Die Frau und der Fremde

DDR 1984 Spielfilm

Inhalt

Karl und Richard sind Kriegsgefangene in Russland im Ersten Weltkrieg. Sie sehnen sich nach Hause, träumen und leiden. Richard erzählt Karl in dieser Zeit alles über seine Frau Anna. So wird Anna in Karls Phantasie zu seiner eigenen heimlichen Geliebten. Als Karl durch einen Zufall allein aus der Gefangenschaft entfliehen und nach Deutschland zurückkehren kann, gibt er sich bei Anna als Richard aus. Obwohl Anna weiß, dass der Fremde nicht ihr Mann ist, nimmt sie ihn an, findet Liebe und Zärtlichkeit für ihn und mit ihm. Beide halten Richard für tot – und wollen ihn auch für tot halten. Am Ende des Kriegs kehrt auch Richard zurück. Doch Anna entscheidet sich für Karl, von dem sie ein Kind erwartet.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Erster Weltkrieg. In Gesang und Kitsch-Bildnissen, aber auch in zumeist von Kindern mit heißem Herzen durchgeführten Sammel- und Spendenaktionen für die Frontkämpfer wird der Heldentot für Gott und Vaterland verklärt, werden die Führer des Reiches mit eilig aufgestellten Standbildern verherrlicht. Aber immer häufiger muss es der pickelhaubige Gendarm dulden, dass eine Frau laut schreiend mit einem Telegramm der „Nachrichtenstelle“ in der Hand über den Marktplatz läuft und das dortige vaterländische Zeremoniell unter den schwarz-weiß-roten Bannern als Lüge entlarvt.

Karl und Richard sind Kriegsgefangene der Russen, müssen mitten in der Steppe Gräben ausheben, überwacht von einem ab und zu bedrohlich im Tiefflug über ihre Köpfe hinwegsausenden Flugzeug. Nur einmal in der Woche können sie von ihrem einsamen Außenposten ins Lager zurückkehren, um Proviant zu fassen und ihre Zigaretten-Ration in Empfang zu nehmen. „Alle Männer unter den Röcken ihrer Frauen – und der Krieg hätte nicht stattgefunden“: In dieser Einsamkeit geschätzte eintausend Kilometer von der Heimat entfernt kreisen ihre Gespräche um die Sinnlosigkeit des Krieges und die Lieben daheim. Karl erzählt immer wieder und in allen Einzelheiten von seiner jungen Frau Anna, sodass diese für Richard keine ihm völlig Unbekannte mehr ist.

Der kann sich bis nach Deutschland durchschlagen - zu Anna, als deren Gatte sich Richard ausgibt, welcher offiziell bereits vor Jahren für tot erklärt worden ist. Anna ist verwirrt, über wie viele intime Kenntnisse dieser angebliche Karl, der sich sogleich mit amtlichen Papieren versorgt und eine lukrative Arbeit in einem Rüstungsbetrieb erhält, verfügt, spürt aber instinktiv, dass dieser Fremde ihr Gatte nicht ist. Dennoch darf Richard bleiben – offiziell als ihr aus dem Krieg heimgekehrter Ehepartner, schließlich auch als ihr Mann. Denn die junge, lebenshungrige, liebesbedürftige Anna bekommt hautnah zu spüren, wie es ihren Leidensgenossinnen in der Nachbarschaft geht, wo aus der Not geboren neue familiäre Konstellationen entstehen.

Da ist zum einen Marie, Annas beste Freundin. Sie ist noch ledig – und hat kaum Aussichten auf einen Mann in ihrem Alter, denn die sind alle an der Front. Oder kommen als physische wie psychische Krüppel zurück. Und die Meldungen von der „Nachrichtenstelle“ sind alles andere als ermutigend. Da ist zum anderen Trude, die es als Alleinerziehende zweier Kinder nicht mehr ausgehalten hat ohne Mann – und seit geraumer Zeit mit einem anderen zusammenlebt, von dem sie inzwischen ein Baby hat. Plötzlich und nach so langer Zeit völlig unerwartet steht ihr Gatte in der Tür – und kehrt schnurstracks in den mörderischen Grabenkrieg zurück.

Trautes Heim, Glück allein: Während Anna und „Karl“ bei selbst erlegtem Hasenbraten unter der neuen Tischuhr sitzen, wird ein Brief durch den Wohnungstürschlitz geworfen: Karl lebt, ist zwischen die Fronten des russischen Bürgerkriegs geraten und nun, irgendwo im asiatischen Teil des Landes, Gefangener der „Weißen“. Was tun? Richard beichtet und Anna, die inzwischen ein Kind unter dem Herzen trägt, hofft auf eine Art familiäres Waffenstillstandsabkommen. Das dann wenig später, als Karl tatsächlich nach Hause kommt, doch anders aussieht als erhofft: Richard und die schwangere Anna lassen Karl in der Wohnung allein zurück am für zwei Personen gedeckten Abendbrottisch...

Nach Leonhard Franks 1926 bei Propyläen in Berlin erschienener Erzählung „Karl und Anna“, die stark an Wolfgang Borcherts Drama „Draußen vor der Tür“ erinnert, hat Rainer Simon einen bewegenden Film gedreht, der auf der 35. Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde – übrigens als einziger Defa-Film (bei „Solo Sunny“ gab es „nur“ einen Silbernen Bären für Renate Krößner). Obwohl der zwischen farbigen und mit Sepia eingefärbten Bildern wechselnde Film nur wenige Monate in der DDR gezeigt werden konnte nach Problemen mit den Rechteinhabern der Vorlage gab es beim 4. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt gleich fünf Preise, darunter für Kathrin Waligura den als beste Nachwuchsdarstellerin.

Simon und Kameramann Roland Dressel sind nachhaltig beeindruckende Bilder gelungen, die ohne melodramatische Gesten, ja häufig fast ohne ein gesprochenes Wort auskommen. Was nicht zuletzt einem großartigen Ensemble zu verdanken ist. „Die Frau und der Fremde“ ist ein Anti-Kriegs-Film der leisen Töne trotz der naturgemäß großen Emotionen bei diesem Stoff von fast antiker Tragik. Er steht damit in der Tradition großer Defa-Filme, für die nicht nur, aber vor allem ein Name steht: der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase („Ich war neunzehn“, „Mama, ich lebe“, „Der Aufenthalt“), der auf der 60. Berlinale mit dem „Goldenen Bären“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Drehbuch

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Standfotos

Bauten

Requisite

Kostüme

Schnitt

Produktionsleitung

Länge:
2669 m, 97 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.01.1985, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Die Frau und der Fremde

Fassungen

Original

Länge:
2669 m, 97 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.01.1985, Berlin, International

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1986
  • Bestes Szenenbild
  • Beste Filmmusik (ex aequo >Das Haus am Fluß<)
  • Beste Kamera
  • Beste Nachwuchsdarstellerin
  • Beste Regie
IFF Berlin 1985
  • Goldener Bär