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Irland 1916: Der junge Damien gibt seine Karriere als Arzt auf, um sich mit seinem Bruder Teddy den irischen Unabhängigkeitskämpfern anzuschließen, die einen Guerillakrieg gegen die grausamen britischen Besatzer führen. Als es aber eines Tages zu einem zweifelhaften Friedensvertrag mit den Briten kommt, spaltet sich die Widerstandsbewegung in zwei verfeindete Lager – jene die weiter kämpfen und jene die auf politische Ebene agitieren wollen. Schließlich entbrennt ein Bürgerkrieg, bei dem auch Teddy und Damien sich plötzlich als Todfeinde gegenüber stehen.
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Dennoch ist Damien entschlossen, die Chance in London wahrzunehmen. Erst nach einem weiteren Zwischenfall auf dem Bahnsteig, wo die britischen Soldaten einen Lokführer und einen Schaffner brutal zusammenschlagen, entscheidet er sich gegen seine persönliche Karriere und schließt sich einer Widerstandsgruppe an, in der bereits sein älterer Bruder Teddy aktiv ist, der im Ersten Weltkrieg noch seinen Kopf für England hingehalten hat.
Die Gruppe, zu der mit Sinead auch Damiens große Liebe gehört, die Freundin des gerade hingerichteten Siebzehnjährigen, nennt sich Irisch-Republikanische Armee (IRA). Sie hat sich nach dem blutig niedergeschlagenen Dubliner Oster-Aufstand der „Irish Volunteers“ 1916 und vor dem Hintergrund der trotz des klaren Sieges der nationalistischen Sinn Fein-Partei bei den Wahlen 1918 weltweit ignorierten irischen Unabhängigkeitsbewegung gebildet.
Während in Belfast und London über die Zukunft der seit 1541 ersten Kronkolonie Großbritanniens verhandelt wird, führt dieser zusammengewürfelte Haufen katholisch-irischer Überzeugungstäter eine Nadelstich-Aktion nach der anderen gegen die britischen Besatzungstruppen, welche die Iren als Untermenschen behandeln. Beide Seiten schenken sich nichts und allmählich gelingt es den Aufständischen, sich aus überfallenen Armeedepots mit Waffen zu versorgen. Teddy O'Donovan wird nach einer Denunziation aus konservativen Landjunker-Kreisen verhaftet und schwer gefoltert, aber von einem 19-jährigen Soldaten mit irischen Vorfahren, der sich nicht weiter an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligen will, befreit.
Der auch linkssozialistisch-politisch motivierte Aufstand heimatverbundener Bürger weitet sich zum Guerillakrieg zwischen den Besatzern und der immer schlagkräftigeren Untergrundarmee IRA aus. Doch die Revolution frisst ihre Kinder: In den von der IRA „befreiten“ Gebieten beginnt nun ein zähes Ringen zwischen den erkämpften Möglichkeiten einer eigenen Zivilgerichtsbarkeit und den Notwendigkeiten einer kompromisslosen Kriegsführung.
Nach dem Friedensvertrag zwischen den Briten und den Iren von 1921 wird zwar die Unabhängigkeit Irlands legalisiert, das Land aber innerhalb des Commonwealth weiterhin unter die Herrschaft der britischen Krone gezwungen. Was nicht nur die Widerstandsbewegung sprengt, sondern auch die Familien auseinanderreißt. Die O'Donovan-Brüder stehen sich plötzlich feindlich gegenüber – mit umgekehrtem Vorzeichen: Während Teddy, der einstige Revolutionär, in den Staatsdienst wechselt und der Gewalt abschwört, um das Land zu befrieden, bleibt Damien im Untergrund. Wer steht für eine bessere Sache?
„Ich habe die Grenze überschritten, Sinead, ich habe keine Gefühle mehr“: Mit diesem Bekenntnis Damiens, das der Hinrichtung seines Bruders folgte, endet ein Film, dessen Titel „The Wind That Shakes the Barley“ Bezug nimmt auf das gleichnamige Gedicht von Robert Dwyer Joyce (1830 - 1883), welches im 19. Jahrhundert zur Hymne der irischen Nationalbewegung mutierte: „Der Wind, der die Gerste schüttelt“ steht für die aufgebrachte Natur, welche die Empörung der Menschen über das ihnen täglich zugefügte Unrecht mystisch verklärt und überhöht.
Ken Loachs historischer Rückblick auf die Apokalypse des irischen Brudermordes vor dem Hintergrund jahrhundertelanger britischer Besatzung, nach der Uraufführung in Cannes mit der „Goldenen Palme“ ausgezeichnet, ist ein sehr emotionaler Spielfilm, der die britischen Besatzer als gemeine Mörder, Brandschatzer und Vergewaltiger an den Pranger stellt. Ken Loachs bildmächtiger, über gut zwei Stunden hochspannender Film erinnert in seinem harten Realismus an „Riff Raff“ oder „My Name Is Joe“, in der poetischen Verklärung, zu der auch Barry Ackroyds schwelgerische Landschaftsaufnahmen beitragen, an „Just a Kiss“.
Der Regisseur im Neue Visionen-Presseheft: „Das, was zwischen 1920 und 1922 in Irland geschah, ist eine jener Geschichten, die bis heute nachwirken. Wie der spanische Bürgerkrieg war es ein historischer Wendepunkt. (...) Wir haben eine Verantwortung, die Fehler und Brutalität unserer Führer zu attackieren, gestern genauso wie heute. Weit entfernt unpatriotisch zu sein, ist das eine Pflicht, die wir nicht ignorieren können.“
Pitt Herrmann