Niklaus Schilling
Niklaus Schilling, geboren am 23. April 1944 in Basel, Schweiz, entwickelte nach eigenem Bekunden nicht zuletzt auf Grund seiner römisch-katholischen Erziehung eine Begeisterung für das Inszenierte: So faszinierten ihn bereits in früher Kindheit die farbenprächtigen Gottesdienste, die er mit seinen Eltern besuchte, sowie die kirchlichen Filmvorführungen: "Meine ersten gravierenden Film-Erlebnisse fanden bei sonntäglichen Missionsfilm-Vorführungen in den beginnenden fünfziger Jahren statt. Nicht selten riss oder brannte dabei der Film: ein unglaubliches Erlebnis…"
Nach dem Abschluss der mittleren Reife besuchte er die Kunstgewerbeschule in Basel. Von 1960 bis 1963 absolvierte er eine Lehre als (Schaufenster-)Dekorateur in einem Kaufhaus. Zugleich entwickelte Schilling eine unbändige Leidenschaft für das Kino, schaute vom französischen Autorenfilm bis zum Hollywood-Mainstream reihenweise Filme und leistete sich schließlich eine 8-mm-Filmausrüstung inklusive Tonbandgerät, mit der er erste eigene Filmexperimente durchführte: So entstanden etwa "Cosmos Action Painting" (1961), ein Kurz-Dokumentarfilm über seinen älteren Bruder Alfons und dessen "Mal-Scheiben", und der Kurzfilm "Reinigungsanlage II" (1962), der wie schon der Erstling beim Filmfest Göttingen uraufgeführt wurde.
Schließlich erhielt Schilling eine Anstellung als Assistent bei einer auf Industrie- und Werbefilme spezialisierten Filmproduktion in Zürich. Außerdem war er als Kameraassistent und Kameramann an Fernseh-Reportagen für ITN und ABC beteiligt (unter anderem bei "100 Jahre Erstbesteigung des Matterhorns").
Ende 1965 zog Schilling aus der Schweiz nach München. Hier arbeitete er kurzzeitig als Produktionsassistent bei Kruse-Film (die unter anderem das legendäre "HB-Männchen" erschaffen hatte) und fand schließlich Anschluss an die so genannte Münchner Gruppe um Klaus Lemke und Rudolf Thome. In den folgenden Jahren fungierte er als Kameramann bei Filmen unter anderem von Lemke, Thome, Marran Gosov, May Spils und Jean-Marie Straub. Dabei arbeitete er eng mit Hubs Hagen zusammen, der für die Kameraführung zuständig war, während Schilling vor allem für die Lichtsetzung verantwortlich zeichnete.
Im Jahr 1971 gab Niklaus Schilling sein Debüt als Langfilm-Regisseur mit "Nachtschatten". Der Film wurde von Elke Haltaufderheide ohne jegliche Fördermittel mit Unterstützung eines Finanziers produziert. Die Verleiharbeit übernahm Schilling selbst. Mit "Die Vertreibung aus dem Paradies" legte Schilling fünf Jahre später seinen zweiten abendfüllenden Kinofilm vor. Auch dieser Film wurde von Haltaufderheides Firma Visual Film produziert, eine Zusammenarbeit, die bis zum Tode Schillings andauerte: Haltaufderheide produzierte sämtliche seiner Arbeiten, fungierte teilweise als Darstellerin und war auch an der Stoffentwicklung beteiligt. 1977 lief Schillings "Die Vertreibung aus dem Paradies" im Wettbewerb der Berlinale, im Jahr darauf erhielt sein Liebesdrama "Rheingold" zwei Bundesfilmpreise. Die Tragikomödie "Der Willi-Busch-Report", über einen Zeitungsverleger, der sein Provinzblatt mit aufgebauschten Meldungen vor dem Ruin retten will, wurde 1980 mit dem Max Ophüls Preis ausgezeichnet.
Ab 1981 experimentierte Schilling intensiv mit den Einsatzmöglichkeiten der Videotechnik für den Kino-Spielfilm. 1983 realisierte er in dieser Technik "Die Frau ohne Körper und der Projektionist"; die Arbeit an diesem Spielfilm schilderte der TV-Dokumentarfilm "Abschied vom Zelluloid". Drei Jahre später rief er ein "Studio für das elektronische Bild" ins Leben. Nach dem Kammerspiel "Dormire" (1984), dem experimentellen Drama "Der Atem" (1989) und "Deutschfieber" (1992), einer Fortsetzung des "Willi Busch Reports" vor dem Hintergrund das Mauerfalls, inszenierte Schilling mit dem Drama "Die blinde Kuh" (1996) seinen letzten Kinofilm.
Niklaus Schilling starb überraschend am 6. Mai 2016 in Berlin im Alter von 72 Jahren.