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Karl Lehmann ist glücklich verheiratet. Da hat er einen merkwürdigen Traum: Seine unverheiratete Kollegin Brigitte Schmidt kommt mit einer ungewöhnlichen Bitte auf ihn zu. Sie möchte ein Kind von ihm und bekommt es auch. Zur gleichen Zeit bekommt Lehmanns Frau Inge ein Baby. Was im wirklichen Leben kaum gelingen könnte, darf geträumt werden. Beide Mütter mögen sich und einigen sich, dass Lehmann im Wechsel eine Woche bei Frau Schmidt und eine Woche bei seiner Frau Inge lebt. Schwierig wird es für Karl Lehmann, als er sich auch in der Realität in seine Kollegin Brigitte Schmidt verliebt.
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Doch Frau Schmidt, die glücklich geschieden ist und von den Männern die Nase voll hat, wie sie dem betrunkenen, ihr ganz offen nachstellenden Kollegen Hans Beyer klar macht, der sich ebenfalls von ihr verarzten lässt, ist an einem Seitensprung nicht interessiert. Sie möchte keine Beziehungskiste, sondern ein Kind von Karl - und bekommt es auch. Parallel dazu hat Kaufhallen-Leiterin Inge ihre Antibaby-Pillen vernichtet und in paradiesischer Nacktheit ihren Gatten verführt. Mit den erwünschten Folgen: Tochter Carola bekommt einen Bruder oder eine Schwester. „Mich hats erwischt!“: Nachdem Karl sich als fensterlnder Fremdgänger geoutet hat, setzt Inge ihn vor die Tür. Und weil er auch bei Brigitte abblitzt, muss er ins Gartenhaus ziehen – und verwahrlost zusehends. Was seinem Chef Walburg nicht verborgen bleibt und auch auf der Gewerkschaftsversammlung negativ auffällt: Karl hat sich nicht vorbereitet. Weshalb dieser erst einmal aus dem Verkehr gezogen und auf Urlaub geschickt wird.
Beide „Rivalinnen“ treffen sich im Mitropa-Cafe – und schließen Freundschaft. Ja mehr noch, sie kümmern sich beide rührend um den plötzlich hereinplatzenden Vater ihrer Kinder zur nicht geringen Überraschung der „Markt“-Wirtin Maria. Beide Mütter liegen in der Geburtsklinik in einem Zimmer – und einigen sich darauf, dass Karl im wöchentlichen Wechsel bei Inge und Carola sowie bei Frau Schmidt lebt. Was in dem kleinen Ort nicht lange verborgen bleibt: Während die schon ältere Stationsschwester der Geburtsklinik die Welt nicht mehr versteht, der Abschnitts-Bevollmächtigte Probleme beim Pass- und Meldewesen sieht und sich Carolas Lehrerin, Fräulein Fröhlich, über diese „Vielweiberei“ aufregt, gesteht Nachbar Otto, Vergleichbares in der Kreisstadt laufen zu haben – kein Wunder angesichts der Xanthippe von Gattin.
Nachdem Brigitte Schmidt gleich Zwillinge zur Welt gebracht hat, bedarf es eines auffallend großen Kinderwagens, der für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgt, wenn zwei Frauen mit drei Babys in bestem Einvernehmen durch die Grünanlage spazieren. Einvernehmlich soll auch das Finanzielle geregelt werden: die Ärztin verzichtet auf die gesetzlichen Unterhaltszahlungen. Was in der DDR freilich nicht möglich ist, wie ihr der Standesbeamte (Rolf Ludwig) klar zu machen versucht. Der auch sonst einen Berg bürokratischer Probleme vor Augen sieht bei einer Konstellation, an der „Stella“-Autor Johann Wolfgang von Goethe seine Freude gehabt hätte. Als Brigitte Schmidt mit Hans Beyer zusammenzieht, der sich von seiner Gattin scheiden lässt, und auch noch Brigittes „Ex“ Manuel Schmidt, ein lebenserfahrener „Pinselheini“, auftaucht und sich in Inge verliebt, dreht sich ein Liebeskarussell, das ganz Rosenburg in Atem hält.
