Inhalt
Erste Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers von Erich Kästner. Die Gymnasialklasse eines Internats will für die Weihnachtsfeier ein Theaterstück, "Das fliegende Klassenzimmer", einstudieren. Gleichzeitig ist aber auch eine Fehde mit den Schülern einer am gleichen Ort angesiedelten Realschule auszutragen. Da entdecken die Jungs eines Tages, dass der schrullige, aber liebenswerte Außenseiter "Nichtraucher", der ihnen oft mit einem guten Rat zur Seite steht, nicht nur ein ehemaliger Arzt, sondern auch der verloren geglaubte Jugendfreund ihres beliebten Klassenlehrers Dr. Johannes Böck, genannt Justus, ist. "Nichtraucher" – er heißt so, weil er in einem ausrangierten Eisenbahn-Nichtraucherwaggon lebt – wurde durch Schicksalsschläge zum Aussteiger und verbitterten Einzelgänger. Bald haben die Schüler neben dem Theaterstück und der Privatfehde noch eine andere Aufgabe zu bewältigen. Und würde nicht die nette Krankenschwester des Internats gut zu einem Arzt passen?
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Der in New York geborene Jonathan „Johnny“ Trotz wird, nachdem sich seine Eltern getrennt haben, als Vierjähriger in einem Dampfer nach Hamburg gesetzt. Aber nicht wie versprochen von den Großeltern abgeholt, weshalb sich der Kapitän erbarmt und den Jungen in die Obhut seiner verheirateten Schwester gibt. Als Zehnjähriger landet Johnny, der spätere Verfasser des Theaterstücks „Das fliegende Klassenzimmer“, in Kirchberg, im Internat des Johann-Sigmund-Gymnasiums.
Wo er die Stube mit sehr unterschiedlichen Altersgenossen teilt, die bald Freunde werden: der stets hungrige Matthias „Matz“ Selbmann will einmal Profiboxer werden, weshalb er es verkraften kann, in der Schule keine Leuchte zu sein. Ihm hilft der so kluge wie schmächtige Uli von Simmern, der stets Opfer von Spott und – würde man heute sagen – Mobbing der „Externen“ ist. Dabei handelt es sich um Schüler, die bei ihren Eltern im (fiktiven) Ort wohnen und nicht im Internat. Sebastian Frank gehört noch dazu, Rudi Kreuzkamm, der Sohn des Deutschlehrers, sowie der Primus der Tertia, Martin Thaler, ein begnadeter (Bühnen-) Maler.
In eine Theaterprobe platzt die Nachricht, die Realschüler um den Anführer der Externen, Egerland, hätten Rudi Kreuzkamm überfallen, als dieser die Diktathefte seinem „Alten“ bringen wollte. Ein alter Streit ist wieder ausgebrochen, den die Schüler seit Generationen austragen, wie ein nur „Nichtraucher“ genannter Mann, der in einem entsprechend ausgeschilderten, ausrangierten Eisenbahnwaggon haust und in der Vorstadtkneipe „Zum letzten Knochen“ Klavier spielt, weiß. Und der dafür sorgt, dass es statt einer Massenkeilerei nur einen Zweikampf gibt zwischen Matz Selbmann und Heinrich Wawerka.
Den Ersterer zwar gewinnt, aber da die Realschüler wortbrüchig werden, suchen Martin, Johnny und Matthias nach dem Entführten und befreien Kreuzkamm aus dem Egerland-Keller. Die Diktathefte sind freilich nur noch ein Häuflein Asche. Der Hauslehrer Johann „Justus“ Bökh empfängt die arg geschundene, aber letztlich erfolgreiche Truppe in seinem Arbeitszimmer. Anders als vom so dienstbeflissenen wie arroganten Primaner Theodor, nur „der Schöne“ genannt, erwartet, billigt Justus nicht nur den klaren Verstoß gegen die Heimordnung, sondern lädt die Jungs zu Kakao und Kuchen ins Turmzimmer ein.
Wo er ihnen eine zwanzig Jahre alte Geschichte aus der eigenen Schulzeit hier im Internat erzählt – von einer großen, opferbereiten Freundschaft. Leider sei der Freund Robert, nachdem er Gattin und Kind verlor, spurlos verschwunden. Als, angestiftet vom Externen Georg Kunzendorf, der schmächtige Uli im Papierkorb unter der Klassenzimmerdecke baumelt, wird der Deutschlehrer Prof. Kreuzkamm grundsätzlich: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“ Der so gedemütigte Uli lässt sich zu einer Mutprobe hinreißen, einem Fallschirmabsprung von der hohen Turnleiter.
Der „Nichtraucher“, der sich bald als vermisster Freund Robert entpuppt und eigentlich Mediziner ist, leistet Erste Hilfe bei Uli. Dessen Beinbruch stellt sich als halb so schlimm heraus. Sodass Oberstudiendirektor Prof. Dr. Balduin Grünkern die Schulgemeinde nach einer gelungenen Weihnachtsfeier vor den Eltern frohgemut in die Ferien schicken kann. Martin Thaler freilich muss in Kirchberg bleiben: Sein Vater ist arbeitslos und kann die acht Mark Reisekosten nicht aufbringen. Justus Bökh, der im „Letzten Knochen“ gerade seinem alten neuen Freund Robert die vakante Stelle des Schularztes offeriert hat, befragt Martin so hartnäckig, bis dieser mit der ihm peinlichen Wahrheit herausrückt. Mit einem Zwanzig-Mark-Schein in der Tasche gibt’s auch für die Familie Thaler ein fröhliches Weihnachtsfest…
In der ersten Verfilmung seines Romans durch Kurt Hoffmann tritt Erich Kästner höchstpersönlich als Erzähler auf. Naturgemäß ist in den 1950er Jahren der Lehrer eine Autoritätsperson und kein Kumpeltyp wie in späteren Verfilmungen, Paul Dahlke gibt den „Justus“ entsprechend kurz angebunden und streng. Dafür darf Bruno Hübner als wunderbar trockenhumoriger Deutschlehrer Prof. Kreuzkamm um so selbstironischer sein.
Wenn ein Romancier auch Verfasser des Drehbuchs ist, kann man ihm schlecht vorwerfen, auf Werktreue geachtet zu haben. Erich Kästner hat sich durchaus genrespezifische Freiheiten genommen. So scharwenzelt der schöne Theodor um die Krankenschwester Beate herum, die längst auch ins Blickfeld des „Nichtrauchers“ geraten ist. Friseur Krüger verpasst Uli eine blonde Zopf-Perücke für seine Mädchen-Rolle im hier optisch stark erweiterten Stück für die festliche Adventsaufführung vor den Eltern. Und bevor die Proben dazu beginnen, muss die Turnhalle erst von Boogie-Woogie-Tänzern geräumt werden. Parallel zum Kinostart der vierten Neuverfilmung durch Carolina Hellsgård ist Kurt Hoffmanns „Erstling“ wieder in unsere Kinos gekommen.
Pitt Herrmann