Inhalt
Zweiter Teil der siebenteiligen "Wittstock"-Langzeitdokumentation von Volker Koepp über das Leben und die Probleme der Textilverarbeiterinnen im Volkseigenen Betrieb für Obertrikotagen "Ernst Lück" in Wittstock/Dosse: Mittlerweile sind 2000 Mädchen und Frauen im Betrieb angestellt, im Mittelpunkt des Films stehen Edith und Elsbeth, die über das erste Jahr im VEB und ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft sprechen.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Elsbeth „Stupsi“ Wiegand, schon in Volker Koepps Vorläufer-Doku „Mädchen in Wittstock“ eine der Protagonistinnen, hat sich von ihrem zwei Jahre jüngeren Freund getrennt. Weil er gekniffen hat, als sie schwanger geworden ist – und seine Eltern strikt gegen eine Hochzeit waren. Das Kind hätte sie auch allein ausgetragen, was die Leute dazu gesagt hätten, wäre ihr egal gewesen, sie hat es aber verloren.
„Stupsi“ arbeitet jetzt in der Qualitäts-Endkontrolle, was ihr Spaß macht. Sie träumt davon, einmal wegzufahren, nach Bulgarien vielleicht im Urlaub. Und davon, eine „schöne Ehe“ zu führen, auch Kinder zu haben. Sie würde gerne, wenn auch nur für kurze Zeit, der „Eintönigkeit“ Wittstocks und der märkischen Dörfer drumherum entfliehen: „Kino oder Disco, was anderes kann man hier nicht machen.“
„In einer Nachtschicht November 1975“, so der Zwischentitel, folgen Koepp und sein Kameramann Christian Lehmann der um 21.50 Uhr beginnenden Jugendschicht der Näherinnen in der Konfektion. „Man kann die Leute suchen, die einem die volle Wahrheit ins Gesicht sagen. Ich hab' immer die Wahrheit gesagt, ich war immer das schwarze Schaf“: Edith Rupp war bis vor kurzem Bandleiterin und ist jetzt wieder Näherin. Sie hat die Leitung kritisiert, welche der Jugendbrigade fehlende Normerfüllung vorgeworfen hat.
Dabei liegen die Probleme Ediths Ansicht nach nicht daran, dass noch zu viel „rumgegammelt“ wird, was gar nicht bestritten wird, sondern in arbeitsvorbereitenden Bereichen wie der Strickerei. Erst nach drei Aussprachen ohne die Betriebs-Gewerkschafts-Leitung ist die Zwangsversetzung durch Intervention der BGL zurückgenommen worden, aber als Bandleiterin will Edith nicht mehr arbeiten. Die frisch gewählte Parteigruppenorganisatorin hofft nun, sich effektiver für die Probleme der Kolleginnen einsetzen zu können.
Der namentlich nicht genannte Parteisekretär räumt „viele Leitungsprobleme“ ein – bei der Disziplin der Mitarbeiter und nicht zuletzt auch bei der Produktqualität. Es mangelt auf der oberen und auf der mittleren Ebene an Erfahrung: drei Direktoren im Betrieb sind erst 28 Jahre alt und die Meister oft nur ein, zwei Jahre älter als die Kolleginnen in der Schicht. Volker Koepp erläutert aus dem Off: In Wittstock gibt es kaum Meister oder Facharbeiter mit langjähriger Erfahrung, die jungen Leute müssen selbst zurechtkommen. Was Bärbel Tägder bestätigt. Sie hat erst im Februar 1975 ausgelernt und ist nun bereits, mit Hilfe von Sabine Simnoßek, als Lehrausbilderin tätig.
„Zwischenaufenthalt in Blandikow“. Die Schwestern Bärbel (18) und Edeltraut (20) Tägder wohnen bei ihren Eltern in Blandikow, neun Kilometer von Wittstock entfernt. Der Werksbus bringt sie täglich zur Schicht, ein Umzug in die 10.000-Einwohner-Stadt kommt für beide nicht infrage: das Leben auf dem Dorf in der Familie ist ruhig und Wittstock bietet auch keine zusätzlichen Freizeitmöglichkeiten. Sie haben feste Freunde, wollen in ein oder zwei Jahren heiraten. Zumindest Bärbel hat Ambitionen auf eine Fortbildung zum Meister.
Die 22-minütige Kurz-Doku „Wieder in Wittstock“ von Wolfgang Geier (Buch) und Volker Koepp (Buch und Regie) ist am 17. September 1976 im Kino-Begleitprogramm angelaufen. Die Produktion des Defa-Studios für Dokumentarfilme knüpft an „Mädchen in Wittstock“ (1975) an als intern „Wittstock II“ genannter Part der siebenteiligen Langzeitdokumentation Volker Koepps, die bis in die 1990er Jahre führt. Auch hier nehmen weder die jungen Arbeiterinnen noch der Parteisekretär ein Blatt vor den Mund: Wieder geht es um Wünsche und Hoffnungen, aber auch um die Probleme im neuen, immer noch im Aufbau befindlichen Werk - und erstmals auch um Privates außerhalb des Betriebsalltags.
Kameramann Christian Lehmann ist auf der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1976 mit einem „Diplom für Einzelleistung“ ausgezeichnet worden.
Pitt Herrmann