Summary
Jadup and Boel
ln the run-up to an anniversary: topping-out ceremony for a department store. Next to it, an old cottage collapses. A Marxist brochure from the early years of the GDR is unearthed from the rubble, with a dedication by the current mayor, Jadup, to a girl named Boel. This find brings back memories. At the time, Boel was stranded here as a refugee with her mother. Boel wanted to be beautiful for Jadup, wanted to be freed from the warts on her hands. Someone who is still around today took advantage of that. Boel was raped. When Jadup (like everyone) is only interested in the crime, the perpetrator and the political consequences, but not in Boel's fate, she disappears.
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Jadup hat kaum mit seiner Ansprache begonnen, da stürzt wenige Meter weiter die alte Kate von Frau Martin ein. Zum Glück arbeitet sie wie immer um diese Tageszeit draußen auf der Müllhalde, sodass ihr nichts passiert ist. Sie kommt erst einmal in einem Wohnwagen an der Halde unter. Wie ein eitler Geck ist der Trödelsammler Gwissen eingetroffen. Bevor die elegante Erscheinung, die ein wenig Berliner Weltstadt-Luft mit im Gepäck hat, das sich dann später mit wertvollem „Gerümpel“ für seine zahlungskräftige Hauptstadt-Kundschaft füllen soll, Hof hält im Gasthaus „Blauer Stern“, macht Gwissen noch eine Entdeckung.
Aus den Trümmern der Martinschen Kate fischt er einen alten Friedrich Engels-Band heraus („Die Entwicklung des Sozialismus – von der Utopie zur Wissenschaft“), in dem Jadup eine Widmung entdeckt, die er einst dem Mädchen Boel Martin schrieb. Boel war mit ihrer Mutter 1945 als Flüchtlingskind in die Stadt gekommen und der junge Jadup hatte ihr Lesen und Schreiben beigebracht. Daraus hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt. Während der politisch aktive Jadup das Flüchtlingskind vor allem mit seiner Begeisterung für den Aufbau des „neuen Deutschland“ anstecken wollte, verliebte sich Boel in ihn – und schämte sich sogleich der vielen Warzen auf ihren Händen. Für Abhilfe sorgen wollte ein Filou, der Boel in eine Scheune lockte unter dem Vorwand, ihre Warzen besprechen zu wollen – und der das Mädchen dann vergewaltigte.
Als die Tat ruchbar wurde, weigerte sich Boel standhaft, den Täter zu nennen. So kam es nicht nur zum Bruch zwischen Boel und ihrer Mutter, sondern auch zum Bruch mit Jadup, der nicht gewillt war, ihr – öffentlich – zur Seite zu stehen. Das mit dem neuen Menschen ging halt nicht von heute auf morgen. So blühte der kleinstädtische Tratsch und Klatsch und Boel verschwand spurlos aus der Stadt. Nun also hat Jadup die Vergangenheit eingeholt, nach all' den Jahren und seinem politischen Aufstieg zum Bürgermeister. Jadup fühlt sich schuldig an Boels Verschwinden, gesteht sich und seiner Gattin Barbara seine Feigheit ein und beginnt zugleich sein gegenwärtiges Leben vor dem Hintergrund des offenkundigen Widerspruchs zwischen dem Anspruch des Staates sowie seiner Einheitspartei und der realsozialistischen Wirklichkeit kritisch zu überdenken.
Jadup hinterfragt plötzlich die Propaganda etwa bezüglich der neuen Kaufhalle. Vor der sich regelmäßig Schlangen bilden und Verkäuferinnen für Mängel beschimpft werden, für die sie nicht verantwortlich sind. Oder in der Schule seines Sohnes Max, wo die FDJ einen „Club junger Historiker“ gegründet hat, auch um den etwas chaotischen Freigeist Willi Unger bei seinem Projekt einer Ortschronik besser beaufsichtigen zu können. Schließlich bei streng dialektisch geführten Diskussionen in der SED-Kreisparteileitung, wo die Schnapsflasche kreist und sich alles um die ideologisch brisante Frage dreht, ob Boel vielleicht doch, so jedenfalls ein hartnäckiges Gerücht, von einem Helden der siegreichen Sowjetarmee vergewaltigt worden ist.
Jadup zieht auch Parallelen zwischen seinem Leben und dem seines 14-jährigen Sohnes, dem er den Kirchturm zeigt, wo er einst als Feuermelder Dienst geschoben und sich um Boel bemüht hat. Denn auch Max wird von einem Mädchen, das anders ist als die anderen, das nicht einfach nachplappern will, was seitens der Partei verlangt wird, gemocht und vielleicht sogar geliebt. Doch bei Max hat es den Anschein, dass er einen anderen Weg zu gehen bereit ist als seinerzeit sein Vater, der den Satz „Beherrschung ist die erste Bürgerpflicht“ nur noch mit ironischem Unterton über die Lippen bekommt...
Man kann sich denken, dass die Zensoren nicht erfreut waren, als Rainer Simons Adaption des Romans „Jadup“ von Paul Kanut Schäfer für die DDR-Kinos freigegeben werden sollte. Und das geschah nach einer dreijährigen (!) Diskussionsphase in den unterschiedlichsten politischen Gremien dann auch nicht, ein zweiter Fall „Spur der Steine“. Erst am 12. Mai 1988 und damit nach einem achtjährigen Aufführungsverbot konnte Simons Film auf einem Festival in Karl-Marx-Stadt uraufgeführt und anschließend in ausgewählten DDR-Lichtspielhäusern gezeigt werden. Beim erst- und letztmalig im Berliner Kino International ausgetragenen 6. Nationalen Spielfilmfestival der DDR 1990 gabs als Wiedergutmachung in bewegter Wendezeit gleich vier Preise für Regie, Schnitt, Szenenbild und Kostüme. Das Nachfolgeprojekt „Jadups Kinder“ scheiterte dann an den Fördergremien des wiedervereinten Deutschland.
Pitt Herrmann