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Deutschland, Ende der 1920er Jahre. Nach dem Tod ihrer Mutter muss die achtjährige Anna den Haushalt einer großen Bauernfamilie führen. Durch die viele Arbeit bleibt dem Kind keine Zeit mehr für die Schule. Zehn Jahre später, 1939, lernt Anna den Jungbauern Albert kennen. Nach der Hochzeit zieht Anna auf den Hof von Albert und seiner Schwiegermutter. Wenig später jedoch wird Albert zum Kriegsdienst einberufen. Wieder ist Anna auf sich alleine gestellt. Erschwert wird ihre Lage noch durch ihre Schwiegermutter, die keine Gelegenheit auslässt, Anna zu schikanieren.
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Für Bewegung im (Gefühls-) Leben der inzwischen achtzehnjährigen Anna sorgt der Bauernsohn Albert. Doch es bleibt nur wenig Zeit, das gemeinsame Glück – und die Hoffnung auf ein besseres Leben - auszukosten: Der Zweite Weltkrieg bricht aus und schon wenige Tage nach der Hochzeit wird Albert als Soldat eingezogen. Nun muss sich Anna auch noch um die Familie ihres Gatten kümmern, misstrauisch beäugt von der eifersüchtigen Schwiegermutter. Sie schmeißt den Haushalt, verrichtet Schwerstarbeit auf dem Feld und in den Ställen noch als Hochschwangere. Die Fron ändert sich auch nach der Geburt ihres Kindes nicht: Anna hat schließlich zu arbeiten, um das Kind kümmert sich die Verwandtschaft. So harrt sie der völlig ungewissen Rückkehr des geliebten Albert...
„Herbstmilch“, das Regiedebüt des bis dahin bereits als Kameramann sehr erfolgreichen Joseph Vilsmaier, läutete Ende der 1980er Jahre eine Wiedergeburt des Heimatfilms und damit eines typisch deutschen Genres ein, das aus vielerlei Gründen verschrien war, wenn auch eher bei der Kritik als beim Publikum: Auf die Ufa-Produktionen, von den Nazis als unpolitische Unterhaltung gefördert, aber auch als Durchhaltestreifen missbraucht, folgten nach 1945 zumeist sehr konventionelle und konservative, ja auch reaktionäre und geradezu revanchistische Filme, die vielfach nahtlos an die vorhergegangene und keineswegs überwundene Zeit anknüpften – von der Besetzung bis zur Ästhetik.
Vilsmaier hat lange Zeit gegen den Kitsch-Vorwurf ankämpfen müssen mit Filmen wie „Rama dama“ und „Schlafes Bruder“, bis seine besondere und durchaus zeitgemäße Mischung aus realistischem Stoff und gefühlvoller Umsetzung weitere Kreise zog und, besonders in Österreich, zu „verschärften“ Formen eines sehr (selbst-) kritischen Heimatfilms führte. Die Ehefrau des Regisseurs, Dana Vavrova, überzeugte in zahlreichen Vilsmaier-Produktionen seit ihrem Debüt als Anna in „Herbstmilch“. Die spätere Regisseurin erlag im Februar 2009 ihrem Krebsleiden – im Alter von nur 42 Jahren.
„Herbstmilch“ entstand nach den gleichnamigen Lebenserinnerungen der Bäuerin Anna Wilmschneider (1919 bis 1993) aus Niederbayern, die sie zunächst ganz privat für ihre Enkel geschrieben hatte. Der von ihr gewählte Titel ist eine in Bayern gebräuchliche Bezeichnung für zu magere und daher unverkäufliche Sauermilch, die zur Ernährung der Ärmsten aber noch gut genug war. 1984 bei Piper als Roman erschienen, sorgte „Herbstmilch“ für enormes Aufsehen und wurde ein großer Publikumserfolg. Die Autorin hatte im übrigen bereits zweimal die letzte Ölung erhalten, als sie sich zur Niederschrift ihrer Erinnerungen entschloss.
Die im Grunde einfache Geschichte vom harten Alltag auf dem Lande hat Joseph Vilsmaier auf so unspektakuläre wie authentische Weise nachgezeichnet mit einer überragenden Dana Vavrova als einfache, sympathische und gottesfürchtige Bäuerin, die allen Widrigkeiten des Lebens durch ihren unerschütterlichen Optimismus und ihren festen Glauben trotzt – und am Ende dann doch noch mit privatem Glück belohnt wird.
Wer zuvor das Buch gelesen hat, konstatiert, dass der Drehbuchautor Peter Steinbach sehr frei mit der autobiographischen Vorlage umgegangen ist. Der Fokus des Films liegt auf der Nazi- und Kriegszeit und endet im Gegensatz zur Vorlage im Jahr 1944 mit der glücklichen Rückkehr Alberts, die gleichbedeutend ist mit dem Ende von Annas Fron unter der tyrannischen Schwiegermutter. Auch der Kameramann Joseph Vilsmaier hat sich die Freiheit zu einigen vergleichsweise üppigen Bildern genommen. Aber „Herbstmilch“ gibt einen authentischen Einblick in die dörflichen Verhältnisse der 1930er und 1940er Jahre und in die Leidensgeschichte besonders junger Frauen, die ökonomisch abhängig zu Fronarbeiterinnen und/oder Müttern bestimmt, ja degradiert werden ohne Anrecht auf ein eigenes Lebensgefühl, ein eigenes Leben.
Senator-Film München startete „Herbstmilch“ am 19. Januar 1989 in den deutschen Kinos. Der knapp zweistündige Film und Dana Vavrova als Anna erhielten gut ein Dutzend renommierte Preise. Der Berliner Croco Filmverleih hat „Herbstmilch“ am 1. Oktober 2020 erneut bundesweit auf die Leinwände gebracht: Regisseur Joseph Vilsmaier starb am 11. Februar 2020 im Alter von 81 Jahren in München. Sein letzter Spielfilm „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ läuft am 17. Dezember 2020 bundesweit an.
Pitt Herrmann