Herzstück des Festivals ist der Wettbewerb, in dem 16 Filme – zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilme – gegeneinander antreten. "Neben Filmen, die sich mit aktuellen politischen Themen auseinandersetzen, gibt es 2019 auffällig viele Filme, die von Generationskonflikten erzählen", verrät Festivalleiterin Heleen Gerritsen. "30 Jahre nach dem Mauerfall haben die Menschen, je nachdem in welchem System sie aufgewachsen sind, unterschiedliche Erwartungen vom Leben. Auch in Teona Mitevskas Eröffnungsfilm 'God Exists, Her Name Is Petrunya' wird dieser Generationskonflikt deutlich."
Unter den 16 Wettbewerbsbeiträgen feiern zehn Filme bei goEast ihre Deutschlandpremiere, daneben wird es zwei Internationale Premieren und eine Weltpremiere geben. Über die Vergabe der Preise entscheidet die internationale Jury. Es geht um die Goldene Lilie für den Besten Film (10.000 Euro), den Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie (7.500 Euro) und den Preis für kulturelle Vielfalt (4.000), der vom Auswärtigen Amt ausgelobt wird. Den Jury-Vorsitz übernimmt 2019 die vielfach preisgekrönte mazedonische Regisseurin Teona Strugar Mitevska, die auch für den Eröffnungsfilm verantwortlich zeichnet. Mit Magdalena Żelasko, Gründerin und Leiterin des Wiener LET'S CEE Filmfestivals, und Stjepan Hundić, Gründer und Leiter des Fantastic Zagreb Film Festivals, erhält sie Unterstützung aus dem europäischen Festivalkosmos. Daneben gehört die Arthouse-Produzentin Anna Katchko zur Wettbewerbsjury. Außerdem ist die FIPRESCI mit einer eigenen Jury vertreten und zeichnet jeweils den besten Spiel- und den besten Dokumentarfilm mit dem Preis der Internationalen Filmkritik aus.
Der goEast Wettbewerb zeigt einen vielfältigen und anspruchsvollen Querschnitt des mittel- und osteuropäischen Filmschaffens. Der Dokumentarfilm "Strip and War" (Belarus, Polen 2019) von East-West Talent Lab-Alumnus Andrei Kutsila, der bei goEast seine Weltpremiere feiert, offenbart den Clash der Generationen zwischen einem Kriegsveteranen und dessen als Stripper arbeitenden Enkelsohn und spiegelt dabei die belarussische Gesellschaft wider. Der tschechische Debütfilm "Moments" ("Chvilky", Tschechien, Slowakei 2018) von Beata Parkanová stellt eine junge Frau ins Zentrum, die sich durch das Dickicht von Erwartungen und Ansprüchen innerhalb der drei Generationen ihrer Familie einen eigenen Weg bahnen muss. In seinem Coming-of-Age Drama "Acid" ("Kislota", Russland 2018) wirft der Regisseur und Schauspieler des Gogol Centers um Kirill Serebrennikov, Alexander Gorchilin, sein Publikum mit voller Wucht in das wilde Leben einer desillusionierten jungen Moskauer Clique und mitten hinein in die Grabenkämpfe zwischen den Generationen.
Publikum mit voller Wucht in das wilde Leben einer desillusionierten jungen Moskauer Clique und mitten hinein in die Grabenkämpfe zwischen den Generationen. Die bittersüße Geschichte einer kasachischen Familie erzählt Adilkhan Yerzhanov, der 2013 mit seinem Debütfilm zum ersten Mal bei goEast zu Gast war, in "The Gentle Indifference oft he World" ("Laskovoe Bezrazlichie Mira", Kasachstan, Frankreich 2018) als Mafia-Tragikomödie à la Camus. Ein aufrüttelndes Emanzipationsdrama aus der Plattenbausiedlung der Millionenstadt Baku ist "End of Season" (Deutschland, Aserbaidschan, Georgien 2019) von Elmar Imanov. Auch der Dokumentarfilm "White Mama" ("Belaya Mama", Russland 2018, Regie: Zosya Rodkevich, Evgeniya Ostanina) stellt das ungewöhnliche Schicksal einer Großfamilie in den Mittelpunkt und zeigt mit kompromissloser Ehrlichkeit, was passiert, wenn die psychischen Kräfte einer Mutter nachlassen.
