Das Bildnis des Dorian Gray

Deutschland 1917 Spielfilm

Das Bildnis des Dorian Gray


Lichtbild-Bühne, Nr. 26, 30.6.1917


"Die Kunst zu offenbaren, den Künstler zu verbergen – das ist das Ziel der Kunst." Wenn Oscar Wilde diese Worte in seiner Vorrede zu seinem Tendenzwerk "Dorian Gray" voranschickt, so ist er sich zweifellos bewußt gewesen, daß er in seinem Werk und dessen ganzen Aufbau dieses Ziel erreicht hat. Er bot uns Einblicke in ein Menschenleben, er zog durch die Kunst zu offenbaren die innersten Empfindungen vor die Augen der Welt, um damit die Menschheit mit diesen Irrungen bekannt zu machen und dadurch die Offenbarung durchzuführen. Wenn wir uns heute, in dem Zeitalter der lebenden Bilder, fragen, ob die Kunst zu offenbaren auch als Ziel der Filmkunst gesetzt werden darf, so möchten wir unter Hinweis auf das neue Werk Richard Oswalds d.h. auf das Werk "Dorian Gray" selbst behaupten, daß das Ziel erreicht ist. Das, was Wilde in seinem Werk in so feinsinniger Weise zu offenbaren sucht, hat Oswald in den fünf Akten seines Werkes dem großen Meister im Bilde nachgeahmt. Selbst die feinsten Nuanzierungen hat er durch eine meisterhafte Regie darzutun verstanden und sich damit zweifellos ein Verdienst erworben, der dem des großen Kulturfilms "Es werde Licht" gebührend zur Seite gestellt, ja sogar höher gestellt werden darf. Dort war dem Künstler als Regisseur freie Hand gelassen, er konnte die Handlung formen, nach freiem Ermessen entsprechend dem Zweck und dem Ziel, das er sich gesteckt. Die Kunst zu offenbaren lag hier im Effekt des Darzustellenden. Wie anders aber bei "Dorian Gray". Hier war der Regisseur gebunden, das was der Schriftsteller durch die feinsinnigsten Worte und Zeichnung der einzelnen Charaktere erreichte, muß der Regisseur durch die Feinheiten künstlerischer Regie und durch die Darstellungskunst der Mitwirkenden erreichen. Daß Bernd Aldor als Dorian Gray wirklich eine hervorragende Leistung geschaffen hat, ist ohne Vorbehalt anzuerkennen. Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge und durch seine Kunst der Darstellung erst wird dem toten Film die Sprache gegeben, die die Regie zur Erreichung ihres Zieles benötigt. Daß hier alle Kräfte vereint waren, und daß damit das Gelingen der schwierigen Aufgabe gewährleistet war, ist aber in allen Teilen ein Verdienst Richard Oswalds.

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