Einer trage des anderen Last...

DDR 1987/1988 Spielfilm

Leben mit Lenin und Luther


Rosemarie Rehahn, Wochenpost, Berlin/DDR, 12.2.1988

Zeit der Handlung 1950, dabei ein Gegenwartsfilm, wie er gegenwärtiger nicht sein kann. Ein Film, der im Namen des Lebens, des Überlebens für Toleranz plädiert, zum Miteinander der Vernünftigen ermutigt.

Ort des Geschehens ist ein Lungensanatorium, "Hohenfels", das Schloß am anderen Ufer, wie einer sagt, ein Zauberberg, wenn man an Thomas Mann denkt. Wer hierher kommt, kommt mit der Hoffnung auf Genesung und mit verdrängter Todesfurcht. Tuberkulose heißt eine der Geißeln des Nachkriegs, der Hungerjahre – und Aufbaujahre.

Die Helden der Geschichte sind zwei junge Männer, der eine Marxist, der andere Christ, schlimmer, Jupp Heiliger ist Volkspolizist, Hubertus Koschenz Vikar. Welten liegen zwischen ihnen, Weltanschauungen. Gemeinsam ist den beiden tiefes Erfülltsein von ihrer gerechten Sache, von ihrem Glauben. Zwei Gläubige. Gemeinsam auch ist ihnen ein missionarischer Eifer. Klingelt der eine mitten im geheiligten Ritual der Esseneinnahme zur Parteiversammlung, läutet der andere prompt zur Bibelstunde. Und gemeinsam ist unseren Helden das Sanatoriumszimmer. (…)

Die Filmleute wissen, wovon sie sprechen. Regisseur Lothar Warneke ist in den fünfziger Jahren evangelischer Vikar geworden, Szenarist Wolfgang Held war Kommissar der Volkspolizei und Patient einer Lungenheilstätte.

So nah, so hautnah ist der Filmstoff dem eigenen Lebensweg, daß Lothar Warneke das Szenarium, als es – und wie es – vor Jahren schon einmal bei der DEFA zur Debatte stand, aus unterschiedlichen Gründen, auch aus denen persönlichen Betroffenseins, als Regieaufgabe ablehnte. Eine Denkpause, sprich Reifezeit, die der Sache gut getan hat. Denn so wie der Film uns heute begegnet, nicht nur in seinem tragikomischen Grundton, seiner spielerischen Gelassenheit, vor allem in seinem Realismus-, sprich Problemgehalt, im Aussprechen und Austragen von Widersprüchen, eben so wäre er vor Jahren vermutlich nicht auf uns gekommen. (…)


Merkwürdig, wie der Film, bei dem im Parkett immer wieder gelacht, immer wieder gelächelt wird, wie dieses sehr beredte Leinwandstück in seiner eher heiter gelassenen, gelegentlich auch abgeklärten Sicht auf persönliche und gesellschaftliche Widersprüche sich listig festhakt im Zuschauer, ihn feinfingrig verstrickt in existentielle Auseinandersetzung.

Da bedeutet Nachdenken über den jungen Genossen Jupp und seinen stürmischen Aktivismus, Nachdenken darüber, wie einer dem Menschheitsziel zustürmend, vorbeistürmen kann am Menschen neben sich. Wie er, den Schrei der Verdammten dieser Erde im Ohr, den leisen Ruf nicht hört, den ein schon vom Tod gezeichnetes Menschenkind an seiner Seite ausschickt, das Zuwendung, Liebe, seine Liebe erfahren will. Eine sanft erzählte unvollendete Liebesgeschichte, die das klare Mädchengesicht der Schauspielerin Susanne Lüning trägt. (…)

Ein Film, der den Zuschauer nicht mit der Wucht eines Gefühlsdramas trifft, ihn vielmehr betrifft durch seine erregende bekennerische Wahrheit über uns und unsere Zeit, die in den Bildern und Gestalten steckt, durch eine produktive Sehnsucht über dem Ganzen.

Wir hatten dergleichen lange nicht mehr auf der DEFA-Leinwand – dazu in ausverkauften Vorstellungen. (…)

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