Yana Milev
Yana Milev, geboren 1969 in Leipzig in der damaligen DDR, besuchte schon früh regelmäßig die dortige Dokumentar- und Kurzfilmwoche und begann 1987 während ihres Studiums des Kostüm- und Bühnenbilds an der HfBK Dresden mit der Super8-Kamera zu experimentieren. Sie setzte diese als "performative Kamera" während Materialhappenings ein, filmte sich selbst und bediente die Kamera als Körperfortsatz, zudem arbeitete sie sie mit plastischen Objekten wie Haut, Haar, Zigarettenasche, Blüten, die durch den Projektor geschoben und wieder abgefilmt wurden, mitsamt Brandblasen und Feuerstellen. Die Doppelprojektion "doublage fantastique", 1989 zusammen mit Via Lewandowsky produziert, besteht im ersten Drittel aus diesem "Rhythmusfilm".
Milevs Filme wurden bis zur Wende auf autonomen Super8-Filmfestivals in der DDR gezeigt, im Rahmen ihrer Rauminstallationen und so genannten "Horror-Vacui"-Aktionen ("In Aspik", "Einneonopern", "Second Up", "Eine Messe") mit Live-Musik und auf autonomen Musik- und Kunstfestivals aufgeführt.
Auf Initiative der KAOS-Galerie Köln konnten ihre Filme 1988 zusammen mit anderen Super8-Filmen erstmals auch in der BRD gezeigt werden. Nach der Wende folgten weitere Beteiligungen an Internationalen Filmfestivals und Ausstellungen sowie Aufführungen in Independent-Kinos und Galerien. Milevs Filme, Zeugnisse der DDR-Subkultur, werden vom Filmarchiv Ex.Oriente.Lux verliehen.
Anfang der 1990er Jahre produzierte Milev in ihren Rauminstallationen Videos zum Thema "Exodus" als "Parcours-Filme" ("Exodus: Auszug ins gelobte Land oder wer sind wir in diesem Augenblick der Geschichte?"; "Exodus: Schweigen im Fall"). Die Exodus-Installationen wurden von der Auflösung der DDR und dem zweiten Golfkrieg inspiriert.
Ab Mitte der 1990er Jahre konfrontierte Milev Film mit urbanem Raum und Architektur. Sie erschuf das "Projektionsforum", zunächst als Gerüst, bestückt mit Karussell-Projektoren und 16 Magazinen, das in acht Himmelsrichtungen Medien- und Werbebilder "spuckte", sodass ein Surround-Filmpanorama entstand. Auf der Documenta 10, auf die sie von Catherine David als erste ostdeutsche Künstlerin nach dem Mauerfall eingeladen wurde, zeigte sie im Ottoneum das "Projektionsforum III", dessen Magazine mit Dias von aufgerissenen Straßen und Plätzen aus der Ex-DDR gespeist wurden.
Während eines zweijährigen Japanaufenthalts (1998-2000) konzipierte Milev einen Film über den Weg des Bogens mit dem Titel "I Submit! – Für die Resonanz". 2003 fuhr sie mit einem kleinen Team an die Drehorte nach Kyōto. Die Produktion wurde von der Filmproduktion ma.ja.de unter Vertrag genommen, blieb jedoch unvollendet.
2004 nahm Milev ein Doktoratsstudium der Philosophie mit den Schwerpunkten Kulturphilosophie, Medientheorie und Anthropologie der Kunst auf, promovierte, habilitierte sich und wirkte als Kultur-, Medien- und Designkritikerin.
Im Rahmen der von Dieter Daniels, Rudolf Frieling, Susanne Gaensheimer und anderen kuratierten Show "40 jahre videokunst.de – Digitales Erbe. Videokunst in Deutschland von 1963 bis heute" wurden die DDR Super8-Filme als digitales Erbe einer gesamtdeutschen Medienentwicklung reflektiert und 2006 im Leipziger Museum der Künste in der Ausstellung "40 jahre videokunst.de: revision ddr" gezeigt.
In dem von Milev seit 2017 geleiteten Forschungsprojekt "Entkoppelte Gesellschaft" analysiert sie die Mechanismen der Wiedervereinigung als ein durch Medienbilder und politische Werbung inszeniertes Konstrukt. Im Band 6: "Zeugnisse/Film" wendet sie sich mit dem Fotografen Philipp Beckert einer Filmethnografie des DEFA-Films und des Films in Ostdeutschland nach 1989/90 zu.