Marcel Ophuls
Der Sohn des Film- und Theaterregisseurs Max Ophüls wächst ab 1932 in Paris (1938 französischer Staatsbürger) und ab 1941 in Kalifornien auf, wo sein Vater im Exil lebt. Besuch der Hollywood High School, Militärdienst bei den Besatzungstruppen in Japan (1950 US-Bürger), Studium an der University of California und ab 1951 an der Sorbonne in Paris. Unter dem Pseudonym "Marcel Wall" (nach dem Geburtsnamen seiner Mutter) arbeitet er als Regie-Assistent von John Huston ("Moulin Rouge"), Anatole Litvak ("Un acte d‘amour"), Julien Duvivier ("Marianne de ma jeunesse") und seinem Vater ("Lola Montès").
1956–59 ist er Hörfunk- und Fernseh-Redakteur beim Südwestfunk in Baden-Baden, dreht 1957 erste Kurzfilme. Ab 1960 arbeitet er wieder in Paris und realisiert den deutschen Beitrag zum internationalen Episodenfilm "L’Amour à vingt ans" (1961/62).
Mit Unterstützung von François Truffaut kann er 1963 im Rahmen der Nouvelle Vague den Spielfilm "Peau de banane" mit Jeanne Moreau und Jean-Paul Belmondo inszenieren. Nach der Eddie Constantine-Komödie "Faites vos jeux, mesdames" (1964) wechselt er wieder zum Dokumentarfilm und arbeitet als Fernsehjournalist, u.a. 1966–68 als Regisseur der Nachrichtensendung Zoom.
Mit "Munich, ou La paix pour cent ans" dreht er 1967 für das französische Fernsehen seine erste lange Erkundung der Krisen des 20. Jahrhunderts, hier eine Rekonstruktion des Münchner Abkommens 1938; vor dessen Hintergrund spielt auch der 1970 inszenierte TV-Film "Zwei ganze Tage". "Wir wollen uns ein Luftschloss bauen" (nach der Komödie von Sacha Guitry).
Als Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk (1968–71) erarbeitet er in Co-Produktion mit dem Schweizer Fernsehen "Das Haus nebenan – Chronik einer französischen Stadt im Kriege" (1969), eine 4½-stündige TV-Dokumentation über Kollaboration und Résistance in der französischen Stadt Clermont-Ferrand unter der deutschen Besatzung, die in Frankreich wie in Deutschland auf Widerstand stößt. Wie viele seiner Dokumentationen – denen oft vorgeworfen wird, chaotisch und überladen zu sein, und dass sich der Filmmacher zu sehr in den Vordergrund schiebt – wird der Film zunächst nur verstümmelt aufgeführt.
Nachdem er 1973/74 in den USA als Staff Producer bei CBS News, dann ABC News gearbeitet hat, untersucht er in "The Memory of Justice" (1973–75) anhand des Nürnberger Prozesses Kriegsverbrechen von den Nazis über die Bombardierung Dresdens bis zu den Kolonialkriegen in Algerien und Vietnam. Seine britischen Produzenten (u.a. David Puttnam) wollen Ophüls ablösen, er kann jedoch eine Kopie nach New York schmuggeln und so eine Freigabe der Original-Version erreichen.
1979 kehrt er nach Europa zurück. In "Hotel Terminus" (1988), für den er einen Oscar erhält, berichtet Ophüls über das Leben des Gestapo-Manns Klaus Barbie. "Novembertage – Stimmen und Wege" (1989/90) geht Schicksalen einiger Menschen während und nach dem Fall der Berliner Mauer nach. In "Veillées d’armes" (1994) porträtiert Ophüls Kriegskorrespondenten in Sarajewo.
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