Hütes-Film
Koepps "Landschaftsfilme"
Wolfgang Gersch, Film und Fernsehen, Nr. 5, 1978
Diese Filme tun wohl. Das wird man selten von großen Dokumentarfilmen sagen wollen, denen es in der Welt, wie sie ist, kaum ansteht, das Gemüt mit Wohltaten zu versorgen. Aber das ist schon nicht das gleiche. Im Kurzschließen vom Schönen aufs Ungefähre liegt ein Mißverstehen, dem auch die "Landschaftsfilme" Volker Koepps ausgesetzt scheinen, wenn sie gelegentlich als idyllisch empfunden werden. Die Dinge zu sehen, wie sie sind, um Bewegung auszulösen – diese Funktion des Dokumentarfilms wird gewöhnlich durch das Abbild unmittelbarer Bewegung wahrgenommen. (…)
In "Hütes-Film" wird die Gangart gewechselt. Die Gegend ist herber, die Leute kommen näher. Sie spielen in Bauerbach Theater oder sehen"s sich gerne an. Christian Lehmann photographiert lakonischer. Die Landschaft, in schönen klaren Einstellungen, wird ferner, der Film geht dichter an die Menschen heran.
"Hütes" sind Klöße, die man im Rhöngebiet nach altem Rezept noch selber macht, und ein Imperativ. Zu bewahren, zu hüten, sagt der Film, sind die ursprünglichen – und in der urbanisierten Welt gefährdeten – Beziehungen: die Bindung zur Natur, das Gemeinschaftliche und Gesellige, der Spaß am Essen, die Freude am Spiel … Aber dafür ist, weil der eine will, was der andere sich leisten kann, nicht mehr viel Zeit übrig, auch für das Theaterspielen nicht, sagt ein Feldbaubrigadier: "Ende der fünfziger Anfang der sechziger Jahre waren die Beteiligung und auch die Begeisterung noch größer, denn da war die Bautätigkeit und der Wohlstand noch nicht so, daß jeder sich so regen und so bauen konnte wie heute."
Das Anrichten der Klöße, das dem Film den Rahmen gibt, hat symbolischen Wert, für den die Abgebildeten selbst stehen, die in mancherlei Tun zu Behütendes wahren. Aber der Film verweilt nicht definitiv, sucht vielmehr die schwierige Balance zwischen Tradition und Aufbruch: Was ist Tugend, was ist Enge? "Ich bin schon ewig hier", sagt ein Zwanzigjähriger. Wenn in "das Weite Feld" die Männer in Erinnerung bleiben – der Bauer, der in die LPG nicht wollte, der alte Förster, Louis Fournier, der Schriftsteller Gotthold Gloger, der auch dort wohnt und aus einer alten Chronik liest –, in "Hütes" prägen zwei Frauen das Bild: Schwestern, um die Fünfzig, Bäuerinnen, die über sich und das Dorf, die Kinder, die LPG, die Arbeit und den "Berch" erzählen, so originell wie selbstbewußt, mit einem Gleichklang der Gefühle, Gedanken, selbst Worte, wie ihn nur menschliche Nähe und Harmonie bringen können: "Für mich war das schönste, sind das schönste meine Kinder." – "Für mich auch. Ich hob" sie großgezogen. Und sie hat sie geboren."
Das wird man so leicht nicht vergessen. Beide Filme blühen in solchen Wendungen auf, die ein ganzes Leben, eine Situation oder Haltung ins Licht stellen können wie eine gute Geschichte. Und solche sind im Ansatz immer gegeben. (…)
Koepp hat das sicher glückliche Naturell, mit den Menschen, die er sich für seine Filme sucht, eins sein zu können. Seine unverkrampfte Zuneigung öffnet ihm den Partner, dem er während des Drehens eher schlichte als herausfordernde Fragen stellt. Falls er überhaupt Fragen stellt. Er läßt die Leute reden, aber er bewahrt sie davor, daß sie eine Sache zerreden. Und andererseits sind sie vor Taktlosigkeiten sicher. Aus diesem Verhältnis rührt wohl auch der Humor der Filme, wie er im Dokumentarbereich selten ist.
Aber die Sympathie, die sich auf den Zuschauer überträgt, schließt doch Werten und Gestalten nicht aus. Originäres entsteht: Die Leute vor der Kamera sind sie selbst und zugleich, in den besten Fällen, "Figuren" eines künstlerischen Willens.