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Kurzfilm um den Berliner Bär, der "seine" Stadt verlässt und von zwei Russinnen als Chauffeur angestellt wird. Außerdem mit von der Partie bei der Reise ans Meer: ein Weihnachtsmann, der Weihnachten nicht leiden kann sowie eine vietnamesische Familie.
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Nun sitzt der Bär, die Kopfmaske abgenommen und sorgsam angeschnallt, hinterm Steuer der Familienkutsche, die er nach Norden lenkt. 1992 ist Deutschland einig Vaterland, die Zonengrenze Geschichte. Warum es der Schriftstellerin gerade diese Werbefigur angetan hat, erklärt Anna in beinahe akzentfreiem Deutsch so: „Weil wir in Russland die Bären verehren.“ An einer Autobahntanke gibt’s Sprit fürs Fahrzeug und heiße Getränke für die Insassen. Ein neuer Mitreisender wird aufgenommen: ein Weihnachtsmann, der partout seine Maske nicht lüften will, dafür aber stets mit einer kleinen Videokamera filmt. Selbstironisch erklärt der Filmemacher als verborgener Darsteller: „Ich will testen, wie lange ich mit der Realität aus zweiter Hand auskommen kann.“
„Go son, go down to the water / And see the women weeping there“: Unterwegs gen Mecklenburg-Vorpommern singen sie „The Weeping Song“ von Nick Cave & The Bad See. Die Gegend abseits der Autobahn ist düsterer geworden, Autowracks säumen in den ersten Jahren nach der Wende die Chaussee. Eine vietnamesische Familie wird aufgenommen, Platz bietet der Wagen genug. Und unter einer Brücke machen sie Station bei Kroaten, die sich am offenen Feuer wärmen. Als die Ostseeküste erreicht ist, geht’s für das ursprüngliche Quartett nicht weiter. Während die Vietnamesen eine Fähre mit unbekanntem Ziel besteigen, steigen die Vier auf Rügen die malerischen Kreidefelsen hinab zum steinigen Strand, wo – Achtung: Filmtitel! – Arisha einen steinernen Ring findet.
Nach philosophischen Bemerkungen über die Individualität allen Daseins und insbesondere der Menschen verabschiedet sich der Weihnachtsmann. An einer kleinen Bahnstation steigt der Bär in einen Vorortzug. Die beiden „russischen Damen“ aber setzen ihre Autofahrt fort: Noch sind zwanzig Seiten des Romans zu schreiben…
„Ein Mann verdingt sich in Berlin erst als Bär, dann als Chauffeur zweier russischer Damen“: Solchermaßen charakterisierte das Berliner Szenemagazin „tip“ den knapp halbstündigen Kurz-Spielfilm vor seiner deutschen Erst-Ausstrahlung Ende Dezember 1995 im ZDF. In dem Wim Wenders zu den mit subjektiver Kamera gedrehten Road-Movie-Bildern Jürgen Jürges‘ seine Motive zu einer kleinen, anrührenden und märchenhaften multikulturellen Geschichte gebündelt hat, die nicht nur im nachmittäglichen TV-Kinderprogramm Bestand hat. Uraufgeführt wurde diese dem Schlüsselbildanimationskünstler und späteren Schauspieler Kazuko Shibata („Lost in Translation“) gewidmete Auftragsproduktion für ein japanisches Automuseum dann auch am 21. Dezember 1992 beim Tokyo Int. Film Festival, die Europäische Erstaufführung fand im November 1994 beim Int. Filmfestival Stockholm statt.
Wim Wenders: „Der Film war eine Auftragsarbeit für ein japanisches Automuseum. Dort sah man den Film mit sechs Gerüchen (!) und auf Autositzen, die sich in die Kurve legten und auf Kopfsteinpflaster rüttelten. Aber dieser kleine Film hat einem großen das Leben gerettet: ‚In weiter Ferne, so nah!‘ hätte nicht zu Ende gedreht werden können, aus Geldmangel, wenn sich nicht plötzlich wie ein Wunder diese Möglichkeit eröffnet hätte, mit demselben Team diesen Kurzfilm einzuschieben. So haben wir dann die letzte Drehwoche von ‚In weiter Ferne, so nah!‘ finanziert.
Pitt Herrmann