Das fliegende Klassenzimmer

BR Deutschland 1954 Spielfilm

Inhalt

Erste Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers von Erich Kästner. Die Gymnasialklasse eines Internats will für die Weihnachtsfeier ein Theaterstück, "Das fliegende Klassenzimmer", einstudieren. Gleichzeitig ist aber auch eine Fehde mit den Schülern einer am gleichen Ort angesiedelten Realschule auszutragen. Da entdecken die Jungs eines Tages, dass der schrullige, aber liebenswerte Außenseiter "Nichtraucher", der ihnen oft mit einem guten Rat zur Seite steht, nicht nur ein ehemaliger Arzt, sondern auch der verloren geglaubte Jugendfreund ihres beliebten Klassenlehrers Dr. Johannes Böck, genannt Justus, ist. "Nichtraucher" – er heißt so, weil er in einem ausrangierten Eisenbahn-Nichtraucherwaggon lebt – wurde durch Schicksalsschläge zum Aussteiger und verbitterten Einzelgänger. Bald haben die Schüler neben dem Theaterstück und der Privatfehde noch eine andere Aufgabe zu bewältigen. Und würde nicht die nette Krankenschwester des Internats gut zu einem Arzt passen?

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Falk Schwarz
Kästners Kniebeugen
Ein Herr sitzt auf einer blühenden Wiese bei 38 Grad Hitze und schreibt - eine Schneegeschichte. Eben dieses „fliegende Klassenzimmer“. Zum Schluss sitzt derselbe Herr im Hofgarten in München und es kommen zwei an seinen Tisch - Vater und Sohn. „Wie geht es Deinen Freunden Matz und Ulli?“ fragt der Herr. Befremdetes Staunen bei den Beiden. „Woher kennen Sie uns?“ Da schmunzelt der Herr und übergibt dem verdutzten Jungen ein Buch: „Das fliegende Klassenzimmer“. „Da kommst du drin vor!“ Wer war denn dieser eitle Herr? Richtig, der Kästner selber. Realität und Fiktion mischen sich. Netter Einfall, liesse sich sagen. Doch dieser Film krankt genau daran: an der Eitelkeit seines Autors, an seiner Freude an den eigenen Einfällen. Beispiel? „Gedächtnis ist die Kniebeuge des Gehirns“. Kästner ist eher Kabarettist als Romancier. Er ist mehr an seinen Geistesblitzen interessiert als an Charakteren aus Fleisch und Blut. Warum hat Regisseur Kurt Hoffmann nicht gegengesteuert? Lehrer Justus (Paul Dahlke) soll dieser angeblich gerechte Hüter der Jungs sein - doch er ist es nicht. Freundlich vielleicht, autoritär in jedem Falle - und bleibt doch eine komplette Kunstfigur. Dem Leben nicht abgeschaut, sondern dem Leben angedichtet. Dahlke windet sich in dieser Rolle. Hoffmann versucht, in die Gesichter der 12- bis 14jährigen Schüler eine Ausdruckskraft hineinzulegen, die diesem Alter nicht angemessen ist. Spitze allerdings die Schneeballschlacht - brillant fotografiert von Friedl Behn-Grund und mit vielen jump cuts geschnitten von Fritz Stapenhorst. Der Film zerfällt in Einzelepisoden und anders als bei „Drei Männer im Schnee“ können Hoffmann und Kästner keine Atmosphäre des heiteren Zuschauens herstellen. In diesem Film laufen die Geschichten der Jungs und der Erwachsenen auseinander. Es bildet sich keine filmische Einheit. Stattdessen: ein bißchen Überdruß an der fahlen Story. Übrigens - witzig-fetzige Musik von Hans-Martin Majewski, ausgeführt (wenn es um die Jungen geht) vom einst berühmten Mundharmonikatrio Raisner. Da geht die Post ab.
Heinz17herne
Heinz17herne
In der im Hochsommer auf einer grünen Wiese am Fuß der Zugspitze geschriebenen Weihnachtsgeschichte, die 1933 erschien und den Untertitel „Schul-Roman für Kinder“ trägt, gibt sich der Ich-Erzähler Erich Kästner im zweiteiligen Vorwort sowie im Nachwort breiten Raum. Was wohl vor allem biographisch zu deuten ist: die Weimarer Republik, in der die sich über zwölf Kapitel erstreckende Handlung spielt, war als erste parlamentarische Demokratie in Deutschland mit den Erfolgen der Nationalsozialisten dem Untergang geweiht und mit dem Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933 endgültig Geschichte.

Der in New York geborene Jonathan „Johnny“ Trotz wird, nachdem sich seine Eltern getrennt haben, als Vierjähriger in einem Dampfer nach Hamburg gesetzt. Aber nicht wie versprochen von den Großeltern abgeholt, weshalb sich der Kapitän erbarmt und den Jungen in die Obhut seiner verheirateten Schwester gibt. Als Zehnjähriger landet Johnny, der spätere Verfasser des Theaterstücks „Das fliegende Klassenzimmer“, in Kirchberg, im Internat des Johann-Sigmund-Gymnasiums.

Wo er die Stube mit sehr unterschiedlichen Altersgenossen teilt, die bald Freunde werden: der stets hungrige Matthias „Matz“ Selbmann will einmal Profiboxer werden, weshalb er es verkraften kann, in der Schule keine Leuchte zu sein. Ihm hilft der so kluge wie schmächtige Uli von Simmern, der stets Opfer von Spott und – würde man heute sagen – Mobbing der „Externen“ ist. Dabei handelt es sich um Schüler, die bei ihren Eltern im (fiktiven) Ort wohnen und nicht im Internat. Sebastian Frank gehört noch dazu, Rudi Kreuzkamm, der Sohn des Deutschlehrers, sowie der Primus der Tertia, Martin Thaler, ein begnadeter (Bühnen-) Maler.

