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Alle Fotos (3)Biografie
Joe May (bürgerlich: Julius Otto Mandl) wurde am 7. November 1880 in Wien als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren und wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Er besuchte ein Gymnasium in Wien, wo Richard Ornstein (später: Oswald) zu seinen Schulkameraden zählte. Danach studierte er für ein Jahr an der Handelshochschule Leipzig und machte 1905 einen Abschluss an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin.
Über die Jahre danach gibt es unterschiedliche Angaben, nach denen er etwa als Vertreter, als Autohändler oder als Rennstallbesitzer unterwegs gewesen sein soll. Fest steht, dass er am 5. April 1902 die Operetten-Sängerin Hermine Pfleger heiratete, die sich als Kinderdarstellerin unter dem Namen Herma Angelot einen Namen gemacht hatte. Kurz darauf nahm sie den neuen Künstlernamen Mia May an – woraufhin Mandl sich Joe May nannte. Die gemeinsame Tochter Eva May wurde am 29. Mai 1902 geboren.
Am 30. September 1911 feierte die Revue "Rund um die Alster" ihre Premiere, für die May ein filmisches Zwischenspiel und damit seine erste Filmarbeit unter dem Titel "Die Fahrt nach Hamburg" produzierte. May wurde 1911 von der Continental-Filmkunst GmbH engagiert und zog nach Berlin. Ein Jahr später debütierte er als Regisseur und Autor mit der Liebestragödie "In der Tiefe des Schachtes", in dem auch Mia May mitspielte. Er führte bei Continental alleine im Jahr 1913 bei sieben Produktionen Regie und übernahm bald als Produzent die Verantwortung für weitere Spielfilme, die der neuen "Abteilung May" zugeordnet wurden.
1913 startete May die beliebte Detektivserie um Stuart Webbs mit der Produktion "Die geheimnisvolle Villa" (1913/14) nach einem Drehbuch von Ernst Reicher, der auch die Hauptrolle übernahm. Noch 1914 knüpfte das Duo mit zwei weiteren Teilen der Detektivreihe für die Continental an, um kurz darauf mit der Produktionsfirma zu brechen und eine eigene zu gründen. Die Stuart Webbs Film-Company May & Reicher präsentierte bereits im Juni den vierten Teil und geriet dabei in einen frühen Streit um Lizenzrechte mit der Continental. May & Reiche erhielten Recht, konnten aber wegen des beginnenden Krieges ihre auf acht Teile ausgelegte Reihe nicht fortsetzen. Bald darauf trennte sich das Produktionsduo wieder, und Reicher setzte die Reihe unter neuem Namen mit einer Vielzahl von Teilen fort.
In direkter Konkurrenz entwickelte May eine neue Detektivreihe um den Ermittler Joe Deebs (gespielt von Max Landa, später auch von Harry Liedtke), die von der 1915 gegründeten May-Film produziert wurde. Neben den Joe Deebs-Abenteuern, die bereits im ersten Jahr vier Episoden umfassten, entwickelte May eine Reihe für seine Frau Mia May und produzierte in den nächsten drei Jahren mehr als 30 Spielfilme für die beiden Reihen. Am 26. Mai 1916 wurde die May-Film GmbH ins Handelsregister eingetragen. Als Geschäftsführung wurde Hermine Mandl genannt.
May zeigte ein außerordentliches Gespür für Talente und versammelte einige der wichtigsten Akteure der Zeit um sich. Von dem jungen Offizier Friedrich Lang kaufte er Drehbücher auf und engagierte ihn dann als Autor und Regisseur – der Beginn von Fritz Langs herausragender Filmkarriere. Richard Hutter wurde als Drehbuchautor engagiert und schrieb bis 1919 für Mays etablierte Reihen sowie für den monumentalen Achtteiler "Die Herrin der Welt" (1919). E. A. Dupont wurde von May ebenfalls als Drehbuchautor engagiert und führte später selbst bei einer Detektivreihe Regie. Thea von Harbou arbeitete ab 1920 an einigen Drehbüchern für May.
1918 übernahm die Universum-Film AG die May-Film GmbH, gab aber bereits nach einem Jahr ihre Anteile an May zurück, wobei sie durch Mitglieder im Aufsichtsrat weiterhin Einfluss auf die kommenden Produktionen behielt. Die Detektivreihe um Joe Deebs wurde von der Ufa-Projektions-AG übernommen. In der Folge realisierte May seinen ersten "Prunkfilm" von dreieinhalb Stunden: "Veritas vincit" (1918/19) wurde noch in den letzten Monaten des ersten Weltkrieges gedreht und erzählt in drei Episoden verschiedener historischer Epochen, wie Betrug und Täuschung die Schicksale einzelner Akteure besiegeln. Auch der im Dezember 1919 uraufgeführte Mehrteiler "Die Herrin der Welt" (1919) bestach durch monumentale Bauten – May drehte in seinen eigenen Ateliers in Berlin-Weißensee und seinem Außengelände in Woltersdorf -, verzweigte Handlungsstränge und die Mischung verschiedener Genres. Innerhalb von drei Monaten erschien der achte und letzte Teil, über den die Vossische Zeitung im Februar 1919 urteilte: "Dieser Teil übertrifft an geschlossenem dramatischen Aufbau -- obwohl er einmal hart bis an die Grenze des Geschmacksmöglichen und der Blutschande führt -- seine Vorgänger bedeutend."
1921 wurde auf amerikanische Bestrebungen hin als Gegengewicht zur erfolgreichen Ufa in Berlin die Europäische Film Allianz GmbH (E.F.A.) gegründet – mit Joe May neben Ernst Lubitsch als Vorzeige-Künstler. Für die E.F.A. produzierte May 1921 den aufwändigen Zweiteiler "Das indische Grabmal" nach einem Drehbuch von Lang und Harbou. Statt Lang, dem zunächst die Regie zugesagt worden war, übernahm kurzfristig May auch selbst die Inszenierung, woraufhin Lang seine Zusammenarbeit mit der May-Film beendete. Erfolg bei Kritik wie Publikum hatte auch der Vierteiler "Tragödie der Liebe" (1922/1923).
Als Reaktion auf die Inflation wurde die Firma zur May-Film AG umstrukturiert, geriet jedoch in eine Krise, als mehrere Produktionen abgesagt werden mussten und andere floppten, beispielsweise "Der Farmer aus Texas" (1925), der eigentlich auf den internationalen Markt gezielt hatte. Zeitweise verlegte sich May auf die Inszenierung von kleineren Auftragsproduktionen. 1924 nahm sich Joe und Mia Mays Tochter Eva das Leben, woraufhin Mia May sich für immer von der Kinoleinwand zurückzog.
Mit seinen letzten beiden Stummfilmen wandte sich May realistischeren Dramen zu und verarbeitete in seinem Stil auch expressionistische Einflüsse: "Heimkehr" (1928) und "Asphalt" (1929), beide im Auftrag Erich Pommers für die Ufa gedreht, markieren Höhepunkte seines Schaffens, der sozialkritische "Asphalt" gilt als eines der wichtigsten Werke des Weimarer Kinos.
May verfasste unter dem Namen Fred Majo und gemeinsam mit Hans Székely auch das Drehbuch zum ersten Tonfilm der Pommer-Ufa-Produktion, "Ungarische Rhapsodie" (1928). Mit "Ihre Majestät die Liebe" (1931), Mays erstem Tonfilm als Regisseur, gelang ihm eine schwungvolle Komödie.
1932 wurde die May-Film AG auf Beschluss der Generalversammlung aufgelöst. May emigrierte im April 1933 nach der Premiere seiner letzten deutschen Regiearbeit "Ein Lied für Dich" über London nach Hollywood. Nach einigen Misserfolgen – darunter das Musical "Music in the Air", bei dem einige weitere Emigranten aus Nazi-Deutschland mitwirkten – inszenierte May vorwiegend B-Movies für Universal. Davon zählt "The Invisible Man Returns" ("Der Unsichtbare kehrt zurück") inzwischen zu den Klassikern des phantastischen Films, nicht zuletzt wegen seiner innovativen Spezialeffekte. 1943 entstand nach Mays Vorlage der Anti-Nazi-Film "The Strange Death of Adolf Hitler" (1943) in der Regie von Fritz Kortner; Joe May letzte eigene Regiearbeit ist die Kriegs-Komödie "Johnny Doesn't Live Here Anymore" (1944). Danach blieben Aufträge aus.
Joe und Mia May eröffneten 1949 in Los Angeles das auf Wiener Küche spezialisierte Restaurant "The Blue Danube". Wegen mangelnden Erfolgs musste es allerdings nach wenigen Wochen wieder schließen. Das Ehepaar May war von nun an auf die finanzielle Unterstützung von Freunden und Kollegen angewiesen, auch die Hilfsorganisation für Emigranten "European Film Fund" unterstütze sie.
Joe May starb am 29. April 1954 in Hollywood.
Autor: Joschka César
Dieser Text wurde im Rahmen des Masterstudiengangs "Filmkultur - Archivierung, Programmierung, Präsentation" erstellt, der von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Deutschen Filminstitut gemeinsam angeboten wird.