Der Tote im Fließ

DDR 1972 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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„Glück Auf!“: Kaum hat der wie immer eilige, kurz angebundene Bauleiter Gerhard Kowalski seine Sekretärin Agnes „Biggi“ Bigalke im Büro mit dem Lenin-Porträt an der Wand begrüßt, muss er sämtliche Vorbereitungen zum Einsatz der Eimerkettenbagger einstellen lassen. Bei Erdarbeiten zur Erweiterung des Braunkohlen-Tagebaus ist im Fließ ein Skelett freigelegt worden. Vom Abschnitts-Bevollmächtigten Runge alarmiert, passieren Oberleutnant Peter Fuchs und Leutnant Vera Arndt im Wartburg Tourist das Ortsschild „Zernsdorf, Kreis Senftenberg“.

Der Kriminaltechniker (Manfred Müller) kann ihnen schon den ersten Fund präsentieren: eine Taschenuhr, die knapp zwei Meter neben den sterblichen Überresten im feuchten Boden lag. Später dienen der Ehering mit den eingravierten Initialen B.K. und L.K. sowie dem Datum der Eheschließung ebenso der Identifizierung des Toten wie dessen Zahnstatus: Es handelt sich um den vor zehn Jahren angeblich republikflüchtig gewordenen Bruno Krüger, damals Wirt im „Zernsdorfer Krug“.

Der heute wie die anderen Gebäude des weitgehend verlassenen Ortes in unmittelbarer Nähe der heranrückenden Abbaukante zum Abriss freigegeben ist. Und dennoch von Otto Bigalke und seinem Schäferhund bewacht wird – hauptsächlich aus Sicherheitsgründen. Aber auch, um „Diebstahl von Volksvermögen“ zu verhindern, wofür eben dieser Bigalke unmittelbar vor Bruno Krügers Verschwinden 1961 verhaftet und später zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Der Wirt hatte den heutigen Wächter, damals Materialverwalter im Tagebau, mit seinem „Deckel“ von 500 Mark erpresst.

Zwei Schädelfrakturen sind für den Gerichtsmediziner der Beweis, dass Krüger erschlagen worden ist. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf Kowalski, seinerzeit mit Krügers Stieftochter Sandra liierter Hilfsarbeiter mit Lokalverbot, nachdem er die 17-Jährige vor Prügeln des unbeherrschten Ehemannes ihrer bereits kränkelnden Mutter bewahrt hatte. Heute ist er mit der erfolgreichen Absolventin der Hotelfachschule verheiratet, die kurz vor der Übernahme der Leitung einer renommierten Cottbuser Herberge steht.

Die Befragungen der inzwischen in einem Altenheim lebenden Gattin Lisa Krüger und anderer Zeitzeugen verdichten sich zu einem Horrorgemälde des Toten. „Mutter war für ihn nur ein Aschenputtel“ gibt Sandra zu Protokoll und der Arbeiter Polze schildert, wie der „Lump“ von hartherzigem Schankwirt seinen Hund auf zwei Kinder gehetzt hat, als diese ihn um leere Flaschen für die Altstoff-Sammlung baten. Seitdem war der „Zernsdorfer Krug“ für die Tagebau-Kumpel tabu – und Krüger suchte sich mit der Hehlerei von stark nachgefragtem Diebesgut wie Bauholz, Zement und Kohlen andere Einnahmequellen.

Die genaue Rekonstruktion der Tatnacht, in der VP-Meister Berthold (Conrad Peterhansel) gegen 1 Uhr zum wiederholten Male die Einhaltung der Sperrstunde durchsetzen musste, bringt die Ermittler auf eine neue Spur. Es stellt sich auch durch Blutspuren am Tresen der „Rumpelkammer“ (Bigalke), die noch nach zehn Jahre entdeckt und ausgewertet werden können, heraus, dass Bruno Krüger zwar gewaltsam starb, aber nicht ermordet worden ist…

„Der Tote im Fließ“, am 4. Juni 1972 Fernsehen der DDR erstausgestrahlt, ist die sechste Folge der Adlershofer Krimireihe „Polizeiruf 110“. Sie wurde im Februar und März 1972 in Sorno, Kreis Senftenberg, gedreht und damit in einem Dorf, das dem Tagebau Sedlitz weichen musste. Diese konkrete Lokalisierung im Lausitzer Braunkohlerevier ist ungewöhnlich, zumal auch die in der DDR lange Zeit tabuisierten Folgen des Abbaus für die dort lebenden – und letztlich vertriebenen – Menschen thematisiert werden.

Bemerkenswert, dass der aus Bautzen stammende Konrad Herrmann im gleichen Jahr 1972 in seiner Kurz-Doku „Struga - Bilder einer Landschaft“ die Bedrohung des sorbischen Lebens durch den Braunkohleabbau und die Zerstörung der Heidelandschaft rund um das Dorf Schleife aufgezeigt hat. Was kein Widerspruch zur offiziellen Tabuisierung des Themas ist: Sein Abschlussfilm für das Regiediplom an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg war zum 60-jährigen Bestehen des sorbisch-wendischen Dachverbandes Domowina entstanden und feierte auf dessen Jubiläumsfeier in Bautzen Premiere. Obwohl „Struga“ nicht verboten war, konnte der 23-minütige Film in der DDR nur noch einmal im Rahmen des Studentenprogramms beim Leipziger Dokfilmfestival gezeigt werden.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Dramaturgie

Bauten

Requisite

Kostüme

Schnitt

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
65 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 15.05.1972, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Der Tote im Fließ

Fassungen

Original

Länge:
65 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 15.05.1972, DDR-TV