludger soll Corinna heiraten, um sie rund um die Uhr bespitzeln zu können…
Leander Haußmanns „Stasikomödie“ trägt zahlreiche autobiographische Züge wie diesen: Ludger, gerade erst eingezogen, täuscht beim Besuch seiner Nachbarin durch das sorgsame Drapieren intellektueller Bücher seine Belesenheit vor. Für szenische Petitessen sorgen großartige Schauspieler wie Carmen Maja Antoni, die für die Behörde das Hausbuch führt, Alexander Scheer als Travestiekünstler Michaela in der „Schoppenstube“ an der Schönhauser Allee, Matthias Mosbach als naiver Bohèmien Robert sowie Bernd Stegemann als Stasi-Chef Erich Mielke und Steffi Kühnert als dessen Sekretärin Gabi auf einer opulent-dekadenten Geburtstagsfeier in Rokoko-Kostümen (gedreht im thüringischen Barockschloss Crossen). Um nicht zu viel zu verraten: eine - leider zeitlose - Ampel-Szene mit ferngesteuerter Schaltung zur moralischen Prüfung der Fußgänger gehört zu meinen absoluten Favoriten.
Die am 12. Mai 2022 im Berliner Delphi uraufgeführte satirische Komödie bildet nach „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2005) den Schlussteil der DDR-Trilogie des Familienmenschen Leander Haußmann, der in einer kleinen (TV-) Szene seines 2010 verstorbenen Vaters Ezard Haußmann gedenkt. Für seinen nach eigenen Angaben persönlichsten Film konnte der einstige Bochumer Schauspielhaus-Intendant einen bis in kleinste Nebenrollen prominent und pointiert besetzten Cast vor der Kamera Michal Grabowskis versammeln, genannt seien etwa noch Regie-Kollege Detlev Buck als überambitionierter Volkspolizist, der die Wende nahtlos überlebte, Karsten Speck als Barkeeper und Katrin Angerer als autogrammjagender Fan des Erfolgsschriftstellers vierzig Jahre später.
Der knapp zweistündige, äußerst kurzweilige Film hütet sich vor jeder billigen Schwarzweiß-Malerei der Marke „Hinterher ist man immer schlauer“, zieht die skurrilen Methoden der Stasi-Überwachung („Verseuchung“ einer Wohnung mit Sex-Spuren) ebenso durch den Kakao wie die Eitelkeit selbsternannter Kunsteliten.
Pitt Herrmann