Razzia in St.Pauli

Deutschland 1932 Spielfilm

Razzia in St. Pauli



t., Lichtbild-Bühne, Nr. 117, 21.5.1932



In Hamburg, da bin ich gewesen, in Samt und Seide gekleid"t, meinen Namen, den darf ich nennen, denn ich bin ja ein Mädchen für Geld . . .


Der Name ist Gina Falkenberg. Eine große Hoffnung der deutschen Bühne versucht sich im Film. Ihr Pedigree ist erstklassig: Tochter des nachdenklichsten und stilreinsten Theatermannes, der seit langen Jahren das Niveau des Münchener Theaterlebens repräsentiert, hat sie eine unübertreffliche Schule absolviert. Mit 10 Jahren tanzt Gina bereits als Elfe im Sommernachtstraum und lernt ihr geschmeidiges Körperchen zu lockern ….



Vielleicht hätte man für ihr Debüt ein Thema wählen sollen, das ihr besser liegt, als die Ballhaus-Else aus dem Kongokeller in St. Pauli. Die kleine Gina bringt für die Gosse und für den Abschaum so gut wie gar nichts mit. Und die derben Dirnenworte glaubt man ihr einfach nicht. Trotzdem bedeutet es einen starken Gewinn für den deutschen Tonfilm, dieses schlanke, biegsame Geschöpf, von dem ein seltsamer sinnlicher Zauber ausgeht, in seine Reihen gestellt zu haben.



Werner Hochbaum ist ein neuer Mann, der sich als Autor, und Regisseur vorstellt. Er nimmt seine Sache überaus ernst und ist ehrlich bemüht, den Stimmungsgehalt seiner Bilderfolge auszuschöpfen.



Dem Autor möchte man eine straffere Dramatik empfehlen. Geschehnisse, die im Sande verlaufen, Aufwallungen, die durch trostlosen Alltag
erstickt werden, reichen für eine Ballade …


Eine Ballade, wie gesagt, um deren Stimmung man ernst bemüht ist.



Der Regisseur Hochbaum hat sich in erster Linie vor übermäßigen Längen zu hüten. Sein Premieren-Abend hat es ihm bewiesen. Natürlich ist es von größtem Vorteil, wenn ein Regisseur gleichzeitig ein sicheres Urteil über Stoff und Szenario besitzt. Er möge sich aber nicht zuviel zumuten und bei kommenden Arbeiten, die ihm wohl auf Grund seines sehr anerkennenswerten Erstlingswerkes bestimmt anvertraut werden dürften, den Rat erfahrener Dramaturgen einholen.



Neben Gina Falkenberg sehen wir Friedrich Gnass und Wolfgang Zilzer in charakteristischen Unterwelt-Typen. Auch den bekannten Hamburger Volkssänger Charly Wittong hören wir in Hamburger Matrosenliedern. Von dem technischen Stab ist in erster Linie die vorzügliche Photographie von A. O. Weitzenberg zu erwähnen. Dr. Giuseppe Becce bringt den musikalischen Teil zu bester Wirkung. Dies ist um so bemerkenswerter, als der Ton nach Lignose-Breusing aufgenommen wurde und in seiner einwandfreien Qualität ein ausgezeichneter Wertmesser für die vollendete Leistungsfähigkeit dieses Verfahrens ist.



Ein Milieu-Film, der mit starkem Temperament und offenkundiger Begabung geschaffen wurde und für die kommende Produktion des neuen Regisseurs zu den besten Hoffnungen berechtigt.

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