Kreuzweg

Deutschland 2013/2014 Spielfilm

Summary

Stations of the Cross

Maria finds herself caught between two worlds. At school this 14-year-old girl has all the typical teenage interests, but when she’s at home with her family she follows the teachings of the Society of St. Pius XII and their traditionalist interpretation of Catholicism. Everything that Maria thinks and does must be examined before God. And since the Lord is a strict shepherd, she lives in constant fear of committing some misconduct. Whilst Maria’s mother takes a tough line in compelling her daughter to stay on the path of righteousness, her father is often reticent and stands back during critical moments. Conflicts intensify as arguments erupt with teachers and doctors. Desperate to please everyone, Maria soon finds herself trapped in the crossfire. How can she reconcile her feelings for a fellow pupil with her vow to maintain purity of heart in her love for God? Will the Lord demand a tremendous sacrifice so that her brother can be healed from his sickness?

Dietrich Brüggemann unfolds his young protagonist’s emotional ordeal in fourteen images based on the Stations of the Cross, from ‘Jesus is condemned to death’ to ‘Jesus’ body is laid in the tomb’.

Source: 64. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die 14-jährige Maria (grandioses Filmdebüt für Lea van Acken) lebt mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern in einer Kleinstadt in Süddeutschland und steht kurz vor ihrer Firmung. In der letzten Unterrichtsstunde erzählt der so junge, freundliche und attraktive wie erschreckend konservative Pater Weber seinen Schützlingen, dass sie nun Soldaten Jesu Christi seien und in diesem durchaus kämpferisch verstandenen Sinne Versuchungen aller Art entgegentreten müssten. Für Weber, dessen mahnender Zeigefinger häufig unmittelbar auf das Kino-Publikum weist, gehört auch die Jugendzeitschrift „Bravo“ zu diesen Versuchungen des Satans. Wie die Pop- und Rockmusik, wie Jazz und selbst Gospel. Worin sich der Pater ganz einig ist mit Marias Mutter, die streng katholisch ist und zur Gemeinde der fiktiven Priesterbruderschaft St. Paulus gehört, welche das Autorengespann Anna und Dietrich Brüggemann freilich sehr konkret der Pius-Bruderschaft anlehnt, die gerade wieder eine Renaissance erlebt nach der Rehabilitation durch den Deutschen Josef Ratzinger in seiner kurzen Zeit als Papst.

Krankheiten sind nach diesen katholischen Fundamentalisten, welche die in den 1960er Jahren offiziell abgeschaffte traditionelle lateinische Messe zelebrieren, Strafen Gottes für Sünden. Und wenn diese „Sünder“ noch sehr jung sind wie Marias vierjähriger Bruder Johannes, der noch kein einziges Wort gesprochen hat, so ist auch dies als Zeichen Gottes anzusehen: die Auserwähltheit der Soldaten Christi tritt gerade im frühen Kindesalter zutage und dadurch, dass diese dann sehr früh vom himmlischen Vater heimgeholt werden. Solch' blanker Unsinn trifft bei Maria auf fruchtbaren Boden. Sie bewundert zwar die Offenheit, das reife, erwachsene Auftreten des im Übrigen auch katholisch-gläubigen französischen Au-Pair-Mädchens Bernadette, ihrer einzigen Vertrauten, fühlt sich aber gerade durch das herrische Auftreten ihrer Mutter genötigt, selbst in die Opferrolle zu schlüpfen – für ihren kleinen Bruder. Während ihr Vater und ihre jüngeren Geschwister, der elfjährige Thomas und die siebenjährige Katharina, weitgehend unbehelligt gelassen werden, wird Maria von ihrer Mutter stets verantwortlich gemacht – einfach für alles, was der gegen den Strich geht.

Als sie in der Schulbibliothek Christian aus der Parallelklasse kennen lernt, der sie in den Kirchenchor seiner katholischen Don Bosco-Gemeinde einlädt, ist Maria nicht abgeneigt. Sie erfindet sogar eine Schulfreundin, um von ihrer Mutter die Erlaubnis zum Besuch einer Chorprobe zu erhalten. Doch diese reagiert sogleich aggressiv, will ihre Tochter gar aus dem Auto werfen: Bach-Musik ginge ja noch an, aber Soul und Gospel? Teufelszeug! Pater Weber ist später bei der Beichte, einer von mehreren intensiven, minutenlang ungeschnittenen Sequenzen, die mit statischer Kamera gedreht wurden, der gleichen Auffassung: als Soldatin Gottes kann es keine Kompromisse geben, nicht im Glauben und nicht in der Lebensführung. Christian ist danach für Maria kein Thema mehr. Im Gegenteil: Plötzlich wehrt sich Maria gegen die als „satanische Rhythmen“ bezeichnete weltliche Popmusik der Sportlehrerin beim Aufwärmen im Unterricht. Und zieht sich völlig von ihrer schulischen Umgebung zurück.

