Am Donnerstag, den 17. November 2022, wurde der 35. Internationale Filmhistorische Kongress von CineGraph und Bundesarchiv im Kommunalen Kino Metropolis eröffnet. Im Rahmen der Kongress-Eröffnung fand traditionell die Verleihung der Willy Haas-Preise statt.
Mit den Willy Haas-Preisen werden bedeutende internationale Publikationen in den Kategorien Buch und DVD-/Blu-ray-Edition zum deutschsprachigen Film bzw. zum Film in Deutschland ausgezeichnet. 2022 wurde der, nach dem deutsch-tschechischen Literaten, Drehbuchautor und Filmkritiker Willy Haas benannte, Preis zum neunzehnten Mal vergeben.
In diesem Jahr bestand die unabhängige Jury aus Christiane Habich (Kronberg), Britta Hartmann (Berlin), Anne Jespersen (Kopenhagen), Uli Jung (Trier) und Günter Krenn (Wien).
Den Gewinnern wurde jeweils eine Urkunde sowie eine Original-Grafik des Künstlers und Filmmachers Franz Winzentsen überreicht.
Weitere Informationen zur Preisverleihung und zum cinefest finden Sie unter www.cinefest.de.
Willy Haas-Preisträger Kategorie Buch:
"Dokumentarfilm in Deutschland. Von den Anfängen zur Gegenwart." von Peter Zimmermann. Bonn: bpb 2022.
Peter Zimmermann gilt als einer der profundesten Kenner des Dokumentarfilms in Deutschland. Diese Gesamtdarstellung stellt so etwas wie die Summe seiner langjährigen publizistischen Arbeiten zum Themengebiet dar: Kenntnisreich, profunde in den Schlussfolgerungen und in konziser Darlegung führt der Autor durch die Entwicklung der Gattung von ihren Anfängen im Kaiserreich über die Weimarer Republik mit der Etablierung des Kulturfilms, das Dritte Reich und der propagandistischen Indienstnahme, die beiden deutschen Staaten, denen der Dokumentarfilm zur gegenseitigen Denunziation dient, aber auch als gesellschaftskritisches Medium profiliert wird, bis in die Gegenwart und den neuen hybriden digitalen Formaten. Die Geschichtsschreibung orientiert sich an den Wandlungsprozessen von dokumentarischen Formen, der Produktion, Aufführung und Rezeption, an den Medien- und Technologiewechseln der Gattung wie den sich verschiebenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Diskursen. Schon jetzt ein Standardwerk, das in der Reihe Zeitbilder bei der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten wird.
Willy Haas-Preisträger Kategorie DVD / Blu-ray:
"Anders als die Anderen + Gesetze der Liebe + Geschlecht in Fesseln" (DE 1918/19, Richard Oswald / DE 1927, Magnus Hirschfeld / DE 1928, Wilhelm Dieterle).
In der Zeit zwischen dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und der Implementierung des Weimarer Reichsfilmgesetz 1920 war die Vorzensur für Filme ausgesetzt. Richard Oswald, zu dieser Zeit bereits ein weitgehend bekannter Regisseur und Produzent, nutzte die Gelegenheit, eine Reihe sog. "Aufklärungsfilme" zu realisieren, die sich mit gesellschaftlich marginalisierten Themen – Prostitution, Homosexualität – beschäftigten. "Anders als die Anderen", für den er sich die Unterstützung des Pioniers der Sexualforschung Magnus Hirschfeld sicherte, ist bis heute das umstrittenste, zugleich aber selten zu sehende Beispiel. Er wurde am 16. Oktober 1920 unter der neuen Gesetzgebung für das gesamte Reichsgebiet verboten. Die Doppel-DVD der Edition Filmmuseum macht nicht nur Oswalds Film für den privaten Gebrauch zugänglich, sondern auch Hirschfelds Dokumentarfilm "Gesetze der Liebe" (1927) und Wilhelm Dieterles Spielfilm "Geschlecht in Fesseln" (1928) wieder zugänglich. Ein 20-seitiges Booklet sowie ein ROM-Teil bieten eine filmgeschichtliche Einordnung aller Filme und zusätzliche Original-Dokumente aus dem Zusammenhang der Filme, unter anderem auch – überraschend, aber auch vielsagend – einen Briefwechsel zwischen Oswald und Veit Harlan, der 1958 mit seinem die Homosexualität sehr negativ konnotierenden Film "Anders als Du und ich (§ 175)" in die Kinos brachte. Eine umsichtig gestaltete und vorbildliche Edition.
Quelle: www.cinefest.de