Die ersten Programmentscheidungen des DOK.fest München 2022 stehen fest: Die Hommage ehrt die große Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna. Das Gastland wird in diesem Jahr Spanien sein – wie auf der Frankfurter Buchmesse.
Die Reihe DOK.guest Spanien zeigt sechs der besten aktuellen Dokumentarfilme aus dem Land. Außerdem blickt eine Retrospektive auf das schwierige Vermächtnis der Franco-Diktatur und die lange aufgeschobene Auseinandersetzung damit.
Die Hommage 2022 gilt Heidi Specogna, einer Filmemacherin, die in besonderer Weise den globalen Süden in den Blick nimmt und sich in ihren Filmen den Menschenrechten verpflichtet fühlt. "Dokumentarfilm als Betrachtung, als Erlebnis bedeutet, die Zuschauerinnen und Zuschauer auf eine Erfahrungsreise mitzunehmen. In den Worten von Emmanuel Levinas: 'Einem Menschen zu begegnen heißt, von einem Rätsel wachgehalten zu werden'", sagt sie. Der Blick in das fremde Leben, die Neugierde für die andere Perspektive durchziehen das filmische Werk der vielfach preisgekrönten Schweizer Regisseurin Heidi Specogna. Sie wird ihre Filme in München persönlich präsentieren.
Darunter ist "Carte Blanche" (2011), der die Arbeit der Ermittler am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag begleitet: Sie tragen keine Uniform und keine Waffen, aber ihre Missionen führen sie an die gefährlichsten Orte der Welt. "Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez" (2006) erzählt vom ersten Soldaten der US-Armee, der im Irak-Krieg sein Leben verlor. Ausgangspunkt von "Das Schiff des Torjägers" (2011) sind die Schlagzeilen mit dem Verdacht, dass auf einer Fähre eines ehemaligen Bundesligaspielers Kindersklaven transportiert wurden. Die Schuldfrage ist noch ungeklärt, doch das Schicksal der Kinder von damals wird aufrüttelnd nachvollzogen. Auch Heidi Specognas neuester Film ist im Programm: In "Stand Up My Beauty" (2021) will eine Sängerin der traditionellen äthiopischen Azmari-Musik mit ihren Liedern Frauen eine Stimme geben.
Land der Sonne, Land des Schattens: Die Gastlandreihe 2022 zeigt in sechs Filmen Einblicke in diverse Realitäten Spaniens. In "El Círculo" tauschen sich Männer in einem Gesprächskreis aus, in dem sie frei über Gefühle und Schwächen sprechen. Was bedeutet es, ein Mann in der modernen, vom Feminismus geprägten spanischen Gesellschaft zu sein? Dem einst so selbstverständlichen Machismo geht es jedenfalls an den Kragen. Der Film "Magaluf Ghost Town" porträtiert einen mallorquinischen Küstenort, in dem die Menschen von und mit den Exzessen der Tourist*innen leben. "Altsasu (That Night)" erzählt von einem Justizskandal, bei dem eine Kneipenschlägerei vor Gericht zum Terrorakt erklärt wurde – und die Schläger als Terroristen verurteilt wurden. In Haft war auch die baskische Filmemacherin Arantza Santesteban, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer verbotenen politischen Partei mit Nähe zur ETA zu einer dreijährigen Strafe verurteilt wurde: In "918 Nights" erzählt sie davon.
Die Retrospektive dreht sich um das schwierige Erbe Francos: Über die Verbrechen des Regimes wurde nach dessen Tod im Jahr 1975 der Mantel des Schweigens ausgebreitet. Erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts begann die Gesellschaft, sich verstärkt mit Bürgerkrieg und Diktatur zu beschäftigen. Doch das Thema ist auf traurige Weise kontrovers: Während sich zivile Organisationen um Aufarbeitung bemühen, sammelt sich die extreme Rechte in der Vox-Partei und glorifiziert den Diktator.
Dessen mörderisches Werk thematisiert "Pico Reja. La Verdad Que La Tierra Esconde" (2021): Die Filmemacher sind dabei, als in Sevilla eines der vielen Massengräber geöffnet wird, in denen Opfer aus der Zeit des Bürgerkriegs und der Diktatur verscharrt wurden. "Franco's Promise" (2014) porträtiert die Stadt Belchite, die im Spanischen Bürgerkrieg beinahe völlig zerstört und neben den Ruinen der alten Stadt neu errichtet wurde. In "Franco on Trial: The Spanish Nuremberg" (2018) geht es um den Prozess vor einem argentinischen Gericht, vor dem Opfer des Regimes 2010 eine Klage eingereicht haben: Werden noch lebende Täter der Franco-Diktatur endlich zur Rechenschaft gezogen?
Das Festival findet dieses Jahr erstmals dual statt: Die 117 Filme aus 41 Ländern sind sowohl in München auf der Kinoleinwand (vom 4. bis 15. Mai) als auch zuhause auf der digitalen Leinwand (vom 9. bis 22. Mai) zu sehen. Durch die versetzten Zeitfenster können internationale Filmhighlights in den ersten fünf Festivaltagen exklusive Premieren auf der Kinoleinwand feiern. Filmgespräche sollen sowohl auf der digitalen Leinwand als auch in den Kinos stattfinden.
Quelle: www.dokfest-muenchen.de