Inhalt
Dokumentarfilm über ein wenig beleuchtetes Thema der deutschen Geschichte: Porträtiert werden sechs lesbische Frauen, die einen (Groß-)Teil ihres Lebens in kleinen und großen Städten der DDR verbracht haben. Die Frauen mit ihren ganz unterschiedlichen Biografien berichten von einem Alltag, der geprägt war vom Kampf um Selbstbestimmung, dem Zwang sich anzupassen oder zu verstecken, Unterdrückung durch den Staat und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Gleichzeitig erfährt man aber auch von innigen Liebesgeschichten, Ideenreichtum bei der Familienplanung und dem Zusammenhalt in der lesbischen Szene.
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Sie berichten in geradezu frappierender Offenheit von ihrem damaligen Lebensalltag, der nicht zuletzt geprägt war von ständiger Überwachung durch die Staatssicherheit mit häufigen Vorladungen: Allein Carolas Akte, die sie nach der Wiedervereinigung einsehen konnte, umfasst 220 Seiten. Es sind sehr emotionale Erzählungen vom omnipräsenten Gefühl der Einsamkeit unter dem Zwang zur gesellschaftlichen Konformität in einem repressiven Staat.
Christiane ist 1953 in eine Berliner Großfamilie geboren worden, die durch den Mauerbau 1961 so geteilt war wie das Land. Nur als Junge verkleidet konnte sie in Friedrichshain in einem Boxverein trainieren. Sie lebte mit zwei Männern zusammen, gebar eine Tochter und kam erst durch ihren schwulen Bruder mit der „Szene“ in Berührung. Bald führte sie an der Buschallee eine geheime Bar und organisierte in Privaträumen ein Sonntagscafe für Lesben und Schwule, in der DDR als „Zusammenrottung“ verboten. Den nach der Wende daraus entstandenen Sonntagsclub gibts seit vierzig Jahren an der Greifenhagener Straße im Prenzlauer Berg. Heute führt Christiane einen Kiezladen an der Dunckerstraße im gleichen Bezirk.
Carola ist Anfang 1966 in Dresden geboren und lebt nun mit ihren beiden Hunden an der Ostsee. Nach schlimmen Kindheitserlebnissen mit verständnislosen Eltern hat sie als 16-Jährige im Internat eine 23-jährige Lehrerin verführt, die daraufhin verurteilt wurde. Sie selbst kam in die Psychiatrie, wurde aber durch eine andere Lehrerin dort herausgeholt. Froh, dem „Tal der Ahnungslosen“ ohne West-Empfang entkommen zu sein, begann Carola in Ost-Berlin ein neues Leben in einer Bibliothek. In der Gethsemane-Kirche lernte sie Christiane und Pat kennen und bereitete mit ihnen die Montagsdemonstrationen vor.
Pat ist in Stralsund aufgewachsen, hat später in Rostock gelebt. Nach dem Abi an der Polytechnischen Oberschule hat sie 1975 ein Medizinstudium begonnen, das sie aber nach drei Semestern abbrach, um eine in Naumburg lebende Patientin, die zu ihrer Lebensgefährtin wurde, zu pflegen. Beide wollten ein Kind, das Pat dann mit Hilfe eines Freundes bekommen hat.
Elke ist in einem Lehrer-Elternhaus aufgewachsen und wollte nach dem Abitur an einer Erweiterten Oberschule ebenfalls Lehrerin werden. Sie ist als 21-Jährige aus idealistischen Gründen als Erzieherin an einen der berüchtigten Jugendwerkhöfe gegangen und hat dort mit einem 17-jährigen Mädchen eine heimliche Beziehung begonnen. Nach ihrer Verurteilung ist Elke nach Berlin gegangen, hat dort mit einer Zufallsbekanntschaft eine Tochter gezeugt, der sie nun, inzwischen selbst Mutter, ihre Vergangenheit offenbart – vor Ort. Elke führt seit der Wende ein Frauenzentrum in Berlin.
Gisela ist in einem vom Braunkohle-Abbau bedrohten Dorf aufgewachsen und hat als 18-Jährige erstmals von männlicher Homosexualität erfahren. In die Stadt umgezogen hat sie geheiratet und einen Sohn geboren. Auf einem Ausflug lernte sie Sabine kennen, der seit ihrem 16. Lebensjahr klar war, dass sie nur an Mädchen interessiert ist. Seit Giselas Scheidung leben beide zusammen als zwei Mütter des Sohnes, haben mit eigenen Händen ein Haus gebaut und sich in der Kirchengemeinde engagiert u.a. bei der Organisation der Montagsdemos in Aschersleben. Nachdem sie 43 Jahre „verpartnert“ sind, können Gisela und Sabine endlich ganz offiziell heiraten.
„Uferfrauen“ zeigt das Leben am (privaten) Rand der Gesellschaft, immer im persönlichen Zwiespalt, ins kalte Wasser zu springen oder am sicheren Ufer zu bleiben. Und thematisiert zugleich in großer Offenheit die häufig von Niederlagen geprägte Suche nach dem persönlichen (Liebes-) Glück der Protagonistinnen. Die im Wechsel geschnittenen Gespräche Barbara Wallbrauns mit den Frauen werden ergänzt durch schwarz-weiße Graphiken und Animationen von Gitte Hellwig und Lisa Neubauer, die einerseits Stimmungen aufgreifen und andererseits den zeitgeschichtlichen Hintergrund illustrieren. Auf den Hamburger Publikumspreis folgte 2020 der Publikumspreis Langfilm des Festivals Queer-Streifen in Regensburg.
Pitt Herrmann