Als sie bei ihrer Firmung zusammenbricht, diagnostiziert der Arzt Untergewicht am Rande zur Magersucht. Die er mit Mobbing in der Schule oder gar Misshandlungen im Elternhaus in Verbindung bringt. Gegen den Willen der Mutter lässt er Maria in ein Krankenhaus einweisen, wo diese ihrer Vertrauten Bernadette offenbart, sich Gott vollständig opfern und damit ihren kleinen Bruder heilen zu wollen. Das entsetzte Au-Pair-Mädchen versucht, ihr diesen Gedanken mit Hilfe der Ärzte auszureden. Doch jede medizinische Hilfe (Anna Brüggemann in einer kleinen Episodenrolle) kommt zu spät – und die geistliche ist, in Form einer Hostie, der letzte Nagel zum Sarg, der beim Bestatter Feuerbach in besonders opulenter Ausstattung bestellt wird. Denn das von Maria herbeigesehnte Wunder ist geschehen: in dem Moment, wo die Oblate, die ihr Pater Weber bei der letzten Ölung in den Mund schiebt, einen Atemstillstand auslöst, spricht der kleine Johannes die ersten Worte. Nun scheint einer Seligsprechung Marias nichts mehr im Weg zu stehen...

„Kreuzweg“ geht unter die Haut. Was am ja keineswegs fiktiven, sondern leider allzu realen Thema liegt, das einen abwechselnd sprachlos und wütend macht, an der filmischen Umsetzung mit bis zu zehnminütigen ungeschnittenen Sequenzen, die sich an den mit Zwischentiteln angekündigten vierzehn Kreuzweg-Stationen orientieren zwischen „Jesus wird zum Tode verurteilt“ und „Der heilige Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt“. Nicht zuletzt liegt die persönliche, geradezu körperlich empfundene Betroffenheit des Kinozuschauers an der grandiosen Besetzung. Um mit Florian Stetter zu beginnen, der auf der 64. Berlinale auch in Dominik Grafs „Die geliebten Schwestern“ glänzte: Sein Pater Weber ist „die“ Sympathiefigur schlechthin, jedenfalls auf den ersten Blick. Er ist jung, er ist verständnisvoll, er ist bis zu einem gewissen Grad nachsichtig. Einerseits. Andererseits ist das geduldige Zuhören und sein Verständnis, dass der Beichtvater für seine Schützlinge im Allgemeinen und für Maria im Besonderen aufzubringen scheint, nichts anderes als inquisitorisches Nachfragen, um jeden äußeren Einfluss abzuwehren.

Lea van Acken, die auf der Freilichtbühne Bad Segeberg bei den Karl-May-Festspielen erste darstellerische Erfahrungen sammelte, spielt ein junges, vergleichsweise reifes und intellektuell auf hohem Reflexionsniveau stehendes Mädchen, dass sich durch ihre Familie, aber auch durch einen fundamentalistischen Pater geistig verführt sehend in den Abgrund stürzt. Dass die beiden Filmemacher der Gefahr einer nachträglichen Absolution dieser in meinen Augen geradezu kriminellen Gehirnwäsche nicht entgangen sind, gehört für mich zu den Unbegreiflichkeiten dieses Films, der am 13. Februar 2017 auf Arte erstausgestrahlt worden ist. Sie lassen das apostrophierte „Wunder“ der Heilung des Vierjährigen tatsächlich geschehen, vom einzigen Kameraschwenk am Ende einmal ganz abgesehen, der von der Vogelperspektive auf das von Christian besuchte noch frische Grab Marias in die Wolken des Himmels führt und sich eindeutig auf die Wiederauferstehung Christi bezieht. Dietrich Brüggemann im Presseheft: „Wo ist der Missbrauch im System? Was passiert, wenn niemand seine gesteckten Grenzen überschreitet, sondern der Pfarrer einfach seinen Firmunterricht erteilt und die Eltern nach bestem Gewissen ihre Kinder großziehen? Ist allein das schon Missbrauch, und zwar nicht punktuell und sexuell, sondern global und seelisch?“

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Assistant director

Director of photography

Assistant camera

Key grip

Production design

Stand-by props

Make-up artist

Costumes

Editing

Sound editor

Dubbing editor

Sound design

Sound

Audio mixing

Production company

Unit production manager

Location manager

Post-production

Original distributor

Shoot

    • 14.10.2013 - 15.11.2013: Berlin
Duration:
110 min
Format:
HD, 16:9
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 13.01.2014, 142789, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung (DE): 09.02.2014, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 20.03.2014

Titles

  • Originaltitel (DE) Kreuzweg
  • Weiterer Titel Stations of the Cross

Versions

Original

Duration:
110 min
Format:
HD, 16:9
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 13.01.2014, 142789, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Uraufführung (DE): 09.02.2014, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 20.03.2014

Awards

IFF Berlin 2015
  • Silberner Bär, Bestes Drehbuch
  • Preis der Ökumenischen Jury