Die Mörder sind unter uns
Der Film als Kunstwerk
Kurt Maetzig, Neue Filmwelt, Berlin/DDR, Nr. 5, 1950
(...) Am Beispiel des jähen Überganges von den letzten Nazifilmen, zum Beispiel "Kolberg", zu den ersten Filmen der DEFA-Produktion, wie zum Beispiel "Die Mörder sind unter uns", ist die Erneuerung der deutschen Filmkunst vom Inhalt her deutlich zu erkennen. Jedoch ist mit der Erneuerung der Filmkunst vom Inhalt her die künstlerische Entwicklung nicht abgeschlossen, sondern erst begonnen worden. Man sagt, daß neue Inhalte neue Formen hervorbringen, aber dieses Hervorbringen geschieht nicht automatisch, sondern ist ein schöpferischer Prozeß, der die höchsten Anstrengungen der Künstler erfordert.
Wolfgang Staudte zum Beispiel fühlte, daß er das Starke, Tiefe, Ungeheure, das er in seinen "Mördern" aussagen wollte, nicht in den konventionellen, glatten Formen des deutschen Films der faschistischen Epoche aussagen konnte. Es ist kein Zufall, daß er bei der Suche nach den geeigneten Formen auf expressionistische Formen zurückgriff, daß die gestürzte und gekippte Perspektive, die eigenwillige Kameraeinstellung und expressionistische Lichtführung, zum Beispiel die unnaturalistische Ausleuchtung der nächtlichen Ruinen und zum Teil sogar die Schauspielerführung direkt bei der expressionistischen künstlerisch hochentwickelten deutschen Stummfilmschule anknüpften, denn die akademische Glätte der vorangegangenen Filmperiode entsprach nicht dem aufwühlenden Appell, der von seinem Film ausging. Ähnliche Absichten veranlaßten die sogenannte neo-realistische Richtung der italienischen Filmkünstler kurz nach 1945, einen Schlag gegen die akademische Glätte der filmkünstlerischen Formen zu führen, indem sie versuchte, zugleich mit einem auf dokumentarischer Wahrheit basierenden Inhalt die Formen des Dokumentarfilms, der Wochenschau auf den Spielfilm zu übertragen. (…)