Addio, piccola mia

DDR 1977/1978 Spielfilm

Inhalt

Als Georg Büchner 1833 seine Geliebte Louise in Straßburg zurücklässt, ahnt er nicht, was ihn in Hessen erwartet – spontane politische Aktionen einerseits, andererseits die angstvolle Unwissenheit der Massen. In einer "Gesellschaft für Menschenrechte" findet Büchner Gleichgesinnte. Zusammen mit dem Pfarrer Weidig schreibt er den "Hessischen Landboten". Doch diese erste politische Tat zieht Repressalien nach sich. Während Weidig verhaftet wird und im Gefängnis stirbt, Minningerode unter Verleugnung seiner Überzeugung überleben kann, flieht Büchner nach Straßburg zu Louise. Ihr zuliebe und um die ganze deutsche Misere zu vergessen, widmet er sich naturwissenschaftlichen Studien. Er leidet jedoch unter der politischen Isolation. In dieser Situation entsteht "Woyzeck", sein letztes Werk, denn er stirbt am 19. Februar 1837 im Alter von nur 23 Jahren an Typhus.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Während die Honoratioren an Deck feiern, müssen die schweißtriefenden und zunehmend kraftlosen Arbeiter im Rumpf des Dampfschiffes Kohlen nachlegen – bis der Kassel explodiert. Mit dieser sehr realistisch gedrehten Szene aus der (Arbeits-) Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts beginnt der Spielfilm „Addio, piccola mia“, der sich den drei letzten Lebensjahren Georg Büchners widmet. Wobei die Szenaristin Helga Schütz weitgehend den Dokumenten des literarischen „Enfant terrible“ selbst folgt.

Georg Büchner, der offiziell in Straßburg Medizin studiert, sich aber längst politischen und literarischen Themen zugewandt hat, wird heimlich von seiner Mutter mit Geldmitteln versorgt. Was der gestrenge Vater nicht gebilligt hätte, weshalb er auch, wie Georgs Bruder Wilhelm ihm in einem Brief mitteilt, einen Riesenkrach vom Zaun gebrochen hat, als er davon erfuhr.

Straßburg anno 1833, buntes Treiben herrscht auf dem Markt vor dem Münster. Georg kann sich gar nicht von seiner Geliebten Louise trennen, zögert die Abreise in seine hessische Heimat immer wieder hinaus – bis der Kutscher schließlich die Zügel in die Hand nimmt. Noch einmal tollen die beiden jungen Leute durch eine bunte Herbstlandschaft, aber hinter einer Biegung muss Georg endgültig auf den Kutschbock springen.

Büchner soll nach Gießen, um dort den Wünschen seines Vaters entsprechend zum Arzt ausgebildet zu werden. Doch schon bald findet er sich dort, Vorboten der 1848er Revolution, mitten in den im Rathaussturm gipfelnden Unruhen unter der schwarz-rot-goldenen Fahne. Doch die so genannte „bürgerliche Revolte“ bleibt allein Sache der akademischen Jugend, die Bürger stehen dem Geschehen unverständig gegenüber – und wollen am Ende nur in Ruhe gelassen werden und die alte Ordnung wiederhergestellt sehen.

Georg Büchner sieht die Notwendigkeit eines Strategiewechsels. Die von den Landherrn ausgesaugten Bauern haben Hunger, sie treiben elementare Sorgen um, weshalb sie sich nicht für die studentischen Forderungen etwa nach Pressefreiheit und Aufhebung der Zensur für literarische Werke interessieren. Büchner lernt den Pfarrer Ludwig Weidig kennen, mit dem er sich darin einig ist, dass zuerst „die Massen“ für die eigene Sache gewonnen werden müssen.

