Hütes-Film

DDR 1977 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
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Die beiden Schwestern Lene, Jahrgang 1920, verheiratet, drei Kinder, und Berta, Jahrgang 1925, ledig, die immer noch in dem kleinen Dorf in der Vorderrhön leben, in dem sie geboren worden sind, bereiten vor der Kamera Christian Lehmanns eine Thüringer Kloßspezialität zu, nach der Volker Koepps Kurz-Dokumentation betitelt ist: Hütes.

Ein bayerischer Mönch soll das Rezept einst mit der Aufforderung „Hüte es!“ weitergegeben haben: Man nehme rohe und gekochte Kartoffeln im Verhältnis 2:1. Erstere werden gerieben und dann in einen Presssack gefüllt, Letztere zu Brei gestampft. Die Masse wird dann zusammengerührt, mit Stärke angereichert, zu Klößen geformt und in kochendes Wasser gelegt. Hütes werden bis heute, etwa in der Meininger Schlossgastronomie, nach dem überlieferten Rezept zubereitet.

Das Henneberger Bergland, erklärt Volker Koepp aus dem Off, ist der am weitesten vorgeschobene Ausläufer des Rhöngebirges im Grenzland zwischen Hessen, Thüringen und Bayern, das zu Zeiten Thomas Müntzers auch Bauernkriegsland war. Die Arnold-Schwestern und ihre Kinder, ein Sohn studiert Landtechnik in Rostock, die mit einem Bad Liebensteiner Laborleiter verheiratete Tochter Gartenbau in Erfurt, sprechen vom „Berg“, wenn sie nach dem Schönsten in ihrer Heimat gefragt werden. Damit können die knapp 640 Meter hohen Zwillinge Neuberg und Hutsberg unmittelbar an der innerdeutschen Grenze zu Bayern gemeint sein.

Oder auch der 813 Meter hohe Ellenbogen zwischen Oberweid und Frankenheim, der allerdings zu DDR-Zeiten für den „elektronischen Kampf“ (Eloka) gegen den Klassenfeind genutzt wurde: in der einstigen Jugendherberge „Eisenacher Haus“ hatte die Staatssicherheit des Bezirks Suhl eine Abhörstation errichtet. Was Volker Koepp naturgemäß verschweigt, stattdessen aber auf die Vorgeschichte im Dritten Reich verweist: Weil das Henneberger Land traditionell eine Hochburg der Kommunistischen Partei war, wurde hier Anfang der 1930er Jahre das „Rhönlager Ellenbogen“ des Reichsarbeitsdienstes errichtet (verifiziert durch historische Fotos).

Lene und Berta arbeiten in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Tierproduktion, deren Einzugsgebiet sich auf zwölf Dörfer erstreckt. Früher wurde hier vor allem Feldanbau betrieben, heute dominiert die Viehwirtschaft. Weshalb die Schwestern froh sind, wenn sie einmal Aufgaben außerhalb der Stallungen wahrnehmen können. Privat dürfen sie Hühner, Gänse, Enten und sogar einige Kühe und Schweine halten. Einer der Mitbegründer der LPG, nur „Schorsch“ genannt, ist ein gebürtiger Freiherr, was im kleinen blauen Personalausweis der DDR auch keineswegs unterschlagen wird.

„27 Jahre DDR – Unser Weg des Friedens ist richtig“ lautet die plakatierte Parole zur Kirmes in Bauerbach – ganz traditionell mit Blaskapelle, Umzug, Bierfassanstich und Spanferkel auf dem Grillspieß. Diese Region ist immer auch Kulturland gewesen: Jean Paul und Johann Wolfgang von Goethe in Meiningen, der Bildhauer Tilman Riemenschneider im Grabfeldschen Bibra – und Friedrich Schiller in Bauerbach. 1782/83 hat er ein halbes Jahr im Gutshaus der Henriette von Wolzogen, das heute Museum ist, Asyl gefunden – und unter der unerwiderten Liebe zur Tochter gelitten. Hier hat er „Louise Millerin“ vollendet und „Don Carlos“ begonnen.

Oswin Ansorg ist Feldbau-Brigadier in der KAP, der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion, die 5.500 Hektar Fläche in einem halben Dutzend Dörfer bewirtschaftet. Er zeigt an Hand einer alten Kastanie, dass sich die Flurerneuerung (BRD: Flurbereinigung) um Anpassung an die Landschaft bemüht hat. Im Sommer er ist Laienschauspieler des nach Friedrich Schiller benannten Naturtheaters, in dem alljährlich halb Bauerbach auf der Freilichtbühne steht – seinerzeit stand der „Freischütz“ auf dem Spielplan, 2025 ist es u.a. „My Fair Lady“.

Früher, das belegen alte Fotos von Zigarrendreherinnen, wurde hier auch Tabak angebaut. Und in Frankenhain nordöstlich von Meiningen, einem Schwerpunkt der Holzindustrie der Region, stellte man im Film Peitschen genannte Gerten her. In dem nach „Das weite Feld“ (1976) über das nördliche Brandenburg zweiten Film Volker Koepps aus seiner Reihe „Landschaften“ geht es um die Menschen in der Thüringischen Rhön und speziell im Henneberger Land südlich der einstmaligen Residenzstadt Meiningen.

Die 35-minütige Kurz-Dokumentation ist am 21. November 1977 beim Int. Filmfestival Leipzig uraufgeführt worden, am 17. März 1978 als Begleitfilm zum Hauptprogramm in den Kinos angelaufen und am 31. Juli 1978 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt worden. Beim III. Leistungsvergleich des Dokumentar - und Kurzfilms der DDR für Kino und Fernsehen Mitte Oktober 1977 im Berliner „Kino am Fernsehturm” gabs unter dem Juryvorsitz von Prof. Dr. Konrad Schwalbe den „Preis für Gesamtleistung“.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
949 m, 35 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 21.11.1977, Leipzig, IFF;
Erstaufführung (DD): 17.03.1978;
Aufführung (DE): 29.04.1978, Oberhausen, IFF

Titles

  • Originaltitel (DD) Hütes-Film
  • Arbeitstitel (DD) Rhön

Versions

Original

Duration:
949 m, 35 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 21.11.1977, Leipzig, IFF;
Erstaufführung (DD): 17.03.1978;
Aufführung (DE): 29.04.1978, Oberhausen, IFF

Awards

IFF Oberhausen 1978
  • Hauptpreis der Jury des Deutschen Volkshochschulverbandes