Was ist digitale Kreativität? Und wie hat sie sich entwickelt? Die Ausstellung Digital Revolution, zu sehen vom 4. Juni bis zum 20. Oktober 2019 im DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt, geht diesen Fragen nach.
Was als "digitale Revolution" unsere gesamte Lebenswelt grundsätzlich verändert hat, unsere Wahrnehmung und die Art, wie wir uns der Welt mitteilen, brachte auch Künstlerinnen und Künstler dazu, neue Ausdrucksformen zu erproben.
Die von Conrad Bodman für das Barbican in London kuratierte Ausstellung zeigt, wie sich Kunst und insbesondere Film, durch digitale Technologien seit den 1970er Jahren verändert und erweitert haben – von den ersten digitalen Effekten wie dem verpixelten Gesichtsfeld eines Roboters in "Westworld" (US 1973) bis hin zu den computergenerierten Weltraumansichten, die in "Gravity" (US 2013) den Eindruck völliger Schwerelosigkeit entstehen lassen. Die Besucher/innen können dabei zahlreiche Objekte, Spiele, und Kunstwerke wiederentdecken und ausprobieren.
Der Begriff der "digitalen Revolution" bezeichnet fundamentale Änderungen durch digitale Technologien, die seit Anfang der 1990er Jahre unser Arbeits- und Privatleben komplett neu bestimmen. Dass dem großen Umbruch seit mehr als 50 Jahren zahlreiche Einzelinnovationen, Experimente und die Entwicklung neuer Kunstgattungen vorausgingen, zeigt die Ausstellung Digital Revolution. Sie bringt erstmals die Werke von Filmschaffenden mit denen bildender Künstler/innen, Designer/innen, Musiker/innen und Spieleentwickler/innen zusammen, die alle digitale Techniken nutzen, um auf ihrem Gebiet Neues zu schaffen.
Damit verdeutlicht sie anschaulich die engen Verflechtungen und wechselseitigen Einflüsse durch neue Arbeitsformen und die stete Weiterentwicklung von Software, zeigt aber auch ästhetische Konstanten: So entstand etwa mit der europäischen "Demoszene" in den 1980er Jahren ein kreatives Netzwerk aus experimentierfreudigen Digitalkünstler/innen, die kurze, musikalisch unterlegte Echtzeit-Animationen gestalteten. Daraus gingen in den folgenden Jahren erfolgreiche Programmierer hervor, darunter Jaakko Iisalo ("Angry Birds"). Die Quantel Paintbox revolutionierte 1981 die Fernsehgrafik und 1989 veränderte James Camerons "The Abyss" die Filmwahrnehmung des Publikums. Beide basierten auf Vorläufern der heute vor allem von Grafiker/innen geschätzten Software Photoshop; und der Quader als gestalterischer Ausgangspunkt prägt nicht nur die zufallsgenerierte Arbeit "Builder Eater" (Paul Brown, 1977), sondern auch das Nintendo-Spiel "Tetris" (1984), die Pixelkunst von "eBoy" (Pixorama, 1997), und das Open-World-Game "Minecraft" (2009).
Die Ausstellung beginnt mit einer "Archäologie des Digitalen", einer breit angelegten Präsentation von Meilensteinen der Digitalen Revolution in Gestalt von Geräten aus der Computergeschichte und zeitbasierten Arbeiten wie Spielen, Film- und Videobeispielen sowie Musik seit den 1970er Jahren, beginnend mit Lillian Schwartz‘ computergenerierter Grafik "Pixillation" (1970).
In den folgenden Räumen löst sich die Ausstellung von der Chronologie und blickt auf Disziplinen und Methoden digitalen künstlerischen Arbeitens, auf Kreativkulturen und digitale Gemeinschaften, die zum Teil in offenen Systemen programmieren und entwickeln.
Zu sehen sind Kunstwerke, die den Übergang von konsumierenden zu produzierenden Nutzer/innen markieren ("We Create") und ein breites Publikum zur Interaktion auffordern. Präsentiert werden auch verschiedene Innovationen in der Filmproduktion ("Creative Spaces"), die einerseits den Hollywood-Blockbustern zu aufsehenerregenden Spezialeffekten verhalfen (siehe "Star Wars", 1977 und "Tron", 1982) und andererseits hilfreich für kleinere Studios waren, die dadurch in der Lage waren, neue Filme in relativer finanzieller Unabhängigkeit zu realisieren (etwa Factory Fifteen in London).
Computergenerierte Musik und Musikvideos und die Veränderung der Musikszene etwa durch Sampling und Filesharing ("Sound & Vision") sind ein weiteres Gebiet neben medienkünstlerischen Experimenten mit (Selbst)Inszenierung des Publikums ("State of Play").
