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Filmbiografie der Malerin Paula Modersohn-Becker: 1876 in Dresden geboren, entdeckt Paula Becker bereits früh ihre Liebe zu Kunst und Kultur. Mit 16 zieht sie auf Wunsch ihrer Eltern kurzzeitig nach England, um Haushaltsführung und Englisch zu lernen; aber das Heimweh führt sie bald wieder nach Deutschland zurück. Dort beginnt sie auf Geheiß ihrer Eltern eine Ausbildung zur Lehrerin. Zugleich setzt sie alles daran, ihre Liebe zur Kunst und ihr Talent als Malerin auszuleben. Da sie als Frau nicht an der Berliner Kunstakademie zugelassen wird, besucht sie Zeichenkurse und festigt ihr handwerkliches Können. Sie schließt sich der Worpsweder Künstlerkolonie an und geht 1899 für einen überaus prägenden Studienaufenthalt nach Paris. Dort lernt sie Otto Modersohn kennen, den sie 1901 heiratet. Freunde und Wegbegleiter findet sie in der Künstlerin Clara Westhoff und deren späterem Mann, dem Schriftsteller Rainer Maria Rilke. Doch trotz ihres enormen Talents wird die Bedeutung von Paula Beckers Gemälden erst nach ihrem frühen Tod im Jahr 1907 erkannt. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des Expressionismus.
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Diese Romanze verflüchtigt sich zwar in der Folgezeit und heftige Emotionen brechen in den Auseinandersetzungen hervor, bei denen Welten aufeinandertreffen. Die Männer glaubten (manche tun es heute noch), Frauen können gar nicht kreativ sein, außer durch die Geburt und gehörten ohnehin in die Küche und an den Herd. Symptomatisch duellieren sich die stolzen Helden, wenn man sie nicht dran hindert. Und das Drehbuch setzt auch gelegentlich gekonnt auf Symbolik, etwa wenn beim entscheidenden Gespräch zwischen Paula und Ehemann Otto (A.A. Schuch) in Paris Seifenblasen durchs Bild fliegen, als Paula ihn bittet, sie frei zu geben.
Die Hauptdarstellerin Carla Juri verkörpert diese Frau exzellent. Sie zeigt sie in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit, die mit einem starken Willen zu kämpfen hat. P.M.B. hatte durchaus eine eigene Sehweise und brachte sie eigenwillig auf die Leinwand. Um ihr Ende nach der Geburt der Tochter etwas abzufedern, lässt Schwochow Paula noch einmal zwischen ihren Bildern hervortreten. So sehen wir recht viel von ihrem abwechslungsreichen, aber typisch femininen Werk.
Schließlich wagt sie den Schritt in die Worpsweder Künstlerkolonie. Doch der allzu akademisch-konservative Unterricht bei Fritz Mackensen bringt sie nicht weiter, zumal der berühmte Maler sie deutlich spüren lässt, was er von höheren Töchtern in der Kunstausübung hält. Mit den Worten „Du kannst sie gerne haben“ reicht er Paula an seinen Kollegen Modersohn weiter, bei dem sie keine arrangierten Stillleben malen muss, sondern die Landschaft und ihre vom harten Leben gezeichneten Bewohner als Motive wählen kann. Schon bei ihrer ersten Begegnung spüren Paula und Otto eine Art Seelenverwandtschaft, die 1901 in die Heirat mündet. Mit der auch Ottos achtjährige Tochter Elsbeth sehr einverstanden ist. Martha Vogeler, die mit ihrem berühmten Gatten, dem Jugendstil-Künstler Heinrich Vogeler, die schönste Villa der Kolonie bewohnt, in der Verkaufsausstellungen für die reichen Bremer Pfeffersäcke organisiert und rauschende Feste gefeiert werden, wird Paulas beste Freundin. Weitere – auch künstlerische – Wegbegleiter findet sie in Clara Westhoff und deren späterem Mann, dem Schriftsteller Rainer Maria Rilke.
Doch das intensive, glückliche Leben der Familie Modersohn hält nur wenige Jahre. Während Otto erwartet, dass sie ihn unterstützt, als Künstler und etwa bei Verhandlungen mit potentiellen Käufern als Hausfrau und Köchin, will Paula selbst ihren Weg als Künstlerin gehen: „Bis dreißig will ich es geschafft haben. Mein Leben soll ein Fest sein. Ein kurzes, intensives, Fest. Wenn ich drei gute Bilder gemalt habe, dann gehe ich gern. Drei gute Bilder und ein Kind.“ Zur Verwirklichung ihres Plans bleibt Paula als Frau nur das Ausland, weshalb sie Clara Rilke nach Paris folgt und an der Academie Francais ein Kunststudium aufnimmt. Das Otto mit regelmäßigen Geldüberweisungen finanziert, obwohl er sich in den Augen seiner Worpsweder Künstlerkollegen, zu denen auch Fritz Overbeck und Hans am Ende gehören, dadurch lächerlich macht – als Mann.
Otto ist freilich auch eifersüchtig, hat durchaus auch Grund dazu, schließlich ist Paula eine junge, lebensfrohe und in den Augen nicht nur der französischen Kommilitonen, sondern auch des Hochschul-Assistenten Georges eine höchst attraktive Frau. So kommt Otto nach Paris, will seine Gattin zur Rückkehr nach Deutschland bewegen. Andererseits ist er verblüfft, welche Fortschritte Paula auf dem Weg zu einer eigenständigen Kunst gemacht hat, beeinflusst von den französischen Impressionisten und vor allem von Cezanne. Zumindest sich selbst gesteht Otto ein, dass Paula die größere Künstlerin ist. Die 1907 bereits im Alter von 31 Jahren stirbt, nachdem sie in Worpswede unter großen Komplikationen mit Mathilde eine gesunde Tochter zur Welt gebracht hat: „Schade“ soll ihr letztes Wort gewesen sein. Erst nach ihrem frühen Tod wird die Bedeutung Paula Modersohn-Beckers erkannt. Heute gilt die erste Frau, der als Künstlerin ein eigenes Museum gewidmet ist, als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des europäischen Expressionismus.
Mit „Paula“ erzählt Regisseur Christian Schwochow eine bannende, emotional berührende Geschichte, die über ein Biopic wie Daniele Thompsons wenige Wochen zuvor in unsere Kinos gekommener Film „Meine Zeit mit Cezanne“ weit hinausgeht. Mit faszinierenden Bildern aus Worpswede und Umgebung, während Paris nur mit Kulissen bebildert wurde. „Paula“ die leider immer noch aktuelle Geschichte einer hochbegabten Künstlerin, die sich in der reinen Männergesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchsetzen will und letztlich tragisch scheitert. Denn erst posthum ist ihre künstlerische Leistung anerkannt worden. Die Free-TV-Premiere strahlte Arte am 27. März 2019 aus.
Pitt Herrmann