Der mittlerweile vierfache Vater Karl Lehmann ist als VEB-Produktionsleiter geschasst worden und lässt sich von einem Schornsteinfegermeister umschulen. Keine leichte Aufgabe bei seiner akuten Höhenangst. Sodom und Gomorrha? Die Richterin blickt nicht mehr durch. Und schon gar nicht, als sich beide Parteien beim Scheidungstermin Lehmann völlig darin einig sind, sich nicht scheiden zu lassen. Sondern im Gegenteil in einer ständig erweiterten Großfamilie (über-) leben zu wollen. Das ideologisch unbedenkliche Fazit der Juristin: „In unserem Staat sind alle Frauen gleichberechtigt.“
Das Schlusswort aber gehört der Lehmann-Tochter Carola, die in Roland Oehmes Kinoadaption des gleichnamigen Hörspiels von Joachim Brehmer, 1976 vom der Rundfunk der DDR gesendet und 1982 vom Reclam Verlag Leipzig zusammen mit vierzehn anderen unter dem Titel „Brot und Salz“ herausgebracht, die Rolle der Ich-Erzählerin einnimmt: „Onkel Manni, zu dem ich jetzt auch Papi sagen soll“ stellt sie den Neuen an der Seite ihrer Mutter vor beim märchenhaft anmutenden Happening im Dornröschenschloss hoch über Rosenburg.
Die an Arthur Schnitzlers „Reigen“ erinnernde märchenhafte Traumvision ist in der zeitgenössischen DDR-Kritik nicht gut angekommen. So schreibt Günter Agde im populären „Filmspiegel“ (6/1985): „Kein anderer als Friedrich Engels maß den gesellschaftlichen Fortschritt am Verhältnis zur Frau, und kein anderer als ebenderselbe Engels meinte auch, daß sich künftige Generationen die moralischen Normen und Regeln ihres Zusammenlebens selbst wählen und schaffen werden. Der Film lädt auch ein, in solche Richtung zu denken und zu träumen. So sehr ich mit dem Grundgedanken des Films sympathisiere, so sehr bedaure ich, daß er weithin bieder und selbstgenügsam in der Ausführung bleibt, recht betulich in der Erzählweise, ziemlich unentschieden zwischen Märchen, Lustspiel und Komödie pendelt. Die handwerkliche Solidität, über die Oehme ohne Zweifel verfügt, reift nicht zu Hochglanz und Brillanz: Pointen verkleckern, Gags wiederholen sich, auch Längen finden sich.“
Natürlich geht selbstbestimmte Vielweiberei auch im angeblich frauenemanzipierten sozialistischen Deutschland nicht. Weshalb Oehme das Märchenmotiv des Dornröschen-Schlosses wie einen Rahmen gesetzt hat: Zu Beginn küsst Karl die bis auf die Brille auf der Nase nackte Brigitte („Ich warte schon hundert Jahre“) hoch über Rosenburg wach. Und am Ende trifft sich die auch noch um Maria ergänzte vielköpfige Großfamilie Lehmann/Schmidt/Beyer am gleichen Ort zu einem blumenbekränzten Happening mit Essen, Trinken und Tanzen. Bürgerliche Nachfahren der Hippie-Bewegung aus den 1960er und 1970er Jahren? Erinnert sei an Ulrich Plenzdorf, der 1972 seinen drei Jahre zuvor als Filmszenarium für die Defa entstandenen Text „Die neuen Leiden des jungen W.“ gleichzeitig als Roman und Bühnenstück herausbrachte. Und 1973 das Drehbuch schrieb zu Heiner Carows Defa-Blockbuster „Die Legende von Paul und Paula“, das er sechs Jahre später zum Roman „Legende vom Glück ohne Ende“ ausbaute. In dieser Tradition sehe ich „Meine Frau Inge und meine Frau Schmidt“, eine erstaunlich locker-flockige Komödie, die viel nackte Haut in Orwocolor auf die Leinwand bringt und mit der defekten Drehtür in Marias Markt-Cafe über einen tollen running gag verfügt.
Pitt Herrmann