Inhalt
Sozialkomödie über zwei Paare an beruflichen und privaten Scheidewegen: Da ist die Ex-Schauspielerin Frau Wellinek mit ihrem Gatten, einem ehemaligen Physiker. Von Arbeits- und Perspektivlosigkeit gebeutelt, versuchen sie, noch einmal von vorne anzufangen. Dann wäre da noch der arbeitslose Hans Moll: Er wird unvermittelt aus seiner Einsamkeit und Melancholie gerissen, als er sich wie ein Teenager in seine neue Nachbarin verliebt. Seine Ehefrau bekommt davon nichts mit, ist sie doch damit beschäftigt ihre Karriere als Wachfrau voranzutreiben.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Seine Frau indes ist mit Wichtigerem beschäftigt. In der Eingangsszene von Bernd Böhlichs großartiger Tragikomödie „Du bist nicht allein“, diesen Roy Black-Hit singt Hans bei der feucht-fröhlichen Einweihungsparty der schönen Jewgenia in anrührender Weise, nimmt die 56-Jährige den erstbesten Job an, der ihr von einem wesentlich jüngeren, schnöseligen Sachbearbeiter im Arbeitsamt geboten wird – und sei es auch ein schlecht bezahlter bei der Safety Guard AG. Deren Motivationstrainer macht ihr den Wechsel von der Wurstfachverkäuferin zur Wachhabenden als steilen Karrieresprung schmackhaft. Aber auch in der gehobenen Mittelschicht läuten längst die Alarmglocken. Die Schauspielerin Sylvia Wellinek muss sich angesichts mangelnder Hauptrollen nicht nur als Synchronsprecherin für Frosch-Cartoons und als TV-Wetterfee betätigen, sondern sich vom Studiochef auch zu sehr zwielichtigen Werbespots überreden lassen.
Ihr Gatte Kurt, von dem sie sich vor einiger Zeit getrennt hat, um Abstand zu gewinnen, ist ganz in ihre Nähe, in den Plattenbau der Molls, gezogen. Wo sich der arbeitslose promovierte Physiker mit Schwerpunkt Festkörper und offenbar politischer DDR-Vergangenheit nun ebenfalls im Haushalt Jewgenias nützlich macht, aber mit seinem handwerklichen Können nur kurzzeitig als ernsthafter Konkurrent von Hans in Betracht kommt. Job ist Job – das müssen alle erst lernen. Frau Moll zuerst, die rein zufällig dahinterkommt, dass sie im wahren Wortsinn heiße Luft bewacht – eine leere Traglufthalle. Kurt Wellinek, dem seine Gattin per Handzettelaktion Nachhilfeschüler in Mathe und Physik vermittelt. Sylvia Wellinek selbst, die ihre geschulte Stimme bei der TV-Werbung für Telefonsex einsetzen soll, nachdem ein Job bei einer Daily Soap kurzfristig geplatzt ist. Last but not least Hans Moll, der sich eines Tages im ICE nach Holland wiederfindet, wo gute deutsche Handwerkskunst noch gefragt ist...
So lernen alle auf ihre Weise schwimmen in Bernd Böhlichs grandios unaufgeregtem Film, seiner nach „Mutterseelenallein“ (2005) zweiten Arbeit für die große Leinwand, der ebenso genau in der Wirklichkeitsdarstellung ist (Kamera: Dokfilmer Thomas Plenert), wie er in seiner hoffnungsvollen und berührenden Melancholie optimistisch ist. Er zeigt Menschen auf der Suche nach einem anderen Leben, nach einem Ort, an den man gehört, nach Schutz, Liebe, Gemeinschaft. Und wartet mit szenischen Petitessen (Katharina Thalbach und die Ente) und Running gags (Jürgen Holtz als Mann mit dem Hund) auf, an die man sich noch lange erinnert. Gedreht übrigens während der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni und Juli 2006 in Berlin-Marzahn, weshalb Thomas Plenerts Kamera immer wieder mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen geschmückte Autos eingefangen hat. Bernd Böhlichs charmante, einfühlsam beobachtete und mit warmherzigem Humor erzählte Tragikomödie, uraufgeführt am 1. Mai 2007 auf dem Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und dort mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, ist am 17. Juli 2007 in die Kinos gekommen und am 17. Juni 2009 in der ARD erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann