Blauvogel

DDR 1978/1979 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der letzte von zwölf „Indianerfilmen“ der Defa, die zwischen 1966 und 1979 zumeist in Co-Produktionen mit den Ostblock-Studios in Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, Kuba und der Sowjetunion entstanden, in denen auch gedreht wurde, ist mit seinen elf sämtlich von der Gruppe „Roter Kreis“ produzierten Vorgängern nicht vergleichbar. „Blauvogel“, produziert von der Gruppe „Johannisthal“, spielt im 18. Jahrhundert und handelt von englischen Einwanderern in Amerika, die 1756 in den siebenjährigen französisch-britischen Kolonialkrieg verwickelt werden, in dem Indianer auf beiden Seiten als Kanonenfutter missbraucht und abgeschlachtet worden sind. In einer Phase französischer Erfolge rauben verbündete Irokesen den zweitjüngsten Spross der britischen Siedlerfamilie Ruster (Kurt Böwe als John und Jutta Hoffmann als Mildred Ruster, Eltern von sechs Kindern), den neunjährigen George, als Ersatz für ein im Kampf umgekommenes eigenes Kind – und nennen es wie jenes „Blauvogel“. Gezeigt wird die langwierige Integrationsphase des kleinen, heimwehkranken Blondschopfes, die dann aber soweit führt, dass Blauvogel seine neuen Eltern Kleinbär und Mittagssonne schätzen, ja lieben lernt und wie ein Indianer empfindet, als der Stamm von weißen Siedlern überfallen wird. Nach dem englischem Sieg von 1863 wird George zurück zu seiner leiblichen Familie an die Ostküste gebracht. Doch dem weißen Indianer gelingt es nach sieben Jahren nicht mehr, die Wertvorstellungen und die Lebensweise der „Zivilisierten“ anzunehmen – und so kehrt Blauvogel wieder zurück zu den „Wilden“...

Ulrich Weiß beginnt seinen in Bulgarien gedrehten Film mit den gleichen eindrucksvoll-realistischen Bildern wie die skandinavischen Einwanderer-Epen „Emigranten“ und „Das weite Land“: Karten und detaillierte, dokumentarisch anmutende Sequenzen beanspruchen Authentizität. Sie zeigen Einwanderer, die jahrzehntelang in ihrer europäischen Heimat als Knechte unterdrückt und ausgebeutet worden sind und nun um jeden Quadratmeter Ackerland, den sie der nordamerikanischen Wildnis abtrotzen, kämpfen – sprichwörtlich bis zum letzten Blutstropfen. Hinzu kommen sehr realistisch geschilderte Szenen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, der in Wahrheit ein Krieg der bisherigen Kolonialmächte gewesen ist und kein bürgerlicher Freiheitskampf. Weiß gegen Rot – das ist ein Wirtschaftskrieg auf der einen, der pure Überlebenskampf auf der anderen Seite. Ulrich Weiß ergreift Partei für die Urbevölkerung, indem er die Zuschauer mit den Augen seines Protagonisten George alias Blauvogel die eigenständige, fremde Welt der Indianer als mindestens gleichwertig zur sog. zivilisierten Welt der weißen Siedler kennen und schätzen lehrt.

Der umgekehrte Fall tritt, wieder mit den Augen Georges alias Blauvogels, ein, als der verlorene Sohn heimkehrt und das inzwischen etabliert-verbürgerlichte Leben der Siedler neu kennenlernt. Schwarze Sklaven sind nun für die schwere und dreckige Arbeit zuständig, die einstige Wildnis ist bis zum Horizont gerodet und die Weiden werden von großen Herden importierter und hier gezüchteter Schwarzbunter bevölkert – statt von Bisons und Wisenten. Wohlstand ist in die Einwandererfamilien eingekehrt, und mit ihm das Philistertum. Aus dem inbrünstigen Flehen zu Gott im Angesicht der Naturgewalten ist ein pseudoreligiöser Tischritus geworden, vergleichbar mit dem Fällen eines Baumes, das der Vater zum Einstand von seinem zurückgekehrten Sohn einfordert. Diese Forderung ist Blauvogels Schlüsselerlebnis: Bei den Irokesen hat er ein anderes Verhältnis zur Natur bekommen, hat gelernt, Pflanzen und Tiere zu achten und sich ihrer nur zum Zweck der Nahrung und zur Befriedigung elementarster Bedürfnisse zu bedienen. Für derartige Symbolhandlungen hat er kein Verständnis.

Es gibt sicherlich Kinobesucher, die „Blauvogel“ gerade am Schluss als zu pathetisch empfinden, denen der didaktischen Zeigefinger des Regisseurs Ulrich Weiß zu hoch erhoben erscheint. Doch reiht sich „Blauvogel“ ein in eine erstaunlich konsequente Indianerfilm-Tradition der Defa abseits von amerikanischem Heroenkitsch, italo-amerikanischen Western-Knalleffekten oder westdeutscher Winnetou-Romantik. Uraufgeführt am 13. Dezember 1979 im Berliner Kino International kam der Film 1980 auch in der Bundesrepublik in die Kinos und gewann im gleichen Jahr den Unicef-Preis auf dem 18. Internationalen Festival für Kinder- und Jugendfilme im spanischen Gijón. Das Fernsehen der DDR strahlte „Blauvogel“ erstmals am 13. Juli 1984 aus.

Pitt Herrmann

Credits

Director

Screenplay

Director of photography

Editing

Cast

All Credits

Director

Assistant director

Screenplay

Scenario

based on

Script editor

Director of photography

Assistant camera

Still photography

Production design

Prop master

Make-up artist

Costume design

Editing

Audio mixing

Cast

Dubbing

Unit production manager

Location manager

Original distributor

Duration:
2635 m, 97 min
Format:
35mm, 1:1,66
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 13.12.1979, Berlin, International

Titles

  • Originaltitel (DD) Blauvogel

Versions

Original

Duration:
2635 m, 97 min
Format:
35mm, 1:1,66
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 13.12.1979, Berlin, International