Was geschah wirklich zwischen den Bildern?
Was geschah wirklich zwischen den Bildern?
H. Messias, film-dienst, Nr.7, 07.04.1987
Seit 20 Jahren sammelt der Experimentalfilmer und Filmtheoretiker Werner Nekes kinematographische und vorkinematographische Objekte. Da diese auf der einen Seite ihren Reiz nur in der Bewegung entfalten, auf der anderen Seite jedoch zu alt sind, um in einem Museum ständig bewegt zu werden, hat Nekes seinen Film als ein Museum der Ur- und Vorgeschichte des Kinos eingerichtet: der Filmemacher als Museumsdirektor, Filmhistoriker und Adlatus in Personalunion, der Erfindungen aus fünf Jahrhunderten vorstellt, die der Mensch einzig zu dem Zweck gemacht hat, um der toten Materie die Illusion von Bewegung zu verleihen, sie zu beleben. Nekes‘ Demonstrationen sind in Kapitel gegliedert, die sich mit den Versuchen der dreidimensionalen Abbildung des Raumes, dem Phänomen der Trägheit unserer optischen Wahrnehmung – die Voraussetzung für das Filmerlebnis – und den ersten Techniken zur Herstellung der Illusion eines bewegten Bildes befassen.
Verblüffendes stellt der Filmemacher vor, veranschaulicht eindrucksvoll das Wechselspiel von Licht und Schatten, Information und Nicht-Information, Bild und Leerstelle, aus dessen Addition heraus die Illusion einer zusammenhängenden Bewegung entsteht. Obwohl der Film auch für den Einsatz in Schulen und zur Heranbildung des Film-Nachwuchses konzipiert ist, wirkt er nie dozierend oder lehrbuchhaft, sondern betont stets die lust- und phantasievollen Elemente, die „Spezialeffekte“, die optischen Gags, die Verzauberung, um derentwillen die meisten dieser Erfindungen gemacht wurden. Dieser Verzauberung erliegt auch der erfahrene Filmemacher, der behutsam und liebevoll mit seinen Objekten hantiert.
Von der Camera Obscura bis zum Chromatrop, vom Schattenanimationstheater bis zum Verwandlungsziehbild, vom Thaumatrop, der Zwirbelscheibe, deren Informationen auf der Vorder- und Rückseite durch schnelles Drehen zu einem Bild vereint werden, bis zur Anamorphose, einem frühen Verwandten des Scope-Verfahrens, werden diese kleinen und großen Erfindungen vorgeführt. Ein vielschichtiges Kaleidoskop aus der Vorgeschichte des Kinos, das unterhält und belehrt, bezaubert und informiert und auch die kleinen frivolen Spielereien enträtselt, wegen denen einige Objekte geschaffen wurden: Bildinformationen, die den Augen vieler verborgen bleiben sollten und nur dem „Sachkundigen“ ihre Geheimnisse preisgaben. Nekes hat mit „Was geschah wirklich zwischen den Bildern?“ ein faszinierendes Filmdokument geschaffen, das sowohl Gegner als auch Befürworter seiner früheren Arbeiten goutieren werden. Film, das ist nicht nur die Wahrheit vierundzwanzigmal in der Sekunde, das ist auch das Ergebnis vieler Einzelleistungen. Werner Nekes würdigt die Pioniere der frühen Tage, auch jene, deren Namen man nicht mehr kennt.