Tach, Herr Dokter!
Tach Herr Dokter – Der Heinz-Becker-Film
Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 23, 09.11.1999
Im Jahr 1985 wurde der stets nörgelnde, besserwisserische, so gut wie nie zu einem Lachen aufgelegte Saarländer, Kleinbürger und Biedermann Heinz Becker aus der Taufe gehoben: Gerd Dudenhöffer erfand ihn für ein kabarettistisches Bühnenprogramm und entwickelte ihn zu einer höchst amüsanten Kunstfigur, die ihre ureigenste Komik vor allem ihrem saarländischen Dialekt und dessen ebenso eigensinniger wie melodisch-charmanter Phonetik verdankt. Auf der Bühne konnte der grantelnde Heinz Becker zu einem messerscharf argumentierenden, ausgesprochen bissigen Zeitgenossen mutieren, der dem deutschen Volk, seinem versteckten Rassismus ebenso wie seinen politischen Ansichten, genau aufs Maul geschaut hatte. In der 1992 entstandenen Fernsehserie "Familie Heinz Becker" ging es schon sanfter, betulicher, in den schönsten Momenten aber nicht minder skurril zu, wenn der alltägliche Kampf mit den angestammten Rollen- und Denkklischees Blüten trieb. Dass Heinz Becker nun auch die große Kinoleinwand erobern soll, ist ein, wie das Resultat zeigt, ebenso überflüssiger wie kontraproduktiver Schritt in die falsche Richtung: Ohne erzählerisches und dramaturgisches Konzept plätschert die seichte Handlung müde und ohne Biss ihrem viel zu fernen Ende entgegen.
Heinz Becker und Ehefrau Hilde wohnen in einem lieblos auf Gebrauch eingerichteten Siedlungshäuschen, träumen freilich nichtsdestotrotz von einer Terrasse zum Garten hin, wozu sie zweifelsohne ihr reicher Nachbar, der Firmenvorstand Dr. Schenkberg, animiert hat. Der lebt mit seiner Ehefrau in protzigem, bis zur Unwohnlichkeit designtem Reichtum und um des nachbarschaftlichen Friedens willen in einer Art symbiotischer Beziehung mit den Beckers, was freilich durch Schenkbergs renommiersüchtige Ehefrau immer wieder in Frage gestellt wird. Der Terrassenbau, der mit viel Lärm, Schmutz und Bier verbunden ist, zerrt an ihren Nerven, bis sich die Nachbarn endlich mit gegenseitigen Einladungen (begrenzt) wieder näher kommen: Dr. Schenkberg lädt das plebejische Paar Becker zu einer schicken Gartenparty anlässlich seines 60. Geburtstags ein, woraufhin sich die Beckers mit einem Grillfest zur Terrasseneinweihung revanchieren. Das alles ist meilenweit entfernt von Heinz Beckers oft surreal anmutenden Fernseh-"Abenteuern", die er im Dschungel von Eigenheim, Autohaus, Kuraufenthalt oder Supermarkt erlebt, und bei denen ihn die skurril-liebenswerte Umständlichkeit seines Denkens und Handelns zum paschahaften Chauvi mit subversivem Unterton werden ließ. Der Kinofilm reduziert den Handlungsspielraum auf die stereotype Gegenüberstellung von "Reich" und "Arm" sowie die damit einhergehenden Klischeevorstellungen, was allenfalls für abgedroschene Witze über soziale Vorstellungen und Vorurteile reicht. Die mangelhafte Tragfähigkeit dieses Konzepts soll dann durch episodische "Gags" um Dr. Schenkbergs heimliche Liebschaft, um Party-Gesäusel, Kalauer und Wortverdreher gestreckt werden, wobei die Satire hinter der schalen Oberfläche allzu schnell erstickt.
Co-Regisseur und Kameramann Gernot Roll bietet das absolute Minimum an inszenatorischer Notwendigkeit. Wenn zu all diesen Belanglosigkeiten die revitalisierten Schlager-Opas der "Flippers" Party-Songs trällern und Komponist Peter Thomas bei seiner Rückkehr ins Kino nicht mehr als schales "Easy Listening" produziert, dann ist die Nähe zur bieder-belanglosen deutschen Kinoklamotte der 70er-Jahre größer als zu einem der reizvollsten Fernsehkomiker, der Gerd Dudenhöffer zweifellos ist.