Computerspiele, als Experimentierfeld und Anziehungspunkt für Programmiertalente, und als neue Kunst- und Beschäftigungsform, geben einem weiteren Aspekt digitaler Techniken Ausdruck: Unabhängig produzierte Spiele ("Independent-Games", kurz: "Indie-Games") waren sowohl Vorläufer als auch Alternativen zu größeren Spieleunternehmen.
"Wie die digitale Revolution traditionelle Grenzen zwischen den Künsten auflöst, wie sich in der Kunst Verflechtungen und neue Formen ergeben, das zeigt Digital Revolution in einem kritisch-hoffnungsvollen Blick auf eine technologische Entwicklung, die nicht zuletzt durch Vernetzung und Zusammenarbeit möglich wird", so Stefanie Plappert, Projektleiterin des DFF.
Dies spiegelt sich auch in der Ausstellungspräsentation wieder: Ein Großteil der Exponate darf angefasst und ausprobiert werden. "Diese interaktive Ausstellung bietet Besuchern aller Altersgruppen eine dynamische Möglichkeit, mit den Geschichten und der Technologie in Kontakt zu kommen, die in dieser Show lebendig werden. Wir sind stolz darauf, Wanderausstellungen von internationalem Format nach Frankfurt zu bringen, und zusätzlich großartige Filme und Veranstaltungen zu bieten, die ein breites Publikum ansprechen", freut sich Ellen Harrington, Direktorin des DFF.
"Die ausgestellten Kunstwerke verdeutlichen, was Kunst und Kultur in Zeiten der Digitalisierung zu leisten imstande ist", sagte David Dilmaghani, Büroleiter von Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig: "Die digitalen Objekte fordern die Besucher/innen heraus, darüber nachzudenken, welche gesellschaftliche Entwicklung wir seit vielen Jahren bereits erfahren und wie wir weiter damit umgehen wollen. Damit macht die Ausstellung die technische Revolution der vergangenen Jahrzehnte sichtbar und ermöglicht den Besuchern, sich ein eigenes Urteil von der digitalen Veränderung unserer Welt zu bilden."
"Kunst als Korrektiv und Ausdruck kritischen Bewusstseins: Die demokratisierenden Möglichkeiten des Digitalen verhelfen der Kunst zu mehr Wirkung", sagte Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfonds Frankfurt RheinMain. "Das zeigt in der Ausstellung das Beispiel von Dronestagram, das mich sehr beeindruckt. Mit auf Social-Media-Kanälen veröffentlichten Luftaufnahmen von Schauplätzen des Drohnenkriegs macht der britische Künstler James Bridle die Geschehnisse eines scheinbar unsichtbaren Krieges anschaulich, und hebt damit die distanzierende Wirkung gerade der Drohnenkriegsführung auf."
"Digital Revolution zeigt, wie sich die digitale Technologie in einer Reihe von Medien verbreitet hat, vom Film über das Webdesign bis hin zu Videospielen", sagte Neil McConnon, Leiter von Barbican International Enterprises. "Wir hoffen, dass die Ausstellung veranschaulicht, wie zeitgenössische Künstler bei dieser Entwicklung immer noch Pionierarbeit leisten und die Grenzen der Technologie erweitern, um neue Ausdrucksformen zu finden. Barbican ist stolz darauf, mit dem DFF zusammenzuarbeiten, um Digital Revolution in Deutschland zu inszenieren."
Eines der Highlightexponate ist sicherlich der hier abgebildete "Petting Zoo" (2013, Minimaforms). Die interaktive Station ist eine verhaltensforschende Umgebung in Echtzeit und eine generative robotische Installation in Form hängender robotischer Arme, besiedelt von wissbegierigen und künstlich intelligenten Kreaturen die auf menschliche Ansprache reagieren. Durch Einsatz von Echtzeit-Trackingkameras die Menschen lokalisieren sowie Gesten und Bewegung erkennen können, kann jedes "Streicheltier" Daten so verarbeiten dass sie unterschiedliche Verhaltensweisen lernen und erforschen können, durch Interaktion mit dem Publikum und untereinander. Über die Laufzeit der Ausstellung entwickeln sich ihre Persönlichkeiten im intimen, unmittelbaren Austausch mit Menschen. Die Arbeit untersucht künstliche Intelligenz und die Kommunikation mit ihr.
Die Präsentation im DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum stellt den digitalen Objekten analoge Materialien aus den eigenen Sammlungsbeständen zur Seite: So wird beim Betreten des Hauses deutlich, dass auch die digitale Revolution auf Grundprinzipien und Sehgewohnheiten zurückgreifen konnte, wie sie durch die analoge Ära insbesondere im Film geprägt wurden.
Im Begleitprogramm untersuchen und beleuchten Filme, Vorträge, Führungen und Workshops die Möglichkeiten, Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz, Datenverwaltung oder medizinischer Nutzung digitaler Techniken.
Quelle: www.dff.film