Das weite Feld

DDR 1976 Kurz-Dokumentarfilm

Koepps "Landschaftsfilme"


Wolfgang Gersch, Film und Fernsehen, Nr. 5, 1978


Diese Filme tun wohl. Das wird man selten von großen Dokumentarfilmen sagen wollen, denen es in der Welt, wie sie ist, kaum ansteht, das Gemüt mit Wohltaten zu versorgen. Aber das ist schon nicht das gleiche. Im Kurzschließen vom Schönen aufs Ungefähre liegt ein Mißverstehen, dem auch die "Landschaftsfilme" Volker Koepps ausgesetzt scheinen, wenn sie gelegentlich als idyllisch empfunden werden. (…)

Als "Pilotfilm" gibt "Das Weite Feld", 1976 in Leipzig mit einer Silbernen Taube ausgezeichnet, die Absichten umfassend: Situation und Perspektive der Menschen in einem geschichtlich gewordenen, landschaftlich geprägten Raum, den man Heimat nennt. Und gleich zu Beginn wird dieser Begriff aufgebrochen, wenn Louis Fournier, der Südfranzose, ins Bild kommt, der nach der Kriegsgefangenschaft hier blieb, heiratete und ein "deutscher Bauer" wurde: "Das sind auch arme Leute gewesen, die ganze Kriegszeit", sagte er über die Häsener, "und zu Hause hob" ich auch weiter nichts gehabt, da ist es doch egal, wo ich bleiben soll." Und für die Häsener ist der "Schneckenfresser", der er nicht mehr sein konnte, weil die Frau ihm keinen Topf dafür gab, einer von ihnen geworden.

Die Heimat ist weiter als das Dorf, dessen Gemarkungsgrenzen verschwinden, aufgehen in viel größeren Einheiten landwirtschaftlicher Produktion. Sie fahren gern, sagt eine Bäuerin, durch die Landschaft, die "einmalig schön" ist, und ein "bißchen weiter weg", um zu sehen, wie es um die Felder der anderen Genossenschaften bestellt ist. Und sie haben, außer ein paar Alten, die sich nicht trennen können, die Vorwerke verlassen und also auch räumlich Besitz ergriffen von dem einstigen Gutsherrendorf der Eulenburgs.

Geschichte kreuzt sich mit der Gegenwart. Der alte Förster hat"s noch in der Haltung, daß er beim "alten Fürsten" war. Der machte Rosenlieder, die er mit dem Kaiser sang, und ebenso handfeste konservative Politik. Der Adel der Mark Brandenburg: "Von hier aus verpreußte Deutschland vollends", heißt es im Film, der alte Chroniken zitiert über ferne Zeiten und schlimme Zustände und Klassenkämpfe – und ein Gedicht über die ausgepowerten Häsener Landarbeiter von Eulenburgs Enkelin, die Harro von Schulze-Boysen heiratete. 1942 wurde sie als Antifaschistin zum Tode verurteilt.

In unsere schnellen dreißig Jahre weht ein langer Atem. Der Film macht das bewußt wie nebenher, epochale Veränderungen belegend, ohne auf knackige Anschlüsse aus zu sein. Es ist ein feines Gewebe von Geschichtlichem und Heutigem entstanden, das durch eine gelassene, sanft ausschwingende Bildführung getragen wird. Christian Lehmann nimmt die Leute, die vor der Kamera reden, mit schöner Ruhe auf, den ganzen Menschen suchend. Das Dokumentare braucht hier nicht das Verblüffende, das Eilende. Die Frauen auf der Kartoffelkombine: ein Sinnbild unserer Arbeit. Als kurzes Schnittbild ein Bäckerladen im Dorf, ein Weißbeschürzter mit verschränkten Armen unter dem Schild, Altmann oder so. Das ist wie von Atget photographiert. Bilder des Friedens, einer Sehnsucht vielleicht. Jedenfalls lassen sie sich so vom Betrachter aufladen: romantische Landschaften, See im Morgennebel, Buschwerk, Spinnennetz. C. D. F. ohne Mystik. Der Realitätssinn des Films führt an der Idylle vorbei. (…)

Koepp hat das sicher glückliche Naturell, mit den Menschen, die er sich für seine Filme sucht, eins sein zu können. Seine unverkrampfte Zuneigung öffnet ihm den Partner, dem er während des Drehens eher schlichte als herausfordernde Fragen stellt. Falls er überhaupt Fragen stellt. Er läßt die Leute reden, aber er bewahrt sie davor, daß sie eine Sache zerreden. Und andererseits sind sie vor Taktlosigkeiten sicher. Aus diesem Verhältnis rührt wohl auch der Humor der Filme, wie er im Dokumentarbereich selten ist.

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