Emmas Glück

Deutschland 2005/2006 Spielfilm

Vom Liebestod erzählen

Fragen an Sven Taddicken



Katharina Dockhorn, epd Film, Nr. 8, 2006

Wie kamen Sie auf den Stoff?

Durch Wüste Film; die haben mir den Roman "Emmas Glück" ans Herz gelegt. Die Liebesgeschichte von Max und Emma beeindruckte mich sehr - beide haben nichts mehr zu verlieren und können alles riskieren. Eine Chance, nach der sich bestimmt jeder heimlich sehnt. Wir, das heißt die Produzenten, die Autoren und ich, haben aber unterschätzt, was es braucht, um aus dem Roman ein gutes Drehbuch zu machen. Da bewahrheitete sich die Binsenweisheit, dass Film eine eigene Sprache braucht. Bei der Figur der Emma versuchte ich bis in die Inszenierung hinein, mit der Darstellerin Jördis Emmas Sehnsüchte herauszuarbeiten, damit die Figur zugänglich bleibt. Bei der Figur Max war es fast umgekehrt. Als Todgeweihter steht er vor Fragen wie: Was ist jetzt noch wichtig? Was will ich hinterlassen? Diese Gedanken sind sehr erschlagend und allgemein. Deshalb mussten wir erarbeiten, wie Max konkret damit umgeht.

Was bedeutete das für die Dramaturgie?

Der Roman lebt vom inneren Monolog und von Rückblenden. Wir haben erst versucht, beides zu integrieren, aber das wurde zu psychologisierend. Ich wollte wissen, wie und warum sich Emma in Max verliebt und umgekehrt. Also muss ich beide dabei beobachten und brauche im zweiten Akt Wendungen, an denen sich die Liebesgeschichte reibt und entwickelt.

War der Schluss, Max stirbt durch Emmas Hand, so vorgegeben?

Auch der Roman endet so. Beim Film wird man natürlich vor die, in diesem Falle etwas brutalen, Tatsachen gestellt. Mir ging es darum, einen Liebestod zu erzählen. Emma ist auf dem Bauernhof täglich mit dem Tod konfrontiert und hat die mentale Fähigkeit, einen Menschen beim Sterben zu begleiten. Als sie sich entschlossen hat, erlaubt sich der Film etwas Abgehobenes, Märchenhaftes. Es ist etwa biologisch gar nicht möglich, Menschen zu schächten. Max" Entschluss, von ihrer Hand zu sterben, und Emmas Schmerz darüber müssen spürbar werden. Das wäre bei einer anderen, vielleicht realistischeren Variante der Szene nicht möglich gewesen.

Womit wir bei der Frage der Sterbehilfe wären. Welche Position beziehen Sie in der Diskussion?

Das soll von Fall zu Fall entschieden werden, so diffus die Antwort auch klingt. Jeder ist für sein Leben verantwortlich und sollte selbst darüber entscheiden dürfen. Kritisch wird es, wenn jemand das nicht mehr kann. Aus körperlichen oder auch psychologischen Gründen. Ich hoffe, dass dann die Familie und eine ärztliche Betreuung zur Seite steht und eine richtige Entscheidung treffen.



Wie haben Sie die Hauptdarsteller gefunden?

Jürgen Vogel hatte ich schon früh im Kopf. Im Roman wirkt Max, als hätte er sein Leben verschlafen. Jürgen verleiht ihm eine gewisse Aktivität. Jördis Triebel habe ich übers Casting entdeckt. Eigentlich ist sie zu jung, vom Roman her gesehen, wo Emma als Frau um die 40 beschrieben wird. Aber wenn Jördis am Schluss des Films auf der Treppe sitzt, ist noch alles möglich. Das finde ich spannend.

Sind Sie gläubig?

Meine Erziehung war geprägt von den Ideen der späten Achtundsechziger. Ich bin konfessionslos und habe keinen Bezug zur Religion. In der sechsten Klasse habe ich nicht verstanden, wohin meine Mitschüler gingen, wenn sie zum Konfirmandenunterricht mussten. Manchmal bin ich heute ein bisschen neidisch, weil ich nicht genau weiß, ob ich etwas verpasst habe. Die eine oder andere ethische Selbstverständlichkeit habe ich tatsächlich überhaupt nicht im Blut. Und das kann manchmal etwas beängstigend sein.

Welche Beziehung haben Sie zum Leben auf dem Land?

Ich kannte das Landleben vor diesem Film kaum. Ich bin gebürtiger Hamburger und in Oldenburg aufgewachsen. Es kann nur sein, dass meine erste große Liebe, zwischen 16 und 18 Jahren, Einfluss hatte. Das Mädchen lebte auf einem Bauernhof, und die Erinnerungen gaben mir jetzt eine Grundsicherheit für Recherche und Ausstattung. Vielleicht rührt daher ja sogar meine Faszination für den Stoff.


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