In eine Theaterprobe platzt die Nachricht, die Realschüler um den Anführer der Externen, Egerland, hätten Rudi Kreuzkamm überfallen, als dieser die Diktathefte seinem „Alten“ bringen wollte. Ein alter Streit ist wieder ausgebrochen, den die Schüler seit Generationen austragen, wie ein nur „Nichtraucher“ genannter Mann, der in einem entsprechend ausgeschilderten, ausrangierten Eisenbahnwaggon haust und in der Vorstadtkneipe „Zum letzten Knochen“ Klavier spielt, weiß. Und der dafür sorgt, dass es statt einer Massenkeilerei nur einen Zweikampf gibt zwischen Matz Selbmann und Heinrich Wawerka.

Den Ersterer zwar gewinnt, aber da die Realschüler wortbrüchig werden, suchen Martin, Johnny und Matthias nach dem Entführten und befreien Kreuzkamm aus dem Egerland-Keller. Die Diktathefte sind freilich nur noch ein Häuflein Asche. Der Hauslehrer Johann „Justus“ Bökh empfängt die arg geschundene, aber letztlich erfolgreiche Truppe in seinem Arbeitszimmer. Anders als vom so dienstbeflissenen wie arroganten Primaner Theodor, nur „der Schöne“ genannt, erwartet, billigt Justus nicht nur den klaren Verstoß gegen die Heimordnung, sondern lädt die Jungs zu Kakao und Kuchen ins Turmzimmer ein.

Wo er ihnen eine zwanzig Jahre alte Geschichte aus der eigenen Schulzeit hier im Internat erzählt – von einer großen, opferbereiten Freundschaft. Leider sei der Freund Robert, nachdem er Gattin und Kind verlor, spurlos verschwunden. Als, angestiftet vom Externen Georg Kunzendorf, der schmächtige Uli im Papierkorb unter der Klassenzimmerdecke baumelt, wird der Deutschlehrer Prof. Kreuzkamm grundsätzlich: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“ Der so gedemütigte Uli lässt sich zu einer Mutprobe hinreißen, einem Fallschirmabsprung von der hohen Turnleiter.

Der „Nichtraucher“, der sich bald als vermisster Freund Robert entpuppt und eigentlich Mediziner ist, leistet Erste Hilfe bei Uli. Dessen Beinbruch stellt sich als halb so schlimm heraus. Sodass Oberstudiendirektor Prof. Dr. Balduin Grünkern die Schulgemeinde nach einer gelungenen Weihnachtsfeier vor den Eltern frohgemut in die Ferien schicken kann. Martin Thaler freilich muss in Kirchberg bleiben: Sein Vater ist arbeitslos und kann die acht Mark Reisekosten nicht aufbringen. Justus Bökh, der im „Letzten Knochen“ gerade seinem alten neuen Freund Robert die vakante Stelle des Schularztes offeriert hat, befragt Martin so hartnäckig, bis dieser mit der ihm peinlichen Wahrheit herausrückt. Mit einem Zwanzig-Mark-Schein in der Tasche gibt’s auch für die Familie Thaler ein fröhliches Weihnachtsfest…

In der ersten Verfilmung seines Romans durch Kurt Hoffmann tritt Erich Kästner höchstpersönlich als Erzähler auf. Naturgemäß ist in den 1950er Jahren der Lehrer eine Autoritätsperson und kein Kumpeltyp wie in späteren Verfilmungen, Paul Dahlke gibt den „Justus“ entsprechend kurz angebunden und streng. Dafür darf Bruno Hübner als wunderbar trockenhumoriger Deutschlehrer Prof. Kreuzkamm um so selbstironischer sein.

Wenn ein Romancier auch Verfasser des Drehbuchs ist, kann man ihm schlecht vorwerfen, auf Werktreue geachtet zu haben. Erich Kästner hat sich durchaus genrespezifische Freiheiten genommen. So scharwenzelt der schöne Theodor um die Krankenschwester Beate herum, die längst auch ins Blickfeld des „Nichtrauchers“ geraten ist. Friseur Krüger verpasst Uli eine blonde Zopf-Perücke für seine Mädchen-Rolle im hier optisch stark erweiterten Stück für die festliche Adventsaufführung vor den Eltern. Und bevor die Proben dazu beginnen, muss die Turnhalle erst von Boogie-Woogie-Tänzern geräumt werden. Parallel zum Kinostart der vierten Neuverfilmung durch Carolina Hellsgård ist Kurt Hoffmanns „Erstling“ wieder in unsere Kinos gekommen.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Darsteller

Produktionsfirma

Alle Credits

Regie-Assistenz

Script

Drehbuch

Kamera-Assistenz

Bauten

Bau-Ausführung

Kostüme

Musik-Ausführung

Darsteller

Produktionsfirma

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2521 m, 92 min
Format:
35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.08.1954, 08317, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 02.09.1954, München

Titel

  • Originaltitel (DE) Das fliegende Klassenzimmer
  • Weiterer Titel (US) Flying Classroom

Fassungen

Original

Länge:
2521 m, 92 min
Format:
35mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.08.1954, 08317, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 02.09.1954, München