Fred Kelemen
Fred Kelemen, geboren am 6. Januar 1964 in Berlin als Sohn einer ungarischen Mutter und eines deutschen Vaters, studierte Malerei, Musik, Philosophie, Religions- und Theaterwissenschaft. Nach Regieassistenzen an verschiedenen Theatern nahm er 1989 ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) auf. 1993 stellte er sein Erstlingswerk, das Drama "Kalyi" (D/HU), an dem er zwei Jahre lang gearbeitet hatte, fertig. Sein Abschlussfilm "Verhängnis" (1994) wurde unter anderem mit dem Deutschen Filmpreis in Silber ausgezeichnet und erhielt auch international viel Anerkennung; so bezeichnete die bekannte US-amerikanische Essayistin und Regisseurin Susan Sontag das Werk als "einzigartige visionäre Leistung". In dem Film, der durch seine besondere Bildästhetik besticht, geht es um verschiedene Menschen unterschiedlichster Herkunft, die einzig durch ihre Suche nach dem Glück verbunden sind.
Kurze Zeit später stand Kelemen erstmals für den ungarischen Regisseur Béla Tarr hinter der Kamera; der Kurzfilm mit dem Titel "Journey on the Plain" (HU) feierte 1995 Premiere.
In seiner nächsten Regiearbeit, dem Drama "Frost" (1997), flieht eine Mutter mit ihrem Sohn vor dem gewalttätigen Ehemann und reist auf der Suche nach einer besseren Zukunft in ihre eigene Vergangenheit. Zwei Jahre später folgte mit "Abendland" (D/PT 1999) eine Geschichte über zwei Menschen, die, am Ende ihrer Beziehung stehend, getrennt voneinander versuchen, sich über ihre Gefühle klar zu werden, bis sich ihre Wege schließlich wieder kreuzen. Beide Filme fanden großen internationalen Zuspruch und wurden mit mehreren Auszeichnungen gewürdigt. Im Rahmen des Rotterdam International Film Festival 1998 wurde "Frost" mit einem FIPRESCI-Preis prämiert, ebenso wie "Abendland" im folgenden Jahr beim Thessaloniki Film Festival.
Seit 1995 ist Fred Kelemen auch als Gastdozent an verschiedenen Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland beschäftigt. Lehrtätigkeiten in Form von Vorlesungen und Meisterklassen geht er unter anderem an der Hochschule der Bildenden Künste in Genf, dem Zentrum für Kinematographische Studien von Katalonien in Barcelona, der Lettischen Kulturakademie in Riga, der Harvard Universität in Cambridge, der Universität von Santiago de Chile, der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Lyon, der Film Factory in Sarajevo, der Tel Aviv University, der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) und der Hochschule für Bildende Künste Saar in Saarbrücken nach.
Von 2000 bis 2002 arbeitete er auch als Theaterregisseur an verschiedenen Spielstätten in Deutschland. 2001 entstand unter seiner Leitung Eugene O'Neills "Desire" auf der Volksbühne in Berlin. Ein Jahr später inszenierte Kelemen die Adaption von Ray Bradburys "Fahrenheit 451" am Schauspielhaus in Hannover.
2004 gründete er die Produktionsfirma Kino Kombat Filmmanufactur, mit der er seinen nächsten Spielfilm "Glut" (D/LV 2005) produzierte. Wie bereits bei "Verhängnis" und "Frost" zuvor, übernahm er bei dieser Produktion neben Drehbuch und Regie auch die Kameraarbeit und den Schnitt. Im selben Jahr produzierte Fred Kelemen außerdem den Dokumentarfilm "Moskatchka" (D/LV 2005) von Annett Schütze.
Kelemen wirkte neben seiner Regietätigkeit auch immer wieder als Kameramann bei verschiedenen Spiel- und Dokumentarfilmen anderer Filmemacher mit, darunter auch Gariné Torossians "Stone Time Touch" (CA 2005) und das Drama "Das Sichtbare und das Unsichtbare" (2007) von Rudolf Thome mit Hannelore Elsner und Guntram Brattia in den Hauptrollen. Auch seine Zusammenarbeit mit Béla Tarr setzte er über die Jahre hinweg fort, wobei hier vor allem "Der Mann aus London" (F/HU/D 2007) und "Das Turiner Pferd" (HU/F/D/CH 2011) hervorzuheben sind. Für letzteren, auf der Berlinale gefeiert und ausgezeichnet, wurde Fred Kelemen 2011 für den Europäischen Filmpreis in der Kategorie Beste Kamera nominiert und erhielt beim Preis der Deutschen Filmkritik 2012 den Innovationspreis für seine herausragende Bildgestaltung.
2016 entstand nach einer längeren Pause sein nächster Spielfilm "Sarajevo Songs of Woe"(BA/D), bei dem es sich um ein filmisches Triptychon handelt. Im Zusammenspiel bilden die einzelnen narrativen Teile ein Mosaik, das das Leben in Sarajevo abbildet. Kelemens Werke stechen stilistisch hervor, haben ihren speziellen eigenen Rhythmus; Schnitte setzt er, ebenso wie Dialoge, nur sehr sparsam und gezielt ein. Es sind häufig apokalyptisch anmutende Welten, in der seine Protagonist*innen leben und versuchen, ihr Schicksal zu meistern. Einsamkeit, Sehnsucht und Liebe sind immer wiederkehrende Leitmotive in Kelemens Filmen. Eines haben alle seine Figuren gemeinsam – sie sind auf der Suche; auf der Suche nach Glück, einem besseren Leben und nach sich selbst.
2018 wagte er in "Suspiria" (US/IT) schließlich auch einen Ausflug vor die Kamera. In der Neuverfilmung von Dario Argentos Klassiker in der Regie von Luca Guadagnino war Kelemen in einer kleinen Nebenrolle an der Seite von Hollywoodstars wie Tilda Swinton und Dakota Johnson zu sehen.
Zuletzt führte er bei dem auf einer Vorlage von Oliver Czeslik beruhenden Virtual Reality-Projekt "Mind the Brain/Me and my Brain" (2019/20) Regie, das Ende 2020 mit einem Lumière Award in der Kategorie Best Technical Achievement ausgezeichnet wurde.
Fred Kelemen ist Mitglied der Deutschen Filmakademie, der Europäischen Filmakademie (EFA), des Europäischen Kulturparlaments (ECP) und der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Beim Förderpreis für Filmkunst, der in Kooperation mit der Deutschen Filmakademie alle zwei Jahre vergeben wird, saß er 2015 in der Jury.
Kelemens filmische Werke werden in Retrospektiven weltweit gezeigt, bisher unter anderem in den Anthology Film Archives New York, dem Nationalen Filmtheater in Budapest, im Tate Modern in London, in zahlreichen Kinematheken und Kinos sowie auf diversen Filmfestivals wie dem in der spanischen Hauptstadt stattfindenden FILMADRID, das 2017 erstmalig eine Retrospektive zu Kelemen veranstaltete.