Inhalt
Auf dem Weg zur Arbeit beobachtet der Metzgergehilfe Jan Nebel eines nachts, wie eine junge Frau von zwei Männern verfolgt wird. Als er die schöne Unbekannte in Gefahr wähnt und ihr hilft, zu entkommen, kommt es zu einer Schlägerei. Zu spät erkennt Jan, dass er zwei Zivilfahnder verprügelt hat. Er landet für eine Nacht im Gefängnis, muss eine Geldstrafe zahlen und verliert zudem seinen Job.
Als er die junge Frau, Vera, eines Tages zufällig wiedertrifft, lädt sie ihn zum Dank für seine Hilfe zum Essen ein. Der arbeitslose Träumer Jan und die eigenwillige Musikerin Vera verlieben sich ineinander und beginnen eine leidenschaftliche Beziehung. Sie ziehen gemeinsam in die leer stehende Wohnung von Jans verstorbenem Vater und halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Aber durch Veras Bedürfnis nach Unabhängigkeit wird ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt.
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Hinzu kommt, dass sich Jans Kurzzeitfreundin Moni bei ihrem derzeitigen Lover den HIV-Virus eingehandelt hat: Keine idealen Bedingungen für einen vielversprechenden Neustart mit der undurchsichtigen Vera, die sich einer intensiven Zweisamkeit mit Jan immer wieder entzieht und irgendwo im Baustellen- und Mietshausdschungel der Hauptstadt untertaucht. Jans Probleme türmen sich geradezu auf, als plötzlich sein Vater, von dem er sich finanzielle Hilfe erhoffte, stirbt. So kommt er eher schlecht als recht bei seiner Schwester Lilo unter, die mit Harri und ihrem sensiblen Töchterchen in eh’ schon recht beschränkten Verhältnissen zusammenlebt.
Unverhofft kommt oft: Buddy, ein arbeitsloser, schon etwas älterer Maurerpolier, nebenbei Elvis-Fan vom Scheitel bis zur Sohle und stadtbekannter Szene-„Teddy“ in einer Oldie-Band, ist der richtige Kumpel in aussichtslos erscheinender Situation. Mit ihm zieht Jan in die väterlichen vier Wände, die bald auch von einer jungen Griechin, die beide auf der Straße aufgelesen haben, mitbewohnt werden: Kristina ist auf der Suche nach ihrem Bruder in die Metropole Berlin gekommen ist, um in der Sat-1-Show „Bitte melde Dich“ aufzutreten. Doch zunächst landen alle in einer Karaoke-Show eines Berliner Lokal-TV-Senders, um die beiden ersten Tausender zu kassieren zur Tilgung von Jans Demo-Geldbuße.
Überhaupt schlagen sich alle so durch: Vera als Performancekünstlerin und Straßenmusikantin, Jans bildhübsche Schwester veranstaltet Unterwäschepartys für (Haus-) Frauen, und ihr Lover Harri ist „Nachtwächter“ in einem privaten Bewachungsinstitut. Aber sonst, wenn er die Uniform abgelegt hat und mit ihr so manche machohaften Anwandlungen, ist Harri ein toller Typ und ganz gut drauf.
Jans sensible Nichte Jenni hängt sich auch noch an ihren Lieblingsonkel, als dieser im Kostüm einer bekannten Comic-Kinderfigur steckt, zur Animation der Kunden eines Lebensmittel-Supermarktes engagiert. Nein, sonderlich komisch ist das alles nicht – zumindest nicht für die Betroffenen. Und so begreift Jan erst im letzten Moment, dass Vera gerade in einem schmerzhaften Prozess dabei ist, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen...
Melancholie, Bitterkeit, Makabres – all’ das enthält „Das Leben ist eine Baustelle“. Aber auch so viel Komik und geradezu befreiendes Lachen, wobei man mit den Leinwand-Protagonisten lacht und nicht über sie, dass alle Zuschauer in der Gewissheit das Kino verlassen, dass das Leben für Jan, Vera & Co weitergeht, obwohl ein happy end keineswegs ausgemacht ist...
Tom Tykwers und Wolfgang Beckers Film gehört zu den ersten großen, erfolgreichen Produktionen eines neuen Berliner Kollektivs, das angetreten ist, die Nachfolge des renommierten „Filmverlags der Autoren“ zu übernehmen: X Filme Creative Pool. Doch anders als in den 1960ern und 1970ern steckt kein ideologisches Konzept dahinter, sondern ein ökonomisches: Die Filmemacher greifen auf einen Pool junger Regisseure, Drehbuchautoren, Kameraleute und, ganz wichtig für die Identifikation des zu gewinnenden Leinwandpublikums, bekannter und beliebter Schauspieler zurück, die bereit sind, abwechselnd kleinere und größere Rollen zu übernehmen. Und setzt auf Komödien mit viel Lokalkolorit, aber auch die im deutschen Film arg vernachlässigten Genrestreifen.
„Das Leben ist eine Baustelle“, am 20. März 1997 in die Kinos gekommen und am 21. Mai 1999 bei Arte als Free-TV-Premiere gezeigt, offenbart das menschliche Erdenwallen als ein immerwährendes Auf und Ab – auf sympathisch einfache, schnörkellose Weise. Mit einigen ungewöhnlichen Kameraperspektiven und einem von Oldies durchsetzten Soundteppich wird kein gesellschaftskritischer Popanz aufgebaut, die Schuld nicht bei anderen gesucht: In erstaunlich lakonischer Weise schildert der Film die immerwährende Baustelle des Lebens inmitten der immerwährenden Baustelle Berlin.
Ein Film der von Helmut Kohl sozialisierten „Generation Golf“? Das mögen Soziologen oder andere Berufene entscheiden. Mir hat der Streifen, der beim Deutschen Filmpreis im „Rossini“-Jahr 1997 gleich dreifach abräumte (Filmbänder in Gold für Martina Gedeck und Jürgen Vogel, Filmband in Silber für Regisseur Wolfgang Becker) einfach nur enormen Spaß gemacht.
Pitt Herrmann