Der Geiger von Florenz

Deutschland 1925/1926 Spielfilm

Der Geiger von Florenz


Kinematograph, Nr. 995, 14.3.1926


Paul Czinner hat in seinem ersten Bergner-Film, in "Nju" bewiesen, daß er den Wirkungen des Kammerspiels zustrebt. Aber er legte bereits damals die Probe ab, daß ihm keinerlei Phantasie eignet, die in "Eifersucht" ganz vertrocknet erschien und die auch diesmal nicht in jener Fülle erblüht, die einem Film zum wahren Leben verhelfen muß. Wie stets, hatte Czinner auch diesmal einen entzückenden Einfall. Er schildert ein junges Mädchen, das seinem Vater in schwärmerischer Verehrung zugetan ist, aber erleben muß, wie der Vater eine zweite Frau heiratet und sich deshalb von seiner Tochter entfremdet. Das junge Mädchen sieht sich verraten und entflieht dem Hause, wandert, eine zweite Mignon, in Knabenkleidern durch Italien und findet endlich den Mann, den sie liebt und der sie im Auto in das Leben, das sie führen möchte, führt. Man sagt sich: Goethe auf dem Sunset Boulevard – an jener Ecke, wo die Paramount-Ateliers stehen. Aber in Hollywood macht man das heute anders.

Der Regisseur Paul Czinner ist nicht allein einer unserer feinsten, sondern auch unserer geistreichsten Köpfe: ihm fehlt nur etwas gestaltende Phantasie. Er sucht diesen Mangel von Gestaltungskraft auszugleichen, den der Zuschauer erfordert. Seine Art, die Objekte in das Bild einzubeziehen und aus dem Gegenspiel seiner Darsteller das Schicksal erwachsen zu lassen, hat manchmal etwas Verblüffendes und deutet an, daß dieser Regisseur nach Überwindung des Ehrgeizes, das Manuskript selbst zu schreiben, eine einwandfreie Regieleistung hinlegen wird. Czinner ist auch heute noch eine große Hoffnung.

Für Berlin bedeutete Elisabeth Bergner eine Sensation. Diese Schauspielerin, die auf der Bühne vor allem durch ihre Stimme wirkt, hat sich, seit "Nju", dem Film und seinen Bedingungen hervorragend angepaßt. Sie ist, was nicht einmal ihre fanatischsten Anhänger bezweifeln werden, keine Filmerscheinung. Es hilft gar nichts, man kommt um die Feststellung nicht herum, daß eine Filmschauspielerin in erster Linie sehr schön sein muß, was man von der Bergner nicht eben behaupten kann. Aber sie gestaltet kraft ihres Intellekts die Rolle, die ihrer Körperlichkeit entgegenkommt, und reift in kurzen Momenten einer filmischen Gestaltung entgegen, die eine große Filmzukunft dieser Schauspielerin verrät.

Es war nicht ohne Pikanterie, dem dämonischen Conrad Veidt in einer Väterrolle zu begegnen. Die Rolle lag ihm ersichtlich nicht, und er fand sich nur durch seine Routine mit ihr ab.

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