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München, 8. November 1939. Adolf Hitler hält im Bürgerbräukeller eine Jubiläumsrede. Zur gleichen Zeit wird an der schweizerischen Grenze ein Mann festgenommen, weil er verdächtige Gegenstände im Gepäck hat. Minuten später explodiert im Bürgerbräukeller direkt hinter dem Rednerpult eine Bombe – doch Hitler hat den Ort schon verlassen. Bei dem festgenommenen Mann handelt es sich um den schwäbischen Schreiner Georg Elser, der sehr schnell als Drahtzieher des Attentats verdächtigt wird. Tagelang wird er von Reichskriminaldirektor Arthur Nebe und dem Gestapochef Heinrich Müller verhört und gefoltert. Schließlich gesteht Elser, steht aber weiter zu seiner Überzeugung und bekräftigt zugleich, dass er als Einzeltäter gehandelt hat, um Freunde, Familie und seine Geliebte Elsa zu schützen. Elser wird ins KZ Sachsenhausen und schließlich ins KZ Dachau deportiert. Im April 1945 wird er dort wenige Tage vor Kriegsende auf Befehl Hitlers von der SS ermordet.
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All das erfährt der Mann später in der Gefängniszelle. Er heißt Georg Elser, ist ein politisch bisher nicht aufgefallener Schreiner aus dem schwäbischen Königsbronn. Aber man hat bei ihm einen detaillierten Plan des Anschlagsortes und Sprengzünder gefunden, weshalb er jetzt zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt und in Berlin Arthur Nebe, dem leitenden Kripobeamten im Reichssicherheitshauptamt, und dem Gestapochef Heinrich Müller zum Verhör überstellt wird.
Ganze dreizehn Minuten haben gefehlt, und die blutige Geschichte des 20. Jahrhunderts wäre vielleicht anders verlaufen. Elser, der Hitler töten wollte, um den Zweiten Weltkrieg noch im allerletzten Moment zu stoppen, wird tagelang verhört und brutal gefoltert. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf, dass ein einfacher, unbescholtener Handwerker ohne jüdische, kommunistische oder ausländische Hintermänner mit professioneller Präzision ein solches Attentat plant und durchführt.
Schließlich konfrontiert Nebe, im Gespann mit Müller der good guy, den auch nach grausamsten Torturen noch ungebeugt-selbstbewussten Elser mit Elsa. Sogleich steigen Erinnerungen in seinem Kopf auf an vergangene glückliche, aber auch harte Zeiten. Denn er musste seinen guten Uhrmacherjob in Konstanz an den Nagel hängen, um den heruntergewirtschafteten Hof seines versoffenen Vaters zu retten.
Georg hält sich von den im Dorf immer selbstbewusster auftretenden Braunhemden fern, hält sich zu den Kommunisten, denen sein bester Josef Schurr angehört, ohne aber selbst in die KPD einzutreten. Und er lernt als Musiker bei einer Tanzveranstaltung im Dorfkrug die schöne Elsa kennen – und Erich, ihren brutalen Schläger von Mann. Bald entwickelt sich eine Liaison zwischen Elser und der verheirateten Frau, deren zweites Kind von ihm sein könnte.
Privat läuft alles nach Plan, Elsa lässt sich scheiden und könnte mit ihm in Konstanz oder anderswo ein neues Leben beginnen, gute Handwerker sind überall gefragte Leute. Aber erst 'mal muss Georg Elser das tun, wovor selbst sein später vom NSDAP-Ortsgruppenleiter Eberle verhaftete Freund Josef zurückschreckt: „Man muss was machen. Und zwar bald und radikal. Direkt gegen die Führung. Irgendjemand muss den Wahnsinn doch aufhalten!“ Er kundschaftet als Ort des Anschlages den Münchner Bürgerbräukeller aus und hat knapp ein Jahr Zeit für sein Vorhaben...
Oliver Hirschbiegels „Elser“ arbeitet zwar wie so manches Biopic zuvor mit schwarz-weißen Originalaufnahmen etwa von den verheerenden Folgen des Attentats, richtet den Fokus aber zeitlich weit zurückgehend auf die schleichende Vereinnahmung unpolitischer Landbewohner durch die NSDAP. Die erste Filmvorführung im Ort ist in den Augen der Bauern und zumal der begeisterten Jugend ein sensationeller Fortschritt, dem mit gepflasterten Straßen und elektrischer Beleuchtung in den nächsten Jahren weitere folgen sollen. Der verlorene Erste Weltkrieg und das Diktat von Versailles, das letztlich der Weimarer Republik das Genick gebrochen hat, sind endlich Vergangenheit. Wir sind wieder wer – auch wenn die Stundenlöhne für Handwerker gerade einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Und die Schwäbischen Hüttenwerke plötzlich Waffen produzieren – heimlich mit Zwangsarbeitern, zu denen inzwischen auch Josef Schurr gehört.
Kurz nachdem Arthur Nebe als Mitwisser des ebenfalls gescheiterten Attentates vom 20. Juli in Berlin-Plötzensee gehängt wird, ist Georg Elser, von Sachsenhausen verlegt in die Sonderhäftlingsabteilung Dachau, an der Reihe. Adolf Hitler selbst hat den Befehl zur Erschießung gegeben, die am 9. April 1945 und damit kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers erfolgte. Wie schon in den Verhörsituationen zuvor bleibt Judith Kaufmanns Kamera bei den beiden Liquidierungen statisch, was den Eindruck der Hoffnungs- und Ausweglosigkeit noch verstärkt. Im Gegenzug dazu liefert sie nicht nur ausgesprochen bunte, sondern auch bewegte, mit der Handkamera gedrehte Bilder bei den Rückblenden etwa auf einen Bodensee-Ausflug junger Leute.
Oliver Hirschbiegel im Presseheft: „Ich wollte ein Gefühl der permanenten Beklommenheit erzeugen. Auf dieses Gefühl bin ich immer wieder gestoßen, wenn ich mich mit dem NS-Regime beschäftigt habe. Auch Jean Genet hat das so beschrieben, nachdem er 1937 als Deserteur, Dieb und Bettler durch Deutschland gewandert war: Ihm kam es so vor, als läge das ganze Land unter einer riesigen Glocke. Das wollte ich darstellen, ohne die Menschen zu denunzieren. Mir ging es darum, das damalige Landleben in Deutschland möglichst authentisch zu schildern: ein traditionelles dörfliches Miteinander, das zunehmend durch die Nazis infiltriert wird.“
Beim Filmfest München 2015 gabs gleich vier Auszeichnungen: den Bayerischen Filmpreis für die Produzenten, den Friedenspreis „Die Brücke“ sowie „Metropolis“-Preise für Oliver Hirschbiegel als besten Regisseur und Christian Friedel als besten Schauspieler. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 26. Februar 2018 auf Arte.
Pitt Herrmann