Summary
On the Move
Dortmund in 1978. The unemployed friends Lutz, Sulli, and Atze idle away their days in a desolate backyard. But their idleness makes them sick, their neighbours are observing them distrustfully, and their former colleagues are snearing at them. One day, the three of them decide to get out of their rut and they drive away. Destination: unknown, the main point is to leave their past behind. On their way, they pick up a hitchhiker on their trip to "freedom" – but soon the police and orderly citizens stick to the heels of the escapists.
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Zum Beispiel Atze. Der Langmähnige vertreibt sich damit die Zeit, dass er die braven Kinder aus der Nachbarschaft verschreckt. Zum Beispiel Sulli. Der junge Grieche schraubt sich nach und nach aus beim Schrotthändler aus Autowracks geklauten Teilen ein Sportcabrio zusammen. Denn in die Kneipe, wo ihre Altersgenossen sitzen, die noch eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz haben, und Karten spielen, zieht es die drei schon lange nicht mehr: Sie fühlen sich ausgestoßen aus der bundesdeutschen Leistungsgesellschaft.
Als ihnen unverhofft ein dicker „Brummi“ mitten in ihr Gerümpelidyll und damit sozusagen vor die Nase gesetzt wird, ist das Trio nur kurze Zeit erbost über die Störung. Sie nehmen den altersschwachen und zur Reparatur abgestellten Fünfzehntonner als willkommene Abwechslung, einmal herauszukommen aus der Langeweile des Dortmunder Alltagstrotts. Atze, der beim „Bund“ die entsprechenden Führerscheine gemacht hat, kapert den Möbelwagen in der Nacht – und ab geht’s. Freilich nicht in den sonnigen Süden oder sonstwo hin, wo es schön ist und wo die anderen Ausreißerfilme gemeinhin zu enden pflegen, sondern nur einfach ’mal um die Ecke, aus der dann zwei oder drei Ecken werden.
Schließlich landet das Trio, nach einem Ausflug in Münsterland, wo sie mit Svea eine Anhalterin aufgabeln, die gerade von ihrem Freund vor die (Auto-) Tür gesetzt wurde, im Sauerland, aber das zählt ja schon fast zum Ruhrpott. Und so richtig abhauen wollen Lutz, Atze und Sulli ja auch gar nicht – im Gegenteil. Sie fahren Möbel aus – und das mit viel Herzblut. Dass sie dann irgendwo im Wald landen, weil die Bremsen des Möbelwagens versagen, und ihre Extratour solchermaßen ein rasches Ende findet, ist halb so wild in ihren Augen: Sie sind eh’ arbeitslos und haben nichts zu verlieren...
Adolf Winkelmanns Spielfilm-Debut „Die Abfahrer“, Produzent Michael Braun stand nur ein Budget von 300.000 Mark zur Verfügung, kommt ganz lakonisch daher ohne aufwendige Arrangements und ohne Anleihen ans etablierte Kino, auch wenn dieses Road Movie natürlich amerikanische Vorbilder nicht ganz verleugnen kann. Und dankenswerterweise wird ruhrgebietsdeutsch gesprochen ohne aufgesetzte Slang-Dialoge a la WDR-„Tatort“ oder Adolf-Tegtmeier-Schnauze. Die Wiener Politrock-Gruppe „Die Schmetterlinge“ sorgt überdies für eigene Akzente.
Adolf Winkelmann, seit 1975 Professor für Foto und Film an der Dortmunder Fachhochschule, hat neben einigen wenigen Profis wie den beiden Bochumer Peter Zadek-Schauspielern Tana Schanzara und Hermann Lause (er spielt einen so peniblen wie zappeligen Dortmunder, der nach Lübeck umziehen will) ganz auf Laiendarsteller gesetzt. Und das nicht nur aus Kostengründen: Ludger Schnieder und Beate Brockstedt kannte Winkelmann vom Naturfreundetheater Selm, Delle Quandt, der Betreiber des ersten Bioladens Dortmunds, jobbte nebenher als LKW-Fahrer bei Thyssen-Schulte und Anastasios Avgeres war dem Filmemacher „irgendwie zugelaufen“, wie Winkelmann dem Bottroper Verleger Werner Boschmann verriet für die am 10. April 2021 zum 75. Geburtstag des Filmemachers erscheinende dialogische Hommage „Die Bilder, der Boschmann und ich“ (Verlag Henselowsky Boschmann).
Denn die Laiendarsteller beherrschten das für die Authentizität dieser situationskomischen, liebevoll detailreich ausgestatteten Milieustudie konstituierende Ruhrdeutsch. Winkelmann gegenüber Boschmann: „Wir können mit sehr wenig Wörtern, wenig Endungen, abenteuerlichen Präpositionen und ganz ohne Genitiv sehr präzise Aussagen machen.“ Der erste Teil der Ruhrgebietstrilogie (mit „Jede Menge Kohle“ und „Nordkurve“) hat weitere Filme von „Theo gegen den Rest der Welt“ bis hin zur sozialkritischen Berlin-Ballade „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ nachhaltig beeinflusst.
Pitt Herrmann