Mit dem Kopf der bisher im akademischen Elfenbeinturm verharrenden revolutionären Verschwörung gründet Büchner die „Gesellschaft für Menschenrechte“, die sogar Schießübungen veranstaltet, bei denen der angehende Literat übrigens keine schlechte Figur macht. Nun schreibt Büchner Aufklärungsschriften, die gezielt an die Bauern adressiert sind, deren fatale Lage er aus eigener Anschauung kennt. Zahlreiche Familien verlassen inzwischen die Heimat, weil die Abgaben- und Zinslast keine Hoffnung auf Besserung ihres Elends verspricht. So hoffen sie auf einen Neuanfang in der Fremde – jenseits des Großen Teiches.

Friede den Hütten, Krieg den Palästen: In seinen Streitschriften des „Hessischen Landboten“ findet Büchner klare Worte, doch die Massen, die er und Weidig in ihren Kampf einbeziehen wollen, lassen sich nicht begeistern. Selbst als die Cholera ausbricht und sich der Adel aufs Land zurückzieht, springt kein Funke des Aufruhrs über. Dafür ist die Obrigkeit auf die aufrührerischen Umtriebe aufmerksam geworden – und den „Hessischen Landboten“, der heimlich in verschiedenen Landesteilen, so auch in Offenbach, Verbreitung findet. Als Ludwig Weidig, zunächst als Sympathisant der Revolutionäre strafversetzt, zusammen mit Karl Minningerode verhaftet wird, flüchtet der steckbrieflich gesuchte Büchner mit dem Manuskript seines pessimistischen Revolutionsdramas zur Pfarrerstochter Louise nach Straßburg, wo er „Dantons Tod“ vollendet.

Doch Büchner fühlt sich auch jenseits des Rheins nicht mehr sicher und bleibt nach einem Vortrag bei seiner Gastgeberin Caroline Schulz in Zürich. Dort arbeitet er wissenschaftlich, schreibt den „Woyzeck“ - und Briefe an seine geliebte Louise, auf die sich der Filmtitel bezieht. Karl Minningerodes Schreiben aus Amerika erreicht die Schweiz tragischerweise zu spät: Am 21. Februar 1837 stirbt Georg Büchner im Alter von nur 23 Jahren an Typhus.

Lothar Warnekes „Addio, piccola mia“ ist der Versuch, Geschichte „von unten“ zu erzählen und Georg Büchner ganz selbstverständlich einzureihen in die Phalanx aufrechter sozialistischer Autoren bis hin zum DDR-Präsidialen Hermann Kant. Dafür haben der Regisseur und die Szenaristin Helga Schütz nicht den Weg eines konventionellen Biopics gewählt, sondern die Sicht erweitert auf die ganze 1848er-Generation und das Scheitern der Paulskirche, des ersten Versuchs einer demokratisch legitimierten Versammlung von Volksvertretern.

Der vielköpfigen Cast des gut zweistündigen Films, der im Kontext der SED-Ideologie vom neuen sozialistischen Menschen nicht wirklich optimistisch genannt werden kann, ist ein einzigartiges Who's Who der ersten Schauspieler-Garde der Republik. Für eine berühmte Szene, die im jüngst renovierten und öffentlich wieder zugänglichen Tieranatomischen Theater der Berliner Humboldt-Universität von Carl Gotthard Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Tores, spielt, versammelte Lothar Warneke zahlreiche Defa-Regiekollegen im Hörsaal, darunter Heiner Carow, Joachim Hasler, Ralf Kirsten, Gottfried Kolditz, Siegfried Kühn, Kurt Maetzig, Konrad Petzold, Günter Reisch, Erwin Stranka, Ulrich Weiß und Herrmann Zschoche.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Assistenz-Regie

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Requisite

Kostüme

Schnitt

Mischung

Musikalische Leitung

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
3361 m, 123 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 18.01.1979, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Addio, piccola mia
  • Weiterer Titel (DD) Büchner

Fassungen

Original

Länge:
3361 m, 123 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 18.01.1979, Berlin, International

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1980
  • Beste Kostüme
  • Bestes Szenenbild