Jane Bess
Die Produzentin und Drehbuchautorin Jane Bess, manchmal auch Jane Beß geschrieben, wurde am 28. November 1891 als Rosette Herta Rosenthal in Posen (heute Poznań, Polen) geboren. Ihr Vater war der jüdische Zahnarzt Max Rosenthal, der früh starb. Ihre Mutter Luise zog mit den Kindern im Jahr 1902 nach Berlin, wo sie bei einem Justizrat als Schreibkraft tätig war. 1910 heiratete Bess den Rechtsanwalt Dr. Leonhard Holz. Zwei Jahre später wurde ihre Tochter Ilse geboren.
Jane Bess, bis heute eine der großen Unbekannten des Weimarer Kinos, begann ihre Karriere als produktivste Drehbuchautorin ihrer Zeit im Ersten Weltkrieg, als ihr Mann an die Front eingezogen wurde. Da sie nun allein für ihre Tochter sorgen musste, legte sie sich 1914 in Anlehnung an den Namen ihrer Großmutter Johanna Besser das Pseudonym Jane Bess zu und begann mit dem Schreiben von Drehbüchern. Noch 1914, jedoch mit ihrem ehelichen Namen Hertha Holz, wurde sie Teilhaberin des Michael Wilhelm & Co. Filmvertriebs und gründete nach dessen Auflösung 1915 sogleich die Produktionsfirma Tiger-Film Hertha Holz in Berlin. Prokurist dieser Firma, deren Gründungspapiere die Inhaberin als "Frau Hertha Holz geb. Rosenthal" auswiesen, war Wolfgang Neff, mit dem sie in den folgenden Jahren über 40 gemeinsame Filme (Drehbuch Bess, Regie Neff) realisieren sollte. Weitere Regisseure, mit denen sie immer wieder zusammenarbeitete, waren Siegfried Dessauer und Willy Zeyn sen.
1919 trat Jane Bess unter dem Pseudonym Hanna Holl in dem von ihr geschriebenen und von Wolfgang Neff inszenierten Film "Die Erbschaft von New York" auch einmal als Schauspielerin in Erscheinung. 1920 kam es zur Scheidung von Leonhard Holz, ein Jahr später heiratete Bess den Filmproduzenten Alfons Fruchter (Ima-Films), von dem sie 1925 ebenfalls geschieden wurde. Ihre ersten Tonfilmdrehbücher entstanden 1931 mit "Der Tanzhusar", gefolgt von "Hilfe! Überfall!, ein Jahr später folgte "Hasenklein kann nichts dafür". Insgesamt stammen nach eigenen Angaben über 120 Drehbücher aus der Feder von Jane Bess. Ihre Western, Detektivgeschichten, Melodramen, Komödien und Literaturverfilmungen wurden dabei von Publikum und Kritik oft gleichermaßen gut aufgenommen.
Ihr jähes Karriereende 1932 wurde lange Zeit zu Unrecht mit ihrem mangelnden Talent für den Tonfilm begründet, und ihr Werk war der Filmgeschichtsschreibung nach 1945 bestenfalls eine Randnotiz wert. Erst 2021 wurde aufgedeckt, dass Jane Bess als Jüdin 1933 in die Niederlande emigrieren musste und 1944 in Auschwitz ermordet wurde: Nach ihrer Emigration in die Niederlande floh Bess weiter nach Argentinien, wo sie an Angina Pectoris erkrankte, an der sie bis zu ihrem Lebensende litt. Das Jahr 1935 markiert nicht nur die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von Jane Bess und die Beschlagnahmung ihres zurückgelassenen Vermögens, sondern auch die Verfilmung ihres letzten Drehbuchs: "De kribbebijter" entstand in den Niederlanden unter der Regie von Ernst Winar und Henry Kosterlitz. Ein Jahr später, 1936, kehrte Bess nach Europa zurück, wo ihre Tochter Kontakt zu Leonhard Holz aufnahm, der sich ein Jahr lang um die zu diesem Zeitpunkt bettlägerige Bess kümmerte, woraufhin die beiden 1937 erneut heirateten.
Ab 1940 wurde Jane Bess in verschiedenen Lagern, darunter Camp de Gurs und Drancy, zur Zwangsarbeit interniert. Am 27. März 1944 wurde sie mit dem Transport Nr. 70 aus dem Arbeitslager Drancy in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet. Leonhard Holz starb im Konzentrationslager Flossenbürg.