Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz
Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz
Hans Feld, Lichtbild-Bühne, Nr. 10, 12.1.1932
Eine seit Jahren an dieser Stelle wiederholt erhobene Forderung ist von der Degeto nun endlich verwirklich worden:
Der Kulturfilmmontag ist entstanden.
Ein Tag in der Woche wird dem Programm des programmatischen Filmwerks gewidmet. Einen Abend lang hält das Lichtspieltheater seine Pforten auf für Besucher, die sich mit Weiterentwicklung der Filmkunst, mit theoretischen Fragen befassen wollen, und mit Themen, die abseits vom Filmalltag gestellt sind.
Ein ausgezeichneter Beginn, dieser Basse-Abend, den sachlich zweckentsprechende Bemerkungen des Publizisten Rudolf Arnheim rahmen.
Wilfried Basse ist unter den Künstlern deutscher Avantgarde der dem Objekt "Film" am meisten Zugewandte. Nie ist er bildwitzig, um einer optischen Pointe willen. Immer geht es ihm ums Thematische. Er ist ebensowenig Einzelgänger, nur um sich mittels der Isolierung ein interessantes Aussehen zu geben, wie er etwa eine neue Form durch Übersteigerung des rein Formalen von Trick, Blickeinstellung und Technik sucht.
Basses Filmsehen und Filmgestalten ruht auf der Beherrschung des Handwerklichen. Seine Bildfolgen sind ohne Fehl. Aus der Einstellung eines Graphikers sind sie empfunden, unter bewußter Ausnutzung des Schwarz-Weiß-Effektes. Diese Bilder sind in sich harmonisch; künstlerisch, doch nicht geschmäcklerisch.
So wird der Kamerabericht – wie selten beim Film, dieser Kunst, von Schaffensgruppen gemacht für Besuchermassen – zur subjektiven Auseinandersetzung. Daß Stoffwahl und Verarbeitung von überpersönlichem Wort sind, zeugt für des Filmschöpfers Basse Selbstzucht.
Immer ist bei seinen Filmen die Art im Abrollen der optisch gefaßten Geschehnisse gleich: Ein dramaturgisches Gesetz von Aufbau, Steigerung und Abklang rundet sie.
Wilfried Basse komponiert seine Filme ablaufsgenau durch. Er zieht nicht aus, um Eindrücke zu sammeln. Sondern er gliedert zuvor, was er visuell zeigen will. Im Anfang der Schau-Tätigkeit ist das Gedankliche.
Basse bildert den "Markt am Wittenbergplatz", "Baumblüte in Werder", "Abbruch und Aufbau". Immer deckt seine Kamera das Wesentliche auf.
Fülle der Gesichte, Schichtungen der Käuferschaft. Einzelheiten, die ein Ganzes konzentriert aufzeigen. Vom Einkaufsmarkt her wird das Gesicht eines Stadtteils profiliert. Das Erwachen der Häuser bildet die ersten Linien; in Augen-Blicken enthüllen die Figuranten Lebensschicksale.
Und wo war je die Volks-Belustigung des Werderschen Blütenfestes, das Taumeln zwischen dem Rausch, der keimenden Natur entströmend, und dem Suff so charakteristisch, so dramatisch aufgebaut wie bei Basse. –
Der Bau-Film, schon in der Zeitdauer größer angelegt, gibt Niederreißen eines Bauwerks und die Entstehung eines neuen Komplexes wieder. Symphonie der Arbeit? Romantisches Hochgefühl beim Zusehen? Keine Spur.
Was Basse will, ist vielmehr: Aufschluß geben über die – primitive – Art einer Einebnungsmethode, die Menschenhände und Tierkraft einsetzt, kaum anders als vor Jahrtausenden.
Erst beim Neubauen tritt die Maschine in ihre ökonomische Funktion. Hier tritt zum belebten Bild die trick-graphische Erläuterung.
Dieser Film vermittelt Wissen. Um ihn aufzunehmen, bedarf es einer bewußten Umstellung zumal für den des Spezialfachs Unkundigen. Gerade deshalb war es notwendig, auch ihn einzusetzen.
Drei Filme – drei Formulierungen. Vom gesehenen Feuilleton über Lebens-Malerei zur Schilderung von Werkvorgängen. In allen diesen drei Arten offenbart sich das Künstlertum des Zweckschaffenden Wilfried Basse.
© Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin