Inhalt
Mit seiner Freundin lebt der aus Österreich stammende Bauingenieur Michael in Berlin. Schon seit Jahren hat er kaum Kontakt zu seinem 14-jährigen Sohn Luis. Als Michaels Vater stirbt, reisen die beiden dennoch gemeinsam zum Begräbnis in die Einsamkeit des nördlichen Norwegens. Im abgelegenem Haus des Verstorbenen beginnt Michael, dessen persönliche Gegenstände zu verpacken – wortlos beobachtet von seinem Sohn. Zwei einander fremde Menschen, gefangen in einer intimen Situation. Nach der Trauerfeier überrascht Michael Luis mit dem Vorschlag, noch ein paar Tage in der Region zu verbringen. Es beginnt ein Roadmovie und eine Reise in eine Vergangenheit, die es nicht gab.
Das Zusammensein gestaltet sich schwieriger als erwartet. Weil man nie einen Alltag zusammen hatte, bleibt der tägliche Umgang ungewohnt: Michael überspielt die Situation, bei Luis zeigt sich, wie verletzt er ist. Die jahrelange Abwesenheit seines Vaters steht wie eine Wand zwischen den beiden. Im Auto herrscht die Stille vor dem Sturm. Während der langen Tage der Sommersonnenwende, in denen es niemals dunkel wird, versucht Michael den Kreislauf der Wiederholungen zu durchbrechen, um einen gemeinsamen Weg zu finden.
Quelle: 67. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
War schon die Beziehung zu seinem Vater schwierig, so ist die zu seinem inzwischen 14-jährigen Sohn Luis, der seit der Trennung der Eltern bei seiner „Ex“ auf dem Land lebt, eigentlich gar nicht vorhanden. Weshalb Michael auf die Idee kommt, Luis zur Beerdigung des ihm praktisch unbekannten Großvaters mit in den hohen Norden zu nehmen. Dazu braucht es einige Überredungskunst, aber dann sitzen Vater und Sohn nebeneinander im Flugzeug.
Es regnet, als sie in Norwegen eintreffen und im Mietwagen eine weite Strecke in nebelverhüllte Berge zurücklegen. Luis schweigt beharrlich, verweigert sich der vom Vater immer wieder versuchten Aussprache. Das Haus des Verstorbenen liegt einsam, ist aber modern eingerichtet und der Kühlschrank gut gefüllt. Vor fünf Jahren hatte Michael zuletzt Kontakt zu seinem Vater: „Wir waren uns nicht sehr nahe. Es war schwierig“ erklärt er Luis.
Die Beerdigung findet im kleinen Kreis statt: Michael, Luis und die Pastorin. Bei Aufräumarbeiten im Haus finden sie eine 200 Seiten umfassende Abhandlung über den Tunnelbau, die offenbar gerade erst fertiggestellt worden ist. Michael schlägt eine gemeinsame Norwegen-Tour bis Ferienende vor. Zelten in der einsamen Berglandschaft: Vater und Sohn sind tagelang auf sich selbst zurückgeworfen. Hinzu kommen die ungewohnt hellen Mitsommer-Nächte.
Als ihnen der Sprit ausgeht 15 Kilometer vor dem nächsten Ort, hilft eine norwegische Familie aus Oslo auf einem nahegelegenen Campingplatz. Als Michael dort spontan eine kleine Hütte mietet, trifft Luis auf eine Gleichgesinnte, die punkige Tochter des hilfsbereiten Ehepaars: Metal-Fan Cecilia ist mit ihren Eltern auf Zwangsurlaub und alles andere als glücklich. Leider bleibt beiden nur wenig Zeit.
„Die Berge hier sehen aus wie Herr der Ringe“: Luis spricht! Nach der Begegnung mit dem Mädchen zeigt er sich aufgeschlossener selbst bei einer dreitägigen Wanderung durch eine karstige, nebelumhüllte Landschaft. Verbittet sich aber weiterhin die Selbstvorwürfe des unter Kreislaufproblemen leidenden Vaters: „Heul nicht ‘rum!“ Am Ende, wieder zurück in Deutschland, wird Luis am Flughafen von seiner Mutter abgeholt. Ein herzliches Verhältnis ist mangels Aussprache zwischen Vater und Sohn nicht entstanden, aber immerhin dreht sich Luis zum Abschied noch einmal nach Michael um…
„Helle Nächte“ ist ein zwar total entschleunigtes, aber dennoch höchst intensives Roadmovie, in dem die Landschaftsaufnahmen Reinhold Vorschneiders eine eigene Qualität besitzen, die, zusammen mit den Szenen im gemieteten Auto, den ohne große technische Hilfsmittel auskommenden Film strukturieren. Die Free-TV-Premiere erfolgte am 10. Oktober 2019 im „Dritten“ des Westdeutschen Rundfunks.
Thomas Arslan im Piffl-Presseheft: „Michael und Luis haben nie zusammen einen Alltag entwickelt. Sie müssen erst versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Diese Versuche gehen eher vom Vater aus. Der Sohn verlangt jedoch von seinem Vater zuallererst Anwesenheit und Präsenz, nicht Aussprache. Die Verletzungen, die die lange Abwesenheit des Vaters bei Luis verursacht hat, und sein Stolz verbieten es ihm, es seinem Vater leicht zu machen. Daher wird im Film auch fast immer zu viel oder zu wenig oder im falschen Moment geredet.“
Pitt Herrmann