Ena Sendijarevićs Debütfilm "Take Me Somewhere Nice" (Niederlande, Bosnien und Herzegowina 2019) nimmt das Publikum mit auf eine in frischbunten Bildern inszenierte Reise durch Bosnien und zeigt Landschaft und Leute durch die Augen eines Mädchens, das zum ersten Mal seine Wurzeln entdeckt. In "Home Games" ("Domashni Igri", Ukraine, Frankreich, Polen 2018, Regie: Alisa Kovalenko) versucht die junge Ukrainerin Alina, den Kraftakt zwischen einer professionellen Fußballkarriere und ihrer sozial prekären familiären Situation zu schaffen.
Einen Blick hinter die Kulissen der ungarischen Parlamentswahl im vergangenen Jahr gewährt der Polit-Dokumentarfilm "Hungary 2018" (Ungarn, Portugal 2018) von Eszter Hajdú. Auch historische Stoffe aus Mittel- und Osteuropa sind im diesjährigen Wettbewerb vertreten. Mit "Jan Palach" (Tschechien, Slowakei 2018) widmet sich Regisseur Robert Sedláček einer der wichtigsten Figuren des tschechoslowakischen kulturellen Gedächtnisses und der Frage, was einen jungen Menschen dazu bringt, sich aus politischem Protest in Brand zu setzen. "Cold November" ("NËNTOR, FTOHTË", Kosovo, Albanien, Nordmazedonien 2018, Regie: Ismet Sijarina) thematisiert den Krieg in Jugoslawien 1992 in Prishtina und erzählt vom (Über-)Leben in bösen Zeiten. Igor Drljačas Dokumentarfilm "The Stone Speakers" ("Kameni Govornici", Kanada, Bosnien und Herzegowina 2018) lenkt den Blick darauf, was nach Staatsverfall, Systemwechsel und Krieg vom multiethnischen Bosnien-Herzegowina geblieben ist, offenbart groteske Auswüchse des Tourismus und hört den Menschen vor Ort beim Fabulieren zu.
Der experimentelle Naturfilm "Acid Forest" ("RŪGŠTUS MIŠKAS", Litauen 2018) von Rugilė Barzdžiukaitė, die Litauen bei der diesjährigen Biennale in Venedig vertreten wird, nimmt das Publikum mit auf die Kurische Nehrung und fordert mit Endzeitstimmung unsere anthropozentrische Art des Denkens heraus. Mit dem abgedrehten Science-Fiction-Drama "His Master's Voice" ("Az úr Hangja", Ungarn, Kanada 2018) legt der ungarische Kultregisseur Györgi Pálfi eine unorthodoxe und skurrile Stanisław Lem-Adaption vor, die Genregrenzen sprengt.
Die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion hingegen verschwimmen für den Protagonisten in Anca Damians doppelbödigem Noir-Thriller "Moon Hotel Kabul" (Rumänien, Frankreich 2018) um einen Journalisten auf Reportagereise zwischen Kabul und Bukarest. Nachdem die Goldene Lilie 2018 an die estnische Produktion "November" ging, ist die Produktionsfirma Homeless Bob mit Kaur Kokks geheimnisvollem Langfilmdebüt "The Riddle of Jaan Niemand" ("PÕRGU JAAN", Estland 2018) erneut im goEast Wettbewerb vertreten. Kokks Film ist im Estland des 18. Jahrhunderts angesiedelt, die Kamera führte wie in "November" Mart Taniel. Genauso vielfältig wie die Themen sind auch die Blickwinkel und die Filmsprache der diesjährigen Wettbewerbsfilme.
Quelle: www.filmfestival-goeast.de