Biografie
Ossi Oswalda (bürgerlich: Oswalda Amalie Anna Stäglich) wurde am 2. Februar 1898 in Niederschönhausen geboren. Als sie vier Jahre alt war, starb der Vater, sodass sie fortan bei ihrer taubstummen Mutter aufwuchs. Bereits als Kind erhielt Oswalda Tanzunterricht und ging schließlich nach Berlin, wo sie als Chortänzerin bei einem Theater arbeitete. Dort erregte sie 1916 die Aufmerksamkeit des Schauspielers und Drehbuchautors Hanns Kräly, der sie zum Film brachte: Auf seine Empfehlung hin gab sein Freund und Weggefährte Ernst Lubitsch ihr eine Rolle als Lehrmädchen in "Schuhpalast Pinkus" (1916), zu dem Kräly das Drehbuch mitgeschrieben hatte und in dem er selbst eine zentrale Rolle spielte. Im Jahr darauf bekam Oswalda ihre erste Hauptrolle in Lubitschs "Wenn vier dasselbe tun", der ein Publikumserfolg war.
In den nächsten Jahren avancierte Ossi Oswalda zum Star von Lubitschs frühen Komödien. Sie spielte die Herzogin in "Prinz Sami" (1917), die Tanzmaus in "Das Mädel vom Ballett" (1918) und die Diva in "Meine Frau, die Filmschauspielerin" (1919). Zuweilen trug sie in Lubitschs ganz auf sie zugeschnittenen Filmen nicht einmal einen Rollennamen, sondern hieß schlichtweg "Ossi", etwa in "Ossi's Tagebuch" (1917), "Ich möchte kein Mann sein" (1918) und in dem Klassiker "Die Austernprinzessin" (1919). Bis 1920 drehten die beiden insgesamt 13 gemeinsame Filme (oft nach Drehbüchern von Kräly, der auch zum Ensemble gehörte).
Die letzte Zusammenarbeit war der Film-Sketch "Die Wohnungsnot" (1920), der heute als verschollen gilt. Nur vereinzelt arbeitete Oswalda während der Lubitsch-Jahre mit anderen Regisseuren, so etwa mit Adolf Gärtner bei dem Stuart-Webbs-Krimi "Der Hilferuf" (1916) und mit Georg Jacoby bei dem Melodram "Das Schwabemädle" (1918).
Von Kritik und Publikum wurde sie während dieser Phase als eine Art Nachfolgerin der 1916 verstorbenen Dorrit Weixler wahrgenommen. So schrieb der Kritiker Georg Popper 1920: "Ossi Oswalda als Backfisch ist so entzückend, so naiv-übermütig und spielt ihre etwas schablonenhafte Rolle so reizend, daß der Verlust, den die deutsche Filmindustrie mit dem Tode Dorrit Weixlers, der ersten und bisher unübertroffenen Backfischdarstellerin, erlitten hat, bei weitem wieder wettgemacht wird." Andererseits stieß Oswaldas oft etwas schrilles und überdrehtes Spiel manche Kritiker ab: "Ein Ossi-Oswalda-Film", so Béla Balázs 1920, sei "an einer Reihe roher, bochesquer Geschmacklosigkeiten zu erkennen". Unzweifelhaft ist, dass sie zusammen mit Henny Porten und Asta Nielsen eine der ersten großen Diven des deutschen Films war.
1921 gründete Oswalda die Ossi Oswalda-Film GmbH, geleitet von ihrem damaligen Ehemann Baron Gustav von Koczian. Bis 1924 produzierte sie fünf Filme, alle mit und unter der Regie von Victor Janson, der schon in einigen Lubitsch-Filmen ihr Partner war. Zugleich vollzog Ossi Oswalda in den 1920er Jahren einen Image-Wandel vom frechen Mädchen zum "Berliner Girl", mit mondänen Attitüden und verzückten Tanzeinlagen in extravaganten Kostümen.
1925 kam sie bei der Ufa unter Vertrag, womit eine überaus produktive und erneut sehr erfolgreiche Phase ihrer Karriere begann: Bis 1929 wirkte sie in rund 20 Filmen mit, darunter "Die Fahrt ins Abenteuer" (1926) mit Willy Fritsch, "Gräfin Plättmamsell" (1926) mit Curt Bois, Carl Boeses "Ossi hat die Hosen an" (1928) und Conrad Wienes "Die Vierte von rechts" (1929). "Der Dieb im Schlafcoupée" (1929) war ihr letzter Stummfilm. Auf der Bühne sah man sie 1929 in einer Leo-Fall-Operette, gefolgt von einem Auftritt bei den Wiener Festwochen in "Der Graf von Luxemburg", unter musikalischer Leitung von Franz Léhar.
Im Tonfilm konnte Ossi Oswalda jedoch nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen. Nur zweimal stand sie für deutsche Tonfilme vor der Kamera: als Messerwerferin in "Der keusche Josef" (1930, Regie: Georg Jacoby) und als Varieté-Tänzerin in dem Kriminaldrama "Der Stern von Valencia" (1933). Ihrer eigenen Aussage nach wollte sie sich inzwischen mehr der Bühne und ihrer Gesangsausbildung widmen, so war sie beispielsweise bereits 1929 in Wien in "Rosen aus Florida" aufgetreten, spielte 1930 am Deutschen Theater in Berlin in Max Reinhardts "Phäa" und 1933 am Theater des Westens in "Frühlingsmädel".
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda jedoch in die Tschechoslowakei und lebte unter dem bürgerlichen Namen Oswalda Kocziánowá in Prag, zunächst und bis 1938 im Hotel Alcron, zu jener Zeit ein Zentrum der Prager Kulturszene. Zeitweise war sie auch in Karlovy Vary (dt. Karlsbad) gemeldet. Öffentlich in Erscheinung trat sie erst wieder im Juni 1941 in Pilsen bei einem einmaligen Auftritt als Gaststar und unter ihrem Künstlernamen Ossi Oswalda in "La Traviata" am Josef-Kajetán-Tyl-Theater. In Prag entstand 1943 nach einer Vorlage von ihr die Gesellschaftskomödie "Čtrnáctý u stolu" ("Der Vierzehnte am Tisch").
Danach wurde es still um den einstigen Stummfilmstar. Verarmt und von der Öffentlichkeit abgeschieden, starb Ossi Oswalda laut einer Nachlassurkunde am 7. März 1947 im tschechischen Žamberk (dt. Senftenberg) in einer Lungenklinik. Sie wurde nur 49 Jahre alt.
Die filmportal.de-Redaktion dankt Karsten Frank für biographische Daten.