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Dokumentarisches Portrait: Isolde ist eine junge und selbstbewusste Frau und hat in Berlin Landwirtschaft studiert. Zusammen mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn lebt sie in Hennickendorf im Kreis Luckenwalde. Sie ist Abteilungsleiterin für Melioration und Beregnung in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft und zudem Abgeordnete im Kreistag. Isolde ist oft im Zwiespalt zwischen ihren persönlichen Überzeugungen und den starren politischen Strukturen in der DDR, und immer wieder wagt sie den Versuch, etwas zu verändern.
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Unweit ihres Elternhauses ist sie nun als „Abteilungsleiter für Beregnung und Melioration“ (in der DDR waren alle Berufsbezeichnungen männlich) der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Pflanzenproduktion Hennickendorf u.a. für die Bewässerung der Felder, die Funktionstüchtigkeit von Wehren und Bewässerungsanlagen sowie grundsätzlich für die Verbesserung des märkischen Sandbodens zuständig.
Aber auch für die Umwandlung von Brachland in Ackerflächen. Gerade wird, nach entsprechender Entwässerung, ein neues, 20 Hektar großes Areal mit Tiefpflügen für den Kartoffelanbau vorbereitet. Mit dem LPG-Vorsitzenden bespricht sie Arbeitspläne, aber auch die Eingrünung neugestalteter Flächen. Eigentlich ein Bürojob, aber sie kommt viel herum im Bezirk, hat ständig Gummistiefel dabei.
Und sitzt mit am Tisch, wenn für ihr Verständnis viel zu detailreiche Jahrespläne der 5.000 Hektar umfassenden LPG beschlossen werden etwa zum Rüben- oder Kartoffelanbau, welche später auf Bezirksebene und weiter höherenorts abgesegnet werden müssen. Isolde, die mit zweitem Vornamen Rosel heißt wie ihre Mutter und schon in der Schule so gerufen wurde, beklagt das zu geringe Mitspracherecht der LPG-Mitglieder an den eigenen Plänen.
Mensch und Natur, Ideal und Wirklichkeit: Vier Jahre nach ihrem Studium an der Berliner Humboldt-Universität stellt sie ernüchtert eine große Diskrepanz fest. „Ist auf alle Fälle nicht gut, was wir hier machen“: Isolde Sperling sitzt als Abgeordnete im Kreistag von Luckenwalde, wo sie u.a. der Umweltschutz-Kommission angehört. Ist aber machtlos gegen den Umweltfrevel, den „ihre“ Kommission eigentlich verhindern müsste: Weil die Filterflächen überlastet sind, wird Abwasser aus der Stadt in den Wald geleitet.
„Man überlegt sich, was man sagt und was man lieber lässt, was man sich halt nur denkt“: Illusionslos beschreibt Isolde Sperling ihre Position als Umweltpolitikerin. Und gesteht pragmatisches Verhalten entgegen eigener Überzeugung ein: „Man redet immer nur dann offen, wenn man weiß, mit wem man redet, wenn man den kennt.“ Gatte Jürgen, mit dem sie seit zehn Jahren zusammenlebt, schildert, wie Isolde manchmal abends weinend auf dem Sofa sitzt.
Jürgen Sperling ist Berufsmusiker und mit der Band „Drudenfuß“, die Kameramann Christian Lehmann bei einem Jugendclub-Konzert begleitet, häufig an Wochenenden unterwegs. Wofür Isolde viel Verständnis bekundet: Er habe nach der Geburt von Andreas für anderthalb Jahre in der Luckenwalder Produktionsstätte der VEB Deutsche Piano Union Leipzig gearbeitet, um die freien Wochenenden mit der jungen Familie verbringen zu können. Das sei ihm – und damit der Familie – aber nicht gut bekommen.
Mit Bildern aus dem so idyllisch erscheinenden Dorfleben, krähender Hahn und handzahmer Hund, Andreas und sein Spielkamerad Heiko auf der Schaukel vor einem großen Kaminholz-Stapel in der Scheune des Elternhauses, auf dessen Hof gemütliches Kaffeetrinken der Familien Harnack/Sperling, schließt das halbstündige Porträt einer zwar selbstbewussten, sich aber den ökonomischen Zwängen und politischen Realitäten beugenden jungen Frau, die sich einem täglichen Balanceakt aussetzt, um vielleicht doch noch die eine oder andere Entscheidung zu beeinflussen und sich dabei selbst treu zu bleiben. Die Kurzdoku „Haus und Hof“ ist trotz der klaren Worte ihrer Protagonistin am 5. Dezember 1980 im Kino-Begleitprogramm angelaufen.
Pitt Herrmann