Freunde
Freunde
Ulrich von Thüna, epd Film, Nr. 3, 15.03.2001
Der Anfang ist ungewöhnlich für einen Gangsterfilm. Zwei Jungen und ein Mädchen spielen miteinander Basketball, bis zwei Jugendliche hinzukommen und ihnen den Ball wegnehmen. Die beiden Jungen, Nils und Tayfun, wehren sich, aber die Älteren sind stärker. So endet der Blick auf die Kindheit, irgendwo in Kreuzberg.
Und dann, sechs Jahre später, beginnt die eigentliche Geschichte, nicht mehr sonnig, sondern bei strömendem Regen in einer Kneipe – bei einer Razzia. Da treffen sich die Jungen wieder: Nils ist Polizist, den man präziser Bulle nennen möchte, Tayfun, der Türke, irgendwie in den Drogenhandel verwickelt. Und Minuten später sind die Würfel gefallen: Um seinem Freund von einst zu helfen, versucht der Polizist Drogen beiseite zu schaffen. Er wird dabei beobachtet – Ende der Karriere. Die Polizei benutzt Nils, um Einblick in die Drogenszene zu gewinnen. Die Karten liegen auf dem Tisch und man ahnt wie alles ausgehen wird: tragisch und zwar für beide.
Getragen wird der Film durch die Freundschaft, die aber keineswegs eine unbedingte Größe ist. Denn auf den gescheiterten Freundschaftsbeweis folgt der Verrat. Solche Konstellationen sind zugleich einfach und konfliktträchtig. Stringent, aber keineswegs simpel wird erzählt, wie jemand durch eine einzige falsche Entscheidung (auch wenn sie auf einem so anständigen Gefühl wie Freundschaft basierte) sein Leben ruinieren kann. Nils" früherer Chef bei der Polizei (großartig: Michael Gwisdek) nennt Nils in einer fast zu eleganten Formulierung einen gnadenlosen Romantiker. Relief bekommt der junge Polizist durch seine – ältere – Freundin, die er einmal aus einer verzweifelten Lage rettete und halb aus Anstand, halb aus Zuneigung, bei sich aufnahm. Zwischen den Freunden steht die Journalistin Cora, die Kinderfreundin von einst, ein kühler Großstadtmensch, von Christiane Paul vielleicht zu cool und verschlossen gespielt, dass es schwer fällt, ihr tiefere Gefühle zu glauben.
Die stärkste Figur aber ist Tayfun, Nils" ins Kriminelle abgedrifteter türkischer Freund. Erdal Yildiz verkörpert ihn höchst eindrucksvoll (und spielt Benno Fürmann und Christiane Paul an die Wand) mit einer physiognomischen Stoizität, die dem Zuschauer die Fremdheit und Undurchschaubarkeit seiner Person vermittelt, die jenseits bürgerlicher Existenz in einer Grauzone zwischen Kneipe, Drogenhandel und Verbrechertum angesiedelt ist. Grauzonen sind dramatisch stets interessanter als das Klare und Eindeutige. Es macht die Qualität von Eiglers Films aus, bei sehr genau definierten Personen die zentrale Idee des Films (die Freundschaft) ständig zu erproben, nicht darauf auszuruhen. Beide Männer bauen auf ihre Freundschaft, aber um wieder Polizist zu werden, verrät der Deutsche den Türken, und Tayfun wiederum reagiert erbarmungslos, als die Freundschaft verraten wird.
An der Inszenierung von Martin Eigler gefällt der Verzicht auf platten Aktionismus. Manchmal hat der Film fast kammerspielhafte Züge, betont durch langsamen Schnitt, ruhige Einstellungen, eine Kamera, die ganz nah an die Schauspieler und die Objekte herangeht. Das Kreuzberg des Films, das irgendwo in einer der alten Seitenstraßen des Kottbusser Tors liegt, ist eher typische Großstadt als präzise beschriebenes Stadtviertel. Diese Stilisierung trennt den Film von den gängigen Produkten – das Kleine Fernsehspiel des ZDF war Koproduktionspartner.
Aber "Freunde" ist keineswegs überstilisiert oder gar langweilig. Ruhe wechselt mit dramatischen Szenen, und besonders schön ist eine Zäsur, die zudem Sinn macht: Mit fröhlicher Musik unterlegt spielen die drei Protagonisten, mittlerweile erwachsen und mit allen möglichen Problemen beschäftigt, wieder Basketball wie in ihrer Kindheit. Da erinnert man sich an die unbeschwerte Zeit von damals, die aber schon den Keim des bitteren Endes